Fragwürdige Kultur
Was treibt einen erfolgreichen Fondsmanager, glücklich verheiratet und frei von Schulden- oder Suchtproblemen, dazu, nicht nur seine Karriere, sondern auch sein Privatleben mit strafbaren Insidergeschäften aufs Spiel zu setzen? Glaubt man dem vom Landgericht Frankfurt zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilten früheren Union-Investment-Manager, war es die Notwendigkeit, ausbleibende Anerkennung für seinen beruflichen Einsatz zu kompensieren.
Nachdem der ehrgeizige und aufgrund seiner überdurchschnittlichen Intelligenz insgeheim zum Hochmut neigende Manager am ersten Verhandlungstag ein umfassendes Geständnis abgelegt hatte, kam am zweiten und letzten Verhandlungstag die Therapeutin zu Wort, bei der er sich seit seiner Festnahme in Behandlung befindet. Ihrer Schilderung zufolge hatte er völlig unterschätzt, wie sehr es ihn ausfüllen würde, zusätzlich zu seiner Tätigkeit als Abteilungsleiter im Portfoliomanagement der Fondsgesellschaft die Verantwortung für deren Flaggschiff-Fonds zu übernehmen.
Schmerzhaft bewusst sei ihm das erst geworden, als schwere gesundheitliche Probleme seiner Frau und seines Kindes eigentlich seine volle Aufmerksamkeit erfordert hätten, die er aufgrund seiner beruflichen Belastung nicht habe aufbringen können. Aufrechterhalten habe ihn allein die Aussicht auf die deutlich höheren Bezüge, die ihm der Arbeitgeber für die Doppelbelastung versprochen hatte. Als dann der lang ersehnte Gehaltsbrief mit einer nur moderaten Erhöhung kam, sei es gewesen, als ob ihm jemand den Boden unter den Füßen weggezogen habe. Unterstützung von seinem Vorgesetzten blieb aus, für den Konflikt mit der Ebene darüber fehlte ihm die Kraft.
Angesichts der Gehaltsklasse, in der er sich als langjähriger Leistungsträger der Fondsgesellschaft mit einem Jahressalär von zuletzt 440 000 Euro bewegt, fällt es leicht, sich über diese Enttäuschung zu mokieren. Auch spricht es Bände, dass der 45-Jährige gar keine Anstalten machte, die mit den strafbaren Wertpapiergeschäften erbeuteten Millionen auszugeben. Wirklich gebraucht hat der Fondsmanager die Gehaltserhöhung offensichtlich nicht, jedenfalls nicht aus wirtschaftlichen Gründen.
Das wirft ein Licht auf die fragwürdige Kultur, Anerkennung vor allem monetär zum Ausdruck zu bringen. Das ist gewiss nicht nur das Problem von Union Investment, die auf Anfrage keinerlei Veranlassung sieht, ihre „wertorientierte Führungskultur“ in Frage zu stellen. Ob es zutrifft, dass die „Balance zwischen Fordern, Fördern und Fürsorge“ dort ausgeglichen war und ist, mag man dort wie in der gesamten Branche mit einem Fragezeichen versehen. Fest steht, dass gute Unternehmensführung, das „G“ aus dem ach so populären ESG Investing, auch für die Assetmanager selbst gelten muss.