Fondsanbieter müssen Flagge zeigen

Assetmanagement in der Mitte der Gesellschaft verankern - Mit einigen irreführenden "Mythen" aufräumen - Noch näher an Kunden heranrücken

Fondsanbieter müssen Flagge zeigen

Rund 2,7 Bill. Euro hat die deutsche Assetmanagement-Branche in ihren Büchern. Ein beachtliches Volumen. Allerdings weist die Bundesbank nur rund 10 % des auf 5,5 Bill. Euro bezifferten Geldvermögens der Bundesbürger als Investmentfonds aus. So verwundert es nicht, dass die Bedeutung der Fondsanbieter hierzulande häufig unterschätzt wird. Vielen Menschen ist nicht bewusst, dass Fondsgesellschaften über Spezialfonds für institutionelle Investoren wie Versicherungen oder Pensionskassen einen wesentlichen Anteil der Vermögen in Deutschland verwalten und gegenüber institutionellen und privaten Kunden in der Verantwortung stehen.Der Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) leistet eine sehr wertvolle Aufklärungsarbeit, um den Stellenwert der Branche zu verdeutlichen und breiteren Bevölkerungsschichten zu vermitteln. Doch auch die Fondsgesellschaften selbst sind mehr denn je gefragt, ihren Teil beizutragen, dass die Wahrnehmung der Branche ihrem tatsächlichen Gewicht gerecht wird. Offenbar HandlungsbedarfDenn von einer starken Assetmanagement-Branche können alle profitieren – Anbieter, Kunden und auch der Staat, wenn man sich die zentrale Rolle unserer Branche bei der Vorsorge in Deutschland vor Augen führt. Wie wichtig es für jeden Anbieter ist, Flagge zu zeigen, verdeutlicht ein Blick auf die Zahlen: Auch wenn der Bestand zuletzt weiter gestiegen ist, gibt unsere Branche bei den Absatzzahlen leider kein homogenes Bild ab. Den einzelnen Gesellschaften gelingt es sehr unterschiedlich, das Thema Fondsanlage vertrieblich in die Breite zu tragen. Wenn es jedoch selbst im Niedrigzinsumfeld nur schwer zu schaffen ist, die Menschen von den Vorteilen einer besseren Vermögensstruktur zu überzeugen, besteht offensichtlich Handlungsbedarf. Bremsklotz VorurteileAber an welchen Stellschrauben lässt sich drehen? Zunächst müssen sich alle Anbieter klar darüber werden, wie sie ihre Rolle definieren – und vor allem, für wen sie agieren. Das heißt, dass wir als Treuhänder der Vermögen unserer Kunden noch näher an diese heranrücken müssen. Doch das ist gar nicht so einfach, wie es scheint. Denn bei genauerer Analyse zeigen sich durchaus Unschärfen in der wechselseitigen Wahrnehmung von Kunden und Branche. Aber Fehleinschätzungen und Vorurteile sind Bremsklötze, wenn es darum geht, das enorme Potenzial von Investmentfondslösungen zu nutzen. Wenn wir die Evolution des Sparens mit dem Ziel einer besseren Vermögensstruktur der Deutschen voranbringen wollen, müssen wir mit einigen irreführenden “Mythen” aufräumen, die dazu beitragen, dass sich unsere Branche bei Privatkunden aktuell unter Wert verkauft.Mythos 1: “Die Kunden sind erfahrene Anleger und kommen ganz von allein.”Der durchschnittliche Sparer verlangt nicht von sich aus nach einer passenden Vermögensstruktur. Stattdessen sind Fondsanlagen Teil einer Anlagestrategie, die der Bankberater mit dem Kunden individuell erarbeitet. Der Selbstentscheider, der sein Vermögen ohne Beratungsunterstützung strukturiert, bildet dagegen die Ausnahme. Die Geldanlage ist für viele Menschen nach wie vor ein schwieriges Terrain. Berater sehen sich häufig mit einem Bollwerk überholter Verhaltensmuster aus einer Zeit konfrontiert, als es für traditionelle, sehr sicherheitsorientierte Anlagen noch auskömmliche Zinsen gab. In der Beratung bedarf es daher eines behutsamen Vorgehens. Und wir Anbieter sind gefordert, mit unserem Produktangebot Brücken zu bauen, um den Sparern den Weg in chancenreichere Anlageklassen zu erschließen.Mythos 2: “Was anderswo geht, funktioniert auch hierzulande.”Der deutsche Sparer ist mit Zinseszinsen groß geworden. Sparen ist für ihn meist eine ganz pragmatische Angelegenheit in seiner Bank um die Ecke. Unsere Kunden kommen aus der Mitte der Gesellschaft und interessieren sich selten für den Shareholder Value. Geldanlage ist für sie Sparen und funktioniert nur über Vertrauen. Dem müssen wir durch einfach verständliche Lösungen Rechnung tragen, nicht durch bloße Reproduktion einer angelsächsisch geprägten Börsenkultur. Als Anbieter sind wir gefordert, die Anlagelösungen der Zukunft noch stärker vom Kunden her zu denken. Dafür ist eine differenzierte Zielgruppenansprache unerlässlich.Mythos 3: “Mit der Digitalisierung wird alles anders.”Nicht wenige Experten haben angesichts der fortschreitenden Digitalisierung einen Umbruch in der Finanzbranche prognostiziert. Doch nach ersten Erfahrungen im Zeichen der Digitalisierung hat sich die Diskussion gewandelt. Inzwischen geht es nicht mehr darum, ob digitale Vertriebswege die persönliche Beratung ersetzen, sondern wie sich beide am besten ergänzen. Die meisten Menschen scheuen vor der Robo-Beratung zurück, denn Anlagelösungen sind Vertrauensgüter. Die persönliche Beratung hat daher eine hohe Bedeutung und wird sie behalten. Fondsgesellschaften müssen sich aber bewusst werden, dass die Digitalisierung sie gerade deshalb vor große Herausforderungen stellt. Denn als Anbieter müssen wir gewährleisten, dass unsere Kunden sich zukünftig in allen Kanälen gleichermaßen gut aufgehoben fühlen – digital und analog.Mythos 4: “Assetmanagement ist nur etwas für Reiche.”Als Fondsgesellschaften tun wir uns mit unserer Sprache oft keinen Gefallen. Wenn wir von “Assetmanagement” reden, denkt so mancher an Vermögensverwaltung für Superreiche. Allein die Produktbezeichnung “Investmentfonds” schreckt viele Sparer eher ab, weil sie damit oft das Investment Banking in Verbindung bringen. Dabei steht unsere Branche für die Mitte der Gesellschaft: Neben den Privatvermögen von ca. 20 Millionen Fondsanlegern steht ein Großteil der betrieblichen Vorsorge in unseren Büchern. In Deutschland profitieren rund 50 Millionen Menschen von den Leistungen der Branche. Wir Anbieter sind gefordert, uns stärker vom negativen Image der globalen Finanzindustrie und von internationalen Finanzskandalen abzugrenzen, mit denen die deutsche Fondsbranche nichts zu tun hat.Mythos 5: “Assetmanager verwalten bloß Vermögen.”Natürlich ist die Entwicklung von Anlagestrategien wesentliche Aufgabe eines Assetmanagers. Doch darauf lässt sich seine Rolle angesichts seiner Funktion als Treuhänder nicht reduzieren. Zahlreiche Gespräche mit Unternehmensvertretern, die Wahrnehmung von Stimmrechten und auch die Reden von Fondsmanagern auf Hauptversammlungen resultieren aus dieser Treuhänderfunktion. Als Fondsgesellschaften dürfen wir uns nicht mit der Rolle schweigender Anteilseigner begnügen, sondern müssen uns vielmehr als aktive Aktionäre einbringen. Schließlich sind wir vitaler Bestandteil des Wirtschaftskreislaufs. Gehör verschaffenWas ist zu tun, um solchen Fehleinschätzungen entgegenzutreten? Wir müssen uns Gehör verschaffen, wenn es um die Interessen unserer Kunden geht. Das beschränkt sich beileibe nicht auf unsere Rolle als Aktionär, sondern gilt auch für Themen wie Regulierung und Altersvorsorge. Ein Blick auf die Altersvorsorge macht die Relevanz der Branche deutlich: Rund 900 Mrd. Euro an Vorsorgevermögen verwalten Assetmanager zurzeit hierzulande. Das umfasst sowohl eigene Angebote zur Altersvorsorge, zum überwiegenden Teil aber Anlagen institutioneller Investoren: Rund ein Drittel der Deckungsmittel des deutschen Lebensversicherungsmarktes ist über Investmentfonds angelegt, 38 % der Deckungsmittel der Pensionskassen und 92 % der Pensionsfonds.Dieser Relevanz für die Gesellschaft müssen wir als Fondsanbieter durch unser Engagement Rechnung tragen. Nicht nur, indem wir verständliche Anlagelösungen für die tatsächlichen Bedürfnisse der Menschen bereitstellen und sie dort abholen, wo sie stehen. Sondern darüber hinaus, indem wir deutlich machen, dass die Verantwortung für den Wohlstand der Menschen auch in unseren Händen liegt.—Hans Joachim Reinke, Vorstandsvorsitzender von Union Investment