Europäische Union

Finanzwesen soll nachhaltiger werden

Die EU-Kommission hat ein ganzes Bündel von Gesetzesvorschlägen veröffentlicht, die dazu beitragen sollen, das Finanzwesen nachhaltiger auszurichten. Das Klassifizierungssystem für grüne Investitionen wird weiter ausgestaltet und Unternehmen werden zu mehr Transparenz verpflichtet. Auch Anlageberater erhalten neue Vorgaben.

Finanzwesen soll nachhaltiger werden

ahe Brüssel

Mit Hilfe von mehr Transparenz will die Europäische Kommission Anleger besser dazu in die Lage versetzen, ihre Investitionen auf grüne Technologien und nachhaltige Unternehmen umzustellen. Die Brüsseler Kommission legte hierfür am Mittwoch Vorschläge für eine weitere Ausgestaltung der Taxonomie-Regeln, zu den Berichtspflichten für Unternehmen sowie den Anforderungen für Anlageberater vor. EU-Finanz­kommissarin Mairead McGuinness betonte vor der Presse, das Finanzsystem sei für den Erfolg des Green Deal von zentraler Bedeutung. „Die neuen Bestimmungen werden eine grundlegende Wende im Finanzwesen herbeiführen“, zeigte sie sich zuversichtlich.

Zum Paket gehört eine delegierte Verordnung, die genauer festlegt, welche Wirtschaftstätigkeiten am meisten zur Erreichung der EU-Klimaziele beitragen. Andere Nachhaltigkeitsziele werden erst Ende des Jahres mit Vorschlägen bedacht. Die jetzt vorgelegten Vorschläge decken nach Angaben der Kommission bereits etwa 40% der börsennotierten Unternehmen in Sektoren ab, auf die knapp 80% der direkten Treibhausgasemissionen in Europa entfallen. Zu diesen Sektoren gehören Energie, Forstwirtschaft, Herstellung, Verkehr und Gebäude – zumindest theoretisch.

Denn wie bereits vorab bekannt geworden war, klammert die EU-Kom­mission strittige Energiefragen rund um Investitionen in Erdgas und Kernkraft sowie den gesamten Bereich der Agrarwirtschaft vorerst aus. Erst Ende 2021 soll es hierzu einen eigenständigen Rechtsakt geben, wo die Nachhaltigkeit dieser Sektoren geklärt wird.

Der deutsche Energieverband BDEW bezeichnete dies als schlechte Nachricht: „Damit geht wertvolle Zeit verloren. Wir brauchen jetzt vernünftige Regeln, die Gas unter bestimmten Voraussetzungen als Übergangsaktivität im Sinne der EU-Taxo­nomie definieren“, monierte Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung. Deutschland brauche neue Gaskraftwerke, und diese müssten jetzt gebaut werden – und zwar so, dass sie zukünftig auch Wasserstoff als Energiequelle nutzen könnten und damit letztlich klimaneutral seien.

Mehr Unternehmen betroffen

Der deutsche Stadtwerke-Verband VKU stieß ins gleiche Horn: „Nach Kernkraft- und Kohleausstieg brauchen wir dringend gasbefeuerte Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen als Brückentechnologie, um die Versorgungssicherheit aufrechtzuerhalten“, so Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing.

Aber auch außerhalb des Energiesektors gab es viele skeptische Stimmen zu dem neuen Klassifizierungssystem, das ab Januar 2022 gelten soll. So bemängelte etwa der europäische Verbraucherverband BEUC, mit diesen Vorgaben bestehe weiter das Risiko von „Greenwashing“. Und die Grünen im EU-Parlament bemängelten die ihrer Ansicht nach laxen Vorgaben zu Bioenergie und Forstwirtschaft. Das Verbrennen praktisch jeder Form von Biomasse sowie die nicht nachhaltige Bewirtschaftung von Wäldern solle als grün gelten. Hier braucht es schnell eine Überarbeitung, forderte der Abgeordnete Sven Giegold.

Der Verband der Automobilindustrie sorgt sich unterdessen um die Finanzierungsmöglichkeiten: „Der Zugang zu Krediten mit akzeptablen Konditionen muss gerade für die Unternehmen möglich bleiben, die in Transformationenprozessen sind.“ Und auch die Immobilienwirtschaft sieht sich vor Herausforderungen gestellt, wie der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) betonte.

Mehr Beifall gab es da schon zu der ebenfalls zum Nachhaltigkeitspaket gehörenden Überarbeitung der Richtlinie über nichtfinanzielle Berichterstattung (NFRD), die in Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) umbenannt wird, und die Umfang und Inhalt der Nachhaltigkeitsberichterstattung der Unternehmen festlegt. Einbezogen werden künftig fast 50000 Unternehmen – heute sind es nur 11000. Erfasst werden dann alle großen Unternehmen mit Sitz in der EU, die mindestens zwei von drei Kriterien erfüllen: 20 Mill. Euro Bilanzsumme, 40 Mill. Euro Umsatz sowie 250 Mitarbeiter. Darüber hinaus sollen die Vorgaben unter anderem für alle börsennotierten Unternehmen mit Sitz in der EU gelten.

Ziel der Neuerungen ist, die Nachhaltigkeitsinformationen kohärenter und vergleichbarer zu machen. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung solle im Laufe der Zeit auf eine Stufe mit der Finanzberichterstattung gestellt werden, so die EU-Kommission. Erste Berichte mit dem neuen Standard sind ab 2024 zu erwarten.

Verschiedene europäische und deutsche Verbände bezeichneten die Vorschläge als Schritt in die richtige Richtung. Der deutsche Fondsverband BVI forderte eine zügige Umsetzung: Hauptgeschäftsführer Thomas Richter betonte, damit „wäre eine wichtige Voraussetzung erfüllt, um vergleichbare Informationen zu bekommen, die institutionelle Investoren für die Bewertung der Nachhaltigkeit brauchen“.

Auch in der Anlage- und Versicherungsberatung soll das Thema Nachhaltigkeit künftig eine größere Rolle spielen. Hierzu will die EU-Kommission die Marktrichtlinie Mifid und die Versicherungsrichtlinie IDD nachjustieren. Der EU-Abgeordnete Markus Ferber (CSU) warnte, Kunden dürften nicht in Produkte gedrängt werden, die nicht für sie geeignet seien. „Andere Faktoren wie Risikotragfähigkeit und Investmenthorizont müssen auch weiterhin eine Rolle spielen.“ Der Deutsche Derivate Verband (DDV) verwies darauf, dass die ergänzenden Rechtsakte zur Befragung der Anleger nach ihren Nachhaltigkeitspräferenzen sowie die produktbezogenen Regelungen von der gesamten Branche schon mit Spannung erwartet würden.