Fonds in Abspaltungsängsten

EU-Kommission erwägt Trennung von Depotbanken - Deutschland, Frankreich und Luxemburg zittern

Fonds in Abspaltungsängsten

Neue Gedankenspiele der EU-Kommission sorgen für Unruhe in der Finanzbranche: Im Fokus stehen die etablierten Verbindungen zwischen Fondsanbietern und Verwahrstellen, die in Brüssel mit Argwohn beäugt werden.Von Silke Stoltenberg, FrankfurtDie deutschen Fondsgesellschaften beobachten derzeit mit großer Sorge die EU-Kommission. Denn in Brüssel wird erwogen, die hierzulande häufig vorkommende Verbindung zwischen Asset Managern und Depotbanken in einem Konzern zu zerschlagen und eine tiefgreifende Neuordnung der Strukturen vorzuschreiben. Davon betroffen sind vor allem die in sich geschlossenen Verbünde der Volks- und Raiffeisenbanken sowie der Sparkassen und Landesbanken. Aber auch der größte Custodian hierzulande, BNP Paribas, ist bedroht, wie auch viele andere Adressen, etwa BNY Mellon, J.P. Morgan, State Street oder HSBC Trinkaus, die jeweils eigene Vermögensverwalter haben.Hintergrund dieser drohenden Umwälzung in der Investmentbranche, von der neben Deutschland auch insbesondere die Branche in Frankreich, Luxemburg oder Spanien betroffen wäre, ist die EU-Fondsrichtlinie Ucits V. Mit dieser hat Brüssel unter anderem die Erfahrungen des Madoff-Betrugs verarbeitet. Neben dem Schneeballsystem war damals für die geprellten Anleger ein weiteres Problem gewesen, dass Vermögensverwalter und Verwahrer der Gelder zusammengekungelt hatten. Damit hatten die Geprellten keine Chance, den Custodian für den Verlust der Assets zu belangen.Daher war in Europa schon bei der Richtlinie für alternative Manager AIFM, die vor der Ucits V für Publikumsfonds erlassen worden ist, verfügt worden, dass die Verwaltung von der Verwahrung der Assets getrennt stattfinden muss, ebenso wurde die Haftung der Depotbanken massiv verschärft. Die europäischen Politiker dachten ursprünglich aber an Maßnahmen wie Chinese Walls, sollten Asset Manager und der Custodian verbandelt sein. Strukturpolitische GedankenBei der üblichen Detailerarbeitung von Richtlinien kam dann plötzlich für Ucits V ein strukturpolitisches Gedankenspiel auf. Die Wertpapierbehörde ESMA erwog, dass der Custodian nicht aus demselben Konzern kommen darf, sollten Banken 10 % der Anteile an einer Investmentfondsfirma halten. Gleiches sollte auch gelten, wenn es zwischen Fondsgesellschaften und Depotbanken Überkreuzbeteiligungen gibt.Nach der ESMA-Untersuchung betrifft es in Deutschland geschätzt 40 % des Fondsmarktes beziehungsweise ein Volumen von 476 Mrd. Euro in 2 600 Produkten von 26 Gesellschaften, bei denen es eine Verbindung zwischen Asset Management und Depotbank gibt. In Frankreich wären sogar 62 % des Marktes bedroht. Im kleineren Fondsmarkt Spanien ständen ebenfalls 65 bis 70 % der Assets under Management vor einer Umstrukturierung. Im größten Fondsland Europas – Luxemburg – werden annähernd ein Drittel oder 755 Mrd. Euro als problematisch eingestuft.Beispiel Union Investment: Deren Fonds werden ausschließlich von der DZ Bank, WGZ Bank beziehungsweise deren Luxemburger Töchtern verwahrt. Umgekehrt ist die Union Investment quasi deren einziger Kunde. Diese hochgradige gegenseitige Abhängigkeit ist im Sektor der Sparkassen (DekaBank) und Landesbanken nicht wesentlich anders. Die Deutsche Bank aber wäre ausnahmsweise einmal außen vor, werden ihre Fonds doch von State Street verwahrt.Nach wenig überraschenden scharfen Protesten der Finanzbranche gegen eine solche Umwälzung verwarf die Pariser Behörde recht schnell wieder diesen harten Schritt. Stattdessen empfahl sie der EU-Kommission Ende vergangenen Jahres, dass bei Verquickungen zwischen Fondsgesellschaft und Verwahrung künftig bestimmte Maßnahmen verpflichtend werden sollen, um Interessenkonflikte zu vermeiden und im besten Sinne des Anlegers zu handeln. Diese umfassen etwa Ausschreibungsverfahren statt der üblichen automatischen Beauftragung der konzerneigenen Depotbank durch das Fondsmanagement. Demnach muss künftig auch nachgewiesen werden, dass die Depotbank-Schwester die beste Wahl im Hinblick auf Preis, Kapitalausstattung, Expertise und Prozessqualität für den Anleger ist. Der Umstellungsaufwand wurde auf bis zu 30 Mill. Euro für eine große Fondsgesellschaft kalkuliert. Harte Separierung drohtDas passte vielen Protagonisten in der EU-Kommission aber so gar nicht in den Kram, die ja auch bei der angedachten Trennbankenverordnung, also der Abspaltung des Investment Banking vom weniger riskanten Privatkundengeschäft, mit weitreichenden strukturpolitischen Hintergedanken unterwegs sind. Der für Investmentfonds zuständige Referatsleiter Tilman Lueder ist für eine harte Separierung zwischen Fondsgeschäft und Verwahrung. Auch seine Vorgesetzten – Direktor Mario Nava, Generaldirektor Jonathan Faull und Kommissar Jonathan Hill – sind eher Anhänger von mehr Wettbewerb.Daher hat die Kommission die einst für Ende Juli angesetzte Frist für die Durchführungsverordnung ausgesetzt und peilt nun das dritte oder vierte Quartal an. Bis dahin will sie das Europäische Parlament und den Europäischen Rat von ihrem Vorhaben überzeugen, dass Verbindungen zwischen Fondsmanager und Depotbanken zerschlagen werden müssten. Dort wird allerdings der ESMA-Vorschlag favorisiert. Ein denkbarer Kompromiss könnte darin bestehen, dass die ESMA ihren Vorschlag noch einmal nachschärfen muss.Wie das Ganze enden wird, ist momentan noch völlig offen. Union-Investment-Vorstand Andreas Zubrod, unter anderem zuständig für Finanzen und Regulierung, betrachtet die Diskussionen über eine Entflechtungsregelung mit Sorge. Bei der DZ Bank gibt man sich zurückhaltend und hält es mit den Worten von Finanzvorstand Cornelius Riese für ein “Extremszenario”, dass es zu einer harten Separierung kommt. Dies hätte letztlich zur Folge, dass DZ Bank und WGZ Bank entweder die Depotbank oder die Union Investment abspalten müssten. Nicht minder dramatisch wäre die Situation für die DekaBank. “Gefahr ist überschaubar”Bei der DZ Bank rechnet man eher damit, dass sich schlussendlich der ESMA-Vorschlag durchsetzen wird. “Diese Gefahr ist überschaubar, dann müssen wir lediglich bei der Preisbildung neue Regeln beachten”, so Riese. Damit werde man am Markt letztlich nur wettbewerbsfähiger, zeigt man sich hinter den Kulissen sehr entspannt. Doch es gibt auch andere Stimmen, die bei einer Umstellung allein den Aufwand bei Union Investment auf bis zu 10 Mill. Euro beziffern. Geschweige denn, dass die genossenschaftlichen Zentralbanken ihre Preise im Verwahrgeschäft um ein Drittel bis zur Hälfte herunterschrauben müssten, um auf ein ähnliches Niveau wie die Verwahrriesen BNY Mellon oder State Street zu kommen.—– Wertberichtigt Seite 6