"Frankfurt hängt Paris derzeit ab"
bn Frankfurt – “Frankfurt hängt derzeit Paris ab.” Dieses Fazit hat Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba), bei Präsentation der diesjährigen Finanzplatzstudie des Hauses gezogen. Grundsätzlich gelte weiterhin, dass London im Ranking der europäischen Finanzplätze vor Frankfurt und Frankfurt vor Paris stehe, hieß es am Montag. Frankfurt aber hat seine Wettbewerbsposition demnach binnen Jahresfrist stärker verbessern können als Paris. Traud: “Wir sehen Frankfurt als erste Adresse für die Brexit-Banken.” Gemessen an den Ankündigungen der Institute gebe es keinen anderen Ort in Kontinentaleuropa, für den sich derart viele Banken entschieden hätten.Seit Publikation der vorangegangenen Finanzplatzstudie im September 2017 hat sich die Zahl der Banken, die Verlagerungen an den Main angekündigt haben, um zehn auf 25 erhöht (siehe Grafik). Im Falle von Paris sei sie derweil um sieben gestiegen, hieß es. Diese Zahl könnte sich indes im Zuge von Entscheidungen französischer Banken noch erhöhen. Diese hätten sich bislang nur verhalten zu Arbeitsplatzverlagerungen geäußert, berichtete Traud. Ulrike Bischoff, Autorin der Studie, merkte zugleich an, dass sowohl deutsche als auch französische Banken Aktivitäten am ehesten repatriieren und dabei auf bereits bestehende Lizenzen zurückgreifen dürften. Wie Traud berichtete, wird französischen Instituten zudem durch die Politik ihres Landes eine solche Entscheidung nahegelegt. Zugleich steht Bischoff zufolge noch manche Standortentscheidung etwa von asiatischen Banken aus, die derzeit noch mit der Aufsicht Gespräche führen. Die Mitarbeiter der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) genössen dabei in London dem Vernehmen nach auch dank sehr guter Englisch-Kenntnisse einen hervorragenden guten Ruf, hieß es. Im Falle von Paris solle die Kommunikation nicht so gut funktionieren, hielt Traud fest. 4 000 Jobs bis Ende 2020Die Helaba bestätigte ihre vor Jahresfrist aufgestellte Prognose, der zufolge im Laufe mehrerer Jahre mindestens 8 000 Arbeitsplätze nach Frankfurt verlagert werden. Allein die 24 Auslandsbanken, welche bereits eine Verlegung von Jobs an den Main angekündigt haben und bereits 2 500 Leute in Frankfurt beschäftigen, dürften dort demnach bis Ende 2020 rund 2 000 weitere Jobs schaffen. Im nächsten und übernächsten Jahr sollte sich der Brexit deutlich positiv in der Beschäftigung in Frankfurt bemerkbar machen und die Effekte der parallel laufenden Konsolidierung überkompensieren, schreibt die Helaba in ihrer Studie. Sie geht davon aus, dass der Brexit bis 2020 insgesamt für einen Zuwachs von rund 4 000 Arbeitsplätzen im Banking sorgen wird. Die durch Konsolidierung wegfallenden Stellen abgezogen, erwartet die Helaba dann ein Niveau von rund 65 000 Bankbeschäftigten in Frankfurt. Dies wären fast 1 800 oder etwa 3 % mehr als Ende 2017.Vor wenigen Tagen erst hatte etwa UBS-CEO Sergio Ermotti Bloomberg erklärt, die Bank habe sich für Frankfurt als Drehkreuz für die Europäische Union nach dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union entschieden. Die Voraussetzungen für diesen Beschluss hatte die Bank im Dezember 2016 mit der Gründung ihrer Europabank in Form der UBS Europe SE geschaffen.Im Wettbewerb der Standorte sei es das A&O, dass Frankfurt die Europäische Zentralbank (EZB) habe, erläuterte Traud. Denn wo diese Institution sei, siedelten sich auch die übrigen Spieler an. Dass die Londoner European Banking Authority (EBA) nach Paris und nicht nach Frankfurt umziehe, sei an sich kein Problem, erklärte Traud, die offen einräumte, dass die Finanzplatzanalysten der hessischen Landesbank einen “leichten Bias” für Frankfurt haben. Wichtig sei, dass Frankfurt den regulatorischen Teil der EZB behalte, auf welchen rund 40 % des Personals der Notenbank entfielen.Dies könnte ihrer Einschätzung nach mittelfristig zu einem Risiko werden. Denn der Finanzplatz Frankfurt müsse darauf Acht geben, dass er von Paris nicht mit dem oft am Main bemühten Argument geschlagen werde, die Aufsicht gehöre aus der Notenbank herausgelöst, da die Ansiedlung von Aufsicht und Geldpolitik unter einem Dach ordnungspolitisch nicht sauber sei. Standortpolitik sei in diesem Fall wichtiger als Ordnungspolitik, sagte sie. Als sehr ermutigend bewertete sie die jüngsten Besuche von Bundesfinanzminister Olaf Scholz sowie Bundeskanzlerin Angela Merkel in Frankfurt. Jahrelang habe die Stadt dies zuvor nicht gesehen. Büro-Leerstand gesunkenErleichtert zeigte sich Traud im Nachhinein darüber, dass die Fusion der Börsen in London und Frankfurt letztlich gescheitert ist. Da zu einem starken Finanzplatz auch Börsen gehörten, wäre mit der Fusion am Main ein wesentliches Standbein am Main weggefallen, und Frankfurt wäre eine Zweigstelle Londons geworden, meinte sie: “Dieser Kelch ist an Frankfurt vorbeigegangen.”Entsprechend erfreut registrierte sie, dass die Eurex mit ihrem Partnerschaftsprogramm dem Konkurrenten LCH.Clearnet neuerdings Marktanteile in der Abrechnung von in Euro denominierten Marktanteilen abnimmt. “Natürlich” gehört das Euro-Clearing nach dem Brexit für sie nach Frankfurt. Zudem plädierte Traud für die geplante Lockerung des Kündigungsschutzes für hoch bezahlte Banker: “Wir halten eine gewisse Flexibilität für einen sinnvollen Ansatz.”Punkten kann die Stadt am Main ihren Angaben zufolge im Wettbewerb der Standorte mit einer hohen Lebensqualität sowie mit moderaten Immobilienpreisen. Der Frankfurter Büromarkt zeige sich in guter Verfassung, stellt die Helaba fest. So sei der Leerstand vor allem in zentralen Lagen deutlich gesunken, und obwohl sich die Mieten langsam früheren Höchstständen näherten, lägen sie noch deutlich unter dem Niveau konkurrierender Finanzplätze. “Selbst die besten Standorte in Frankfurt sind im Vergleich zu London, aber auch Paris und Dublin noch relativ günstig.”Die Lage am Wohnungsmarkt bleibe dagegen angespannt. “Es wird einfach eng”, erklärte Traud. Die erhöhten Neubauaktivitäten in der Stadt dürften nicht ausreichen, um das erwartete Wachstum der Bevölkerung zu bewältigen. Abhilfe scheint so rasch nicht in Sicht. Die Kapazitätsauslastung im Bausektor sei derzeit sogar höher als zur Zeit der Wiedervereinigung, gab sie zu bedenken.