Finanzplatz-Research ist heute wichtiger denn je

Auch künftig marktrelevante Themen im Fokus - Besondere Bedeutung kommt Prognose der Frankfurter Bankbeschäftigung sowie Umfragen vor Ort zu

Finanzplatz-Research ist heute wichtiger denn je

Komparative Analysen über das deutsche Finanzzentrum sind von jeher wichtig, um die Positionierung im internationalen Wettbewerb zu beleuchten und auch zu fördern. Die globale Finanzkrise und die von ihr angestoßenen Veränderungen haben die Bedeutung von Finanzplatz-Studien einmal mehr erhöht. Der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) als in Frankfurt verankerte Universalbank mit starkem regionalen Fokus ist es seit langem ein zentrales Anliegen, das deutsche Finanzzentrum in seiner Entwicklung aktiv zu begleiten und dies mit regelmäßigen Publikationen zu untermauern. Darüber hinaus engagiert sich die Helaba bei Frankfurt Main Finance und ist Sponsor des CFS-Finanzplatz-Indikators (Center for Financial Studies) an der Frankfurter Goethe-Universität. Wechselnde SchwerpunkteSo betreiben wir bei der Helaba seit zehn Jahren Research zum Finanzplatz Frankfurt zu wechselnden Schwerpunkt-Themen: Den Auftakt machte 2006 die Studie “Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich”. Fortan erschienen mehrere Publikationen über die Frankfurter Auslandsbanken (inklusive Umfragen) und zur Prognose der hiesigen Bankbeschäftigung. Neu war ebenfalls das von uns erstellte Ranking der größten Banken in der Mainmetropole. Auch die wichtigen Standortaspekte Besteuerung und Aufsicht wurden analysiert. Wo steht die Mainmetropole?In unserer Auftakt-Studie vor zehn Jahren haben wir eine Standortbestimmung der drei großen Finanzzentren Europas vorgenommen. Bei dieser komparativen Finanzplatz-Analyse Frankfurts versus London und Paris war die zugrunde liegende Fragestellung: Was sind die Wesensmerkmale eines Finanzplatzes? Fünf Charakteristika hatten wir als unverzichtbar für die erfolgreiche Positionierung im internationalen Wettbewerb identifiziert. Diese Kernkriterien lauten: Banken, Börsen, finanzbezogene Bildung & Forschung, Trends in der Finanzbranche sowie standortspezifische Qualitäten. Mittels zahlreicher Indikatoren erfolgte dann die Bewertung von Frankfurt, London und Paris. Daraus zogen wir damals das Resümee, dass der Finanzplatz London in Europa eine unangefochtene Vorrangstellung einnahm und innerhalb Kontinentaleuropas Frankfurt und Paris um die Führungsposition konkurrierten. Dem Finanzplatz Frankfurt attestierten wir gute Chancen, mittelfristig die kontinentaleuropäische Führungsrolle zu erringen.Seitdem hat sich der Finanzplatz Frankfurt weiter bewegt. Die spannende Frage ist nun: Wo steht die Mainmetropole heute im Vergleich zu den anderen großen Finanzstandorten Europas? Dies beantwortet die neue, in diesem Jahr erscheinende Helaba-Studie, in der wir auf unsere Kernkriterien von 2006 zurückgreifen. Die zur Beurteilung herangezogenen Indikatoren sind, ähnlich wie damals, angereichert mit neuen Informationen dank der mittlerweile verbesserten Datenlage. Im Fokus unserer diesjährigen Finanzplatz-Analyse steht das deutsche Finanzzentrum. Erneut geht es aber auch um die Gegenüberstellung mit den anderen beiden führenden europäischen Finanzplatz-Regionen. Resümierend nehmen wir erneut eine zeitpunktbezogene Standortbestimmung der drei großen Finanzplätze Europas vor. Diese aktuellen Bewertungen für die Kernkriterien stellen wir unserer Beurteilung von damals gegenüber. So wird ersichtlich, in welcher Hinsicht sich die drei Finanzzentren im Laufe der letzten zehn Jahre verändert haben und wie ihre relative Positionierung im europäischen Standortwettbewerb heute aussieht.Die Anzahl der Banken hat sich in den letzten zehn Jahren massiv verändert. So haben auch wir bei unseren Studien darauf einen genaueren Blick geworfen. Der kontinuierliche Rückgang der Institutsanzahl in Europa spiegelt den Konsolidierungsprozess in der Bankenbranche wider, die mit großen Herausforderungen konfrontiert ist. Die Ertragslage wird weiterhin von den sehr niedrigen Zinsen belastet sowie den hohen Kosten infolge verschärfter Regulierungs- und Aufsichtsanforderungen. Neben den direkten Kosten aus dem Auf- und Umbau von Prozessen, detaillierten Berichtswesen sowie höheren Abgaben zählen dazu auch indirekte Kosten, allen voran die mit dem höheren Eigenkapitaleinsatz verbundene niedrigere Profitabilität von Geschäftsaktivitäten. Obendrein werden die Geschäftsmodelle der Kreditinstitute durch die rasant fortschreitende Digitalisierung auf den Prüfstand gestellt. International attraktivTrotz dieser zahlreichen Herausforderungen ist Frankfurt mit seinen vielfältigen Standortqualitäten ein international attraktiver Finanzplatz, der eine starke Anziehungskraft im In- und Ausland besitzt. Nach wie vor gibt es eine ansehnliche Anzahl von Instituten am Main – Tendenz weiter steigend. Denn nach einer krisenbedingten Delle kam es in der Mainmetropole bereits 2011 zur Kehrtwende. Abstrahiert von einem statistischen Sondereffekt geht es mit der Frankfurter Bankenanzahl seitdem wieder aufwärts. Im vergangenen Herbst waren rund 200 Banken mit ihrem Hauptsitz am Main vertreten, über drei Viertel davon ausländischer Herkunft.Zudem gab es über 30 ausländische Repräsentanzen. Diese werden meist zur Kontaktanbahnung vor Ort eingerichtet, mit der Perspektive einer späteren Vollbanklizenz. Schließlich besitzt Frankfurt eine hohe Attraktivität für internationale Akteure. Von großer Bedeutung ist die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihrer geldpolitischen und aufsichtsrechtlichen Doppelfunktion. Dies verschafft Frankfurt internationale Aufmerksamkeit. Die Nähe zur EZB ist ein wichtiges Argument bei der Standortentscheidung vieler in- und ausländischer Banken, wie mehrere Umfragen der Helaba belegen.Auch künftig werden wir Finanzplatz-Research zu marktrelevanten Themen betreiben. Eine besondere Bedeutung kommt hierbei der Prognose der Frankfurter Bankbeschäftigung sowie Umfragen vor Ort zu. Ähnlich wie jetzt zum Zeitpunkt unserer Jubiläumsstudie wird es vermutlich auch in zehn Jahren spannend sein, die Entwicklung des Finanzplatzes Frankfurts im Vergleich zu seinen unmittelbaren Wettbewerbern zu analysieren und zu bewerten. Weitere wichtige Fragen sind dann vermutlich schon beantwortet: Ist Großbritannien noch in der EU? Existiert der Euro noch und können wir immer noch mit Bargeld zahlen?—Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin/Bereichsleitung Research, Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba)