Fondsmarkt tut sich mit Vereinfachung schwer

Branchenverband BVI strebt stärkere Automatisierung an - Unterstellte Kostenvorteile und Effizienzgewinne - Nur langsamer Wandel

Fondsmarkt tut sich mit Vereinfachung schwer

Der deutsche Fondsmarkt steht unter Kosten- und Regulierungsdruck. Eine breitere Automatisierung von Prozessen im Handel von Fondsanteilen und im Depottransfer verspricht sinkende Kosten und geringere Fehlerquoten. Die Umsetzung verläuft aber schleppend.Von Dietegen Müller, FrankfurtAuf dem deutschen Fondsmarkt besteht noch erheblicher Optimierungsbedarf in der Automatisierung von Abwicklungsprozessen. Denn Kostendruck und Komplexität der Anforderungen steigen, nicht zuletzt auch wegen regulatorischer Anforderungen. Dabei wird Kritik laut, dass – anders als am Standort Luxemburg – in Deutschland etwa IT-Dienstleister zu wenig in die Arbeit von Standardisierungsausschüssen und Verbänden einbezogen würden.Die Fragmentierung des Fondsmarktes wirke einer Harmonisierung an den Schnittstellen entgegen, heißt es. Wie viele Transaktionen – die Zeichnung von Fonds und die Rücknahme – nicht standardisiert abgewickelt werden, ist mangels Daten schwierig abzuschätzen. In Branchenkreisen kursieren weit auseinanderliegende Zahlen. Ganze Prozesskette abdeckenNun fühlt sich der Deutsche Fondsverband BVI auf den Plan gerufen. Er strebe eine stärkere Automatisierung an, sagt Rudolf Siebel, Geschäftsführer des BVI, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Die Veröffentlichung einer neuen Marktpraxis erfolge in Kürze, heißt es. “Das Fondsgeschäft sollte auf Basis von Standards entlang der gesamten Prozesskette automatisiert werden, angefangen von der Kundeninformation über die Ordererteilung und Abwicklung bis hin zur Abrechnung mit dem Vertrieb”, sagt Siebel. Der BVI hat gemeinsam mit Swift bereits neue Empfehlungen für das Fondsordergeschäft erarbeitet, um den globalen Standard ISO 20022 weiter voranzutreiben.Swift ist eine globale Genossenschaft, in der sich Finanzdienstleister zusammengeschlossen haben. Der Netzwerk-Serviceanbieter übermittelt etwa mittels ISO-zertifizierten Austauschformaten auf Basis von XML standardisierte Finanzdaten. ISO-20022-Nachrichten lassen sich aber prinzipiell nicht nur über das Swift-Netzwerk, sondern auch über andere Netze versenden. Swift ist aber der Marktführer. Transfer in SekundenBVI-Geschäftsführer Siebel verweist auf die Schweiz als “Vorbild”, die den globalen ISO-Standard bereits flächendeckend bei Banken einsetze, wie er sagt. Die Nutzung neuer Standards verspricht eine Effizienzverbesserung. “Alte Swift- und ISO-Formate sind nicht so optimal, was Überträge von Fondsanteilen aus einem Depot in ein anderes betrifft”, sagt etwa Gerhard Oehne, Geschäftsführer der Fondsbank FBB, die dem Fondshaus Fidelity gehört. Besonders stark ins Gewicht fallen die Nachteile aber nicht im Handel, sondern bei Depottransfers. In diesem Fall ist der manuelle Einsatz noch besonders hoch, da viele Anbieter im Markt nach der alten ISO-15022-Norm arbeiten, sagen Marktbeobachter.Dabei ließen sich die Prozesse zumindest auf dem Papier rasch beschleunigen. Gerhard Jovy, Geschäftsführer des IT-Dienstleisters Acarda, sagt im Gespräch, es sei technisch machbar, Depots mit allen Zusätzen “in Sekunden” zu übertragen. Davon sei der europäische beziehungsweise der deutsche Markt aber “noch weit entfernt”. So gebe es zu viele proprietäre Schnittstellen untereinander. “Viele nutzen noch den alten Standard ISO 15022, der nicht alle Übertragungsprozesse und Daten abdeckt”, sagt Jovy. Der neue, XML-basierte Standard ISO 20022 habe dagegen das Potenzial, “alle Depotdaten” zu übertragen.Wie FBB-Geschäftsführer Oehne findet auch Jovy, die Verwendung reduziere Sonderfälle, senke die Fehler, die Notwendigkeit für manuelle Korrekturen und erhöhe die Geschwindigkeit. Zudem gehe es um Wettbewerb: “Der Einsatz ist auch deswegen geboten, da sonst neue Anbieter mit entsprechenden Leistungen in den Markt eintreten”, glaubt Jovy.Durch höhere Entgelte für die Nutzung alter Formate versuche Swift die Fondsbranche stärker zu neuen Standards zu bewegen, heißt es. Der Serviceprovider zielt dabei auch auf neue Kunden im Segment. Mathias Schotte, bei Swift für die Fonds- und Vermögensverwaltungsbranche zuständig, sagt im Gespräch, es gebe aufgrund sinkender Margen und steigenden Kostendrucks im Fondsmarkt “Anreize, auf automatisierte Prozesse zu wechseln”. Doch sei es für die Buy Side – institutionelle Investoren wie Versicherer oder Pensionskassen – bisher eher entscheidend, dass die Daten “so wie von ihnen gewünscht übermittelt werden können”. Ein globaler Standard spiele dabei weniger eine Rolle.Gerade im grenzüberschreitenden Geschäft – mit Blick auf Transaktionen außerhalb der EU – sorgt das für Mehraufwand. So ist es möglich, mit ISO 20022 auch Steuerinformationen aus Depots im Ausland zu übermitteln. Schotte meint, die zunehmenden Reporting-Anforderungen würden zu einem höheren Standardisierungsbedarf führen. Er stuft die Relevanz von ISO 20022 im Fondsgeschäft als “sehr hoch” ein, da mit diesem Standard eben auch komplexe Vorgänge standardisiert werden können: Im Markt sei “eine klare Entwicklung von ISO 15022 zu ISO 20022” zu beobachten. BVI-Geschäftsführer Siebel sieht auch im Aufbau der einheitlichen Settlement-Plattform T2S der Europäischen Zentralbank (EZB) einen Impuls für die weitere Automatisierung im Fondsordergeschäft auf Basis globaler ISO-Standards. Profiteur des TrendsGerhard Oehne sieht die FBB als einen Profiteur dieses Trends. “Wir wollen zum Marktführer im Neugeschäft werden, sei es durch neue Lösungen, sei es durch die Eroberung von Marktanteilen von bestehenden Dienstleistern”, sagt er. Auch erwartet er, dass kleinere Fondshäuser mit der Zeit auf den neuen Swift-Standard wechseln. Die FBB wickelt laut Oehne aktuell rund 70 % ihres Order-Volumens über ISO 20022 ab. An dessen Normierung hat die FBB selbst mitgewirkt. Oehne ist überzeugt: “Dies hat uns geholfen, Transaktionen schneller abzuwickeln und die Fehlerquote zu senken”. Letzteres führe auch dank rückläufiger manueller Eingriffe zu sinkenden Kosten, Ersteres ermögliche ein besseres Angebot für die Kunden.So bringt eine größere Standardisierung der Prozesse nicht nur mehr Wettbewerb, sondern weckt auch für die Dienstleister, die diese Entwicklung begleiten, Erwartungen. Gerhard Jovy von Acarda sieht jedoch Reformbedarf im Zusammenspiel der Akteure. “Um eine breite Akzeptanz, auch bei den Softwarehäusern und Dienstleistern in Deutschland, zu erreichen, ist es wichtig, diese aktiver in die Verbände und Standardisierungsausschüsse zu integrieren, so wie dies etwa in Frankreich oder Luxemburg passiert”, sagt Jovy. Alfi in Luxemburg habe sich da hervorragend positioniert. Acarda erzielt laut Jovy mittlerweile auch mehr als die Hälfte des Umsatzes in diesen Ländern mit der Umsetzung von Standards und regulatorischen Reporting-Vorgaben.