Folgen der ATAD-2-Richtlinie für Fondsstrukturen

Aufgrund der hohen Komplexität und Vielfalt der hybriden Gestaltungsszenarien ist künftig mit weniger Strukturen von der Stange zu rechnen

Folgen der ATAD-2-Richtlinie für Fondsstrukturen

Die Bekämpfung des ungerechten globalen Steuerdumpings stand in den vergangenen Jahren auf der Agenda der OECD und der Europäischen Union (EU). Seit der Veröffentlichung des BEPS-Berichts (BEPS – Base Erosion and Profit Shifting) der OECD 2015 hat die EU mehrere Richtlinien erlassen – und arbeitet noch an weiteren -, um schädliche Steuerpraktiken im gemeinsamen Markt zu bekämpfen.Die jüngsten Initiativen zur Änderung der Spielregeln sind die EU-Rats-Richtlinien 2016/1164 mit Vorschriften gegen Steuervermeidungspraktiken (ATAD 1) und die nachfolgende Änderungsrichtlinie EU 2017/952 in Bezug auf hybride Gestaltungen mit Drittländern (ATAD 2). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese beiden Richtlinien die europäischen Mitgliedstaaten verpflichten, in ihren Rechtsvorschriften Mindeststandards zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung umzusetzen.Obwohl Investmentfonds nicht im Hauptfokus stehen und von ATAD 1* weitgehend unberührt blieben, wird das Inkrafttreten der ATAD-2-Richtlinie jedoch größere Auswirkungen auf bestehende Strukturen haben. Dies ist eine wichtige Änderung für die luxemburgische Fondsbranche und ihr bekannt stabiles, anlegerfreundliches Steuersystem. Insbesondere Fonds oder Private-Equity-Strukturen, die mit Gesellschafterdarlehen, PECs und CPECs finanziert sind, werden als Erstes von diesen Maßnahmen betroffen sein. AnwendungsbereichATAD 2 erweitert den Anwendungsbereich der allgemeinen Vorschrift zu hybriden Gestaltungen (gemäß Artikel 9 von ATAD 1) auf Situationen, in denen es um hybride Finanzinstrumente, hybride Unternehmen, hybride Betriebsstätten, hybride Übertragungen, importierte Inkongruenzen, umgekehrt hybride Gestaltungen und Inkongruenzen bei doppelter Ansässigkeit zwischen zwei Mitgliedstaaten oder Mitgliedstaaten und Drittstaaten geht.Derzeit haben nur sehr wenige Mitgliedstaaten die ATAD-2-Maßnahmen in nationales Recht umgesetzt. Luxemburg hat in diesem Sommer seinen Gesetzentwurf Nr. 7466 vorgelegt, der glücklicherweise eine willkommene Klarheit für den luxemburgischen Fondssektor schafft.Eine hybride Gestaltung (nach den ATAD-Richtlinien) entsteht, wenn eine Zahlung zwischen Unternehmen mit Sitz in verschiedenen Staaten zu einem doppelten Abzug oder einem Abzug bei gleichzeitiger steuerlicher Nichtberücksichtigung führt. Eine solche hybride Gestaltung soll durch ATAD 2 aber nur dann neutralisiert werden, wenn diese entweder zwischen “verbundenen Unternehmen” oder im Falle einer strukturierten Gestaltung entsteht (in diesem Fall auch, wenn die Parteien nicht miteinander verbunden sind).Gemäß ATAD 2 sind Unternehmen und Steuerzahler als “verbundene Unternehmen” zu qualifizieren, wenn sie eine Beteiligung von mindestens 50 % der Stimmrechte oder Aktien halten oder wenn sie an mindestens 50 % des Gewinns eines anderen Unternehmens beteiligt sind. Der Begriff “verbundene Unternehmen” ist ferner vom Standpunkt des “gemeinsamen Handelns” zu verstehen. Dies zielt auf unabhängige Anleger ab, die zusammengenommen in Bezug auf Stimmrechte oder Aktienbesitz als gemeinsam handelnd gelten.Der Gesetzentwurf sieht eine Safe-Harbor-Regel vor, nach der ein Minderheitsinvestor, der direkt oder indirekt weniger als 10 % der Anteile oder Stimmrechte an einem Fonds hält, nicht als “gemeinsam handelnd” mit den anderen Investoren angesehen werden kann. Obwohl sehr begrüßenswert, ist der derzeitige Wortlaut dieser Safe-Harbor-Regel unklar und erfordert genauere Angaben zur Berechnung der 10-Prozent-Schwelle.Wenn ein Anleger beispielsweise mindestens 10 % der Anteile an einem von einem persönlich haftenden Gesellschafter verwalteten Fonds hält, ist in der derzeit vorgeschlagenen Berechnung nicht festgelegt, ob das “gemeinsame Handeln” im Verhältnis zu den zugrundeliegenden Investitionen des Fonds (das heißt gemeinsame Investitionen, die von dem persönlich haftenden Gesellschafter initiiert und von den Anlegern verfolgt werden) bestimmt werden soll. Diese Frage wurde von der Luxemburger Chambre de Commerce in ihren Stellungnahmen vom 27. September 2019 angesprochen.Für “Master Feeder”-Fondsstrukturen stellt sich die Frage, ob die 10-Prozent-Schwelle auf jeder Ebene berechnet werden sollte, oder der “Master” und der “Feeder” als Teil eines einzigen Fonds auf Anlegerebene betrachtet werden können.Weiterhin fehlt es an Informationen darüber, wann der 10-Prozent-Test durchgeführt werden soll. Auch hier empfiehlt die Chambre de Commerce, einen solchen Test am Ende des Geschäftsjahres der betreffenden Gesellschaft durchzuführen. Darüber hinaus wäre eine Vermutung, dass Anleger, die nicht mehr als 10 % der Anteile oder Stimmrechte an einem Fonds halten (sofern nicht anders nachgewiesen), nicht “gemeinsam handeln”, zu begrüßen gewesen. Umgekehrt hybride GestaltungATAD 2 zielt auch auf umgekehrt hybride Gestaltungen ab, das heißt Gesellschaften, die in ihrem Heimatland als transparent und in der Rechtsordnung der verbundenen Investoren als opak behandelt werden. Infolgedessen wäre eine luxemburgische steuertransparente Kommanditgesellschaft (Société en Commandite Spéciale, die häufig in Fondsgründungen verwendet wird) für körperschaftsteuerliche Zwecke als opak zu behandeln und auf ihre Erträge zu besteuern, wenn mindestens einer ihrer Anleger als “verbundenes Unternehmen” qualifiziert und nicht in seinem Heimatland besteuert wird.Der luxemburgische Gesetzentwurf schließt glücklicherweise von der Vorschrift für umgekehrt hybride Gestaltungen bereits Organismen für gemeinsame Anlagen (OGA) aus. OGAs werden durch den Gesetzentwurf als Investmentfonds oder -vehikel, die sich im Streubesitz befinden, über ein diversifiziertes Wertpapierportfolio verfügen und in dem Land, in dem sie niedergelassen sind, einer Anlegerschutzbestimmung unterliegen, definiert. Der Gesetzentwurf listet die folgenden Arten von Unternehmen auf, die in die Definition von OGA einbezogen sind: (i) Organismen für gemeinsame Anlagen (OGA) und Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) und Nicht-OGAW Teil II, (ii) spezialisierte Investmentfonds (Sif), (iii) reservierte alternative Investmentfonds (Raif) und (iv) andere alternative Investmentfonds (AIFs). Investmentgesellschaften für Risikokapital (Sicars) und Verbriefungsgesellschaften blieben vom Anwendungsbereich dieser Definition ausgenommen.Eine weitere begrüßenswerte Ausnahme, die mit dem Gesetzentwurf eingeführt wurde, betrifft Zahlungen, die im Rahmen eines Finanzinstruments geleistet wurden und zu einer steuerlichen Nichtberücksichtigung auf Ebene des Empfängers führen. Diese gelten nicht als hybride Diskrepanzen, sofern die steuerliche Nichtberücksichtigung aus dem steuerbefreiten Status des Empfängers (das heißt steuerbefreite OGAs) resultiert. Was ist zu erwarten?Der luxemburgische Gesetzentwurf ist relativ ausgewogen. Der Entwurf setzt nicht mehr als den von ATAD 2 geforderten Mindeststandard um und hat die meisten der dort zugelassenen Ausnahmen eingeführt. Obwohl der Gesetzentwurf zu einem gewissen Maß Unsicherheiten für luxemburgische Fondsstrukturen ausräumt, ist sein Wortlaut derzeit unpräzise oder enthält nicht genügend praktische Beispiele.Angesichts der großen Menge an wesentlichen Kommentaren der Chambre de Commerce und der zu erwartenden weiteren Kommentare aus dem Finanzsektor, wird der Gesetzentwurf höchstwahrscheinlich im Laufe des Gesetzgebungsprozesses geändert und verbessert. Außerdem erscheint es, wie von der Chambre de Commerce nachdrücklich gefordert, notwendig, ein Rundschreiben zu veröffentlichen, das eine klare Auslegung und praktische Leitlinien für einen sehr komplexen und anspruchsvollen Finanzplatz, wie Luxemburg enthält. In diesem Rundschreiben sollte unter anderem das Konzept des “gemeinsamen Handelns” näher erläutert und Beispiele für die 10-Prozent-Schwelle dargestellt werden.In der Zwischenzeit wird den bestehenden Fondsstrukturen empfohlen, die Beteiligung ihrer Investoren im Hinblick auf die möglichen Auswirkungen der Vorschriften zu hybriden Gestaltungen zu bewerten. Aufgrund der hohen Komplexität und Vielfalt der hybriden Gestaltungsszenarien erwarten wir in naher Zukunft weniger Strukturen von der Stange, dafür aber mehr maßgeschneiderte Strukturen, die die ATAD-2-Regelungen für den Einzelfall berücksichtigen (zum Beispiel Trennung von Investoren und zusätzliche Feeder-Fondsstrukturen). *) So sind beispielsweise Unternehmen, die als “Finanzunternehmen” gelten, von der in Artikel 168 bis LITL festgelegten Regel zur Begrenzung des Zinsabzugs ausgenommen, und die anderen Regeln, die sich aus ATAD 1 ergeben, haben die Fondsstrukturen nicht wesentlich beeinflusst – mit Ausnahme der Umpackung von Schuldtiteln und notleidenden Kreditportfolien, die von Unternehmen gehalten werden, die unter Artikel 168 bis LITL fallen. Mathilde Ostertag, Partner GSK Stockmann – Avocat à la Cour