SERIE: FINANZPLÄTZE UND IHRE ZUKUNFT (17)

Frankfurts Fondsbranche auf Sparkurs

In der Personalpolitik lenken einige große Adressen um - Steigende Vermögen einerseits, Effizienzdruck andererseits

Frankfurts Fondsbranche auf Sparkurs

Wenn das verwaltete Vermögen nicht deutlich wächst, ist ein Fondshaus zum Schrumpfen verdammt. In Frankfurt deutet sich für die erfolgsverwöhnte Branche daher eine Trendwende an: Mehrere größere Häuser haben erklärt, dass sie Kosten und Belegschaft reduzieren wollen. Das hat Folgen für den Finanzplatz Frankfurt.Von Jan Schrader, FrankfurtDas Geschäft einer Fondsgesellschaft ist von zwei Kräften getrieben: Steigende Vermögen einerseits haben die deutsche Branche im zurückliegenden Jahrzehnt geprägt und damit insbesondere den Standort Frankfurt gestärkt. Der deutsche Fondsverband BVI hat seit Ende 2009 bis zu Beginn dieses Jahres eine Verdopplung der verwalteten Vermögen registriert, wovon das Gros der Mittel in der Finanzmetropole am Main gesteuert wird. Der Drang zu mehr Effizienz und Skaleneffekte andererseits setzen zugleich enge Grenzen. Nachdem mit der börsennotierten DWS, dem Sparkassenhaus DekaBank und jüngst auch mit Allianz Global Investors gleich mehrere große Adressen deutlich gemacht haben, die Kosten oder Stellen anzugehen, zeichnet sich am Main eine Abkühlung im Assetmanagement ab.Ein Blick auf die großen Fondsgesellschaften vor Ort zeigt deutlich, wie stark die beiden gegenläufigen Kräfte die hiesige Branche prägen. Deutlich gewachsen ist das verwaltete Vermögen bei allen großen Gesellschaften, während andere Kennziffern des Geschäfts nicht Schritt gehalten haben (siehe Grafik). Die Berechnung basiert auf unterschiedlichen Unternehmensangaben, so dass die Gesellschaften nur eingeschränkt miteinander verglichen werden können. Die Tendenz ist aber jeweils ähnlich. Sie kehren die TreppeEinem Schwenk in der Personalpolitik geht teils ein Managerwechsel voraus: Bei Allianz Global Investors hat zu Jahresbeginn der langjährige Manager Tobias Pross die Führung übernommen, nachdem sein Vorgänger Andreas Utermann mit nur 53 Jahren seinen Abschied erklärt hatte. Im Juli hat die Börsen-Zeitung erfahren, dass die Fondsgesellschaft in Deutschland etwa jede fünfte Stelle auf den Prüfstand stellt. Die Gesellschaft spricht von einem “umfassenden strategischen Programm”, das einen Wegfall von Aufgaben vorsehe, zugleich aber einen Ausbau der Beratung institutioneller Kunden und von alternativen Anlagen umfasst. Wie sich der Plan auf die Zahl der Mitarbeiter in Deutschland von rund 1 000 auswirkt, ist noch unklar, doch ein Stellenabbau zeichnet sich ab.Auch die DWS hat das Führungspersonal ausgetauscht, ehe das Ziel der Kostensenkung stärker akzentuiert wurde. Asoka Wöhrmann, der im Oktober 2018 urplötzlich auf den glücklosen Nicolas Moreau gefolgt war, hat die Metapher einer Treppe liebgewonnen, die von oben gefegt werden müsse. Der Manager tauschte nicht nur den Vorstand bis auf Finanzmanagerin Claire Peel und Investmentchef Stefan Kreuzkamp aus, sondern flexibilisierte die Bonizahlungen und verordnete verschiedenen Niederlassungen auf der Welt einen Umzug in günstigere Immobilien. Einen moderaten Aufbau des Personals, der sich nach dem Börsengang der Gesellschaft im März 2018 ergab, nahm er in Teilen wieder zurück. Zur Jahresmitte zählt die Gesellschaft umgerechnet 3 333 Vollzeitstellen. Eine weitere Kürzung könnte folgen, denn die Kosten sind laut Wöhrmann eine zentrale Steuerungsgröße: “Wir können nicht die Märkte kontrollieren, aber wir können die Kosten kontrollieren.”Die DekaBank hat bei ihrem Kurswechsel hingegen einen abrupten Chefwechsel vermieden. Als der Vorstand unter Führung des ehemaligen Bankchefs Michael Rüdiger im April 2019 den Abbau von bis zu 400 Vollzeitstellen bekannt gab, war sein Nachfolger Georg Stocker, damals noch Vizechef der Bank, gerade erst als Nachfolger gesetzt worden. In absoluten Zahlen hat das Sparkassenhaus, das im wesentlichen Fonds- und Wertpapiergeschäft bündelt, die Zahl der Mitarbeiter im vergangenen Jahrzehnt um mehr als 1 000 auf rund 4 700 per Ende 2019 ausgebaut. Im vergangenen Jahr hat sich die Größe kaum bewegt, nun steht ein moderater Abbau an. Die laufenden jährlichen Kosten will der Konzern auf 1 Mrd. Euro im Jahr begrenzen. Der anstehende Umzug der Zentrale aus dem Trianon-Gebäude in den höchsten Turm des im Bau befindlichen Hochhausquartetts “Four” geht mit einer Verkleinerung der Büroflächen einher. Die Botschaft ist klar: Wir wachsen nicht mehr.Nicht alle Häuser spitzen den Rotstift: So hat Union Investment seit Amtsantritt von Firmenchef Hans Joachim Reinke die Zahl der Mitarbeiter auf 3 200 Ende des vergangenen Jahres deutlich erhöht. Dem Manager, der 1991 zur Gesellschaft kam und zunächst im Vertrieb und im Privatkundengeschäft Karriere gemacht hat, wird eine emsige Beziehungspflege zu den Volks- und Raiffeisenbanken nachgesagt, die Fonds der Gesellschaft vertreiben. Das verwaltete Vermögen hat in den zurückliegenden Jahren deutlich zugelegt, auch, weil der Vertrieb an Privatkunden unter Reinkes Führung über Jahre hinweg flüssig lief. Auch künftig werde die Gesellschaft sich personell verstärken, “gleichbleibende Rahmenbedingungen” vorausgesetzt, wie ein Sprecher erklärte.Und auch Universal-Investment – im Namen ähnlich, im Geschäft verschieden – will in den kommenden Jahren “intensiv investieren” und fasst dabei ausdrücklich auch die Mitarbeiterzahl von zuletzt annähernd 800 ins Auge. Zweimal wechselte die Gesellschaft im zurückliegenden Jahrzehnt die Adresse, weil die alten Räume zu klein geworden waren. Die bankunabhängige Firma bietet Administrationsdienste für Fonds, etwa das Berichtswesen sowie die Buchhaltung, bündelt die Vermögen institutioneller Investoren in Masterfonds und stellt für Vermögensverwalter die Fondshülle bereit. Wachsen, um zu stagnierenAber auch für die Wachstumskandidaten gilt, dass die Fondsvermögen tendenziell stärker zulegen als die Belegschaft. Das zeigt das Beispiel Union Investment: Die Gesellschaft muss auf Grundlage bisheriger Zahlen Jahr für Jahr um ungefähr 4,5 % wachsen, um auch nur die Mitarbeiterzahl ungefähr halten zu können. Diese Wert ergibt sich, sofern die Entwicklung von Vermögen und Mitarbeiterzahl aus den Jahren 2015 bis 2019 zugrunde gelegt wird. Ein Wachstum der Vermögen in dieser Größenordnung ist möglich, sofern die Kurse weiter zulegen und der Vertrieb Jahr für Jahr deutlich im positiven Bereich bleibt. Ein nachhaltiger Kursrutsch oder eine Flaute im Vertrieb ginge zugleich rasch an die Substanz.Die Tendenz der anderen Gesellschaften ist ähnlich. Für die DekaBank, die neben der Vermögensverwaltung auch noch Bankgeschäft betreibt, ergibt sich mit 4,3 % ein Wert in ähnlicher Größenordnung, Allianz Global Investors käme auf 5,8 %, und zwar auf Grundlage der Mitarbeiterentwicklung in der als GmbH organisierten Einheit. Für die DWS ergibt sich ein geschätzter Wert von 3,6 %, allerdings ist hier der zugrundeliegende Zeitraum für die Schätzung wesentlich kürzer, da die Gesellschaft erst 2018 an die Börse ging. Die Werte zeigen eine ungefähre Spanne, die Tendenz ist klar: Ohne Wachstum der Vermögen schrumpft die Belegschaft.Die Gründe dafür sind vielfältig: Skalenerträge sind bei wachsenden Fondsvolumina üblich, niedrige Zinsen nehmen Raum für Gebühren im Anleihensegment, die Regulierung schreibt Kostentransparenz vor, Arbeitsschritte lassen sich automatisieren. Fondssegmente mit niedrigen Gebühren wachsen überproportional: So hat im vergangenen Jahrzehnt das Geschäft mit Spezialfonds deutlich stärker zulegt als das insgesamt lukrativere Segment mit Publikumsfonds. Das Kreditgewerbe hat mit zuletzt 64 700 Beschäftigten in Frankfurt nach Einschätzung der Helaba bereits ihren Zenit erreicht. Eine ähnliche Entwicklung ist auch im Fondsgeschäft denkbar. Zuletzt erschienen: Berlin hat den Quellcode für die Finanzindustrie (28. August) Die Einsamkeit der schwarzen Banker (27. August) Hongkong wird vom chinesischen Drachen geschluckt (26. August)