Früherer Warburg-Mitarbeiter geht in Revision
Von Anna Sleegers, Frankfurt
Im Cum-ex-Komplex hat das Landgericht Bonn erstmals eine Haftstrafe verhängt. Wie das Gericht bereits am Dienstagabend bekannt gab, verurteilte die zwölfte große Strafkammer den früheren Banker Christian S. wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten. Der 78-jährige S. galt als Topmanager der Hamburger Warburg-Gruppe einst als rechte Hand des früheren Warburg-Chefs Christian Olearius.
Wegen einer „rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung“, das im November begonnene Verfahren hatte sich unter anderem wegen der Auflagen zur Eindämmung der Corona-Pandemie in die Länge gezogen, gelten zwei Monate der Haftstrafe bereits als vollstreckt. Wie das Gericht weiter mitteilte, ordnete es die Einziehung von 100 000 Euro aus dem Privatvermögen des Bankers an. Dabei handele es sich um den Wert der Taterträge, für den der Angeklagte als Gesamtschuldner haften soll.
Nach Angaben seines Verteidigers Thomas Fischer hat der Angeklagte am Mittwoch Rechtsmittel gegen das Urteil (Az.: 62 KLs 1/20) eingelegt. In nächster Instanz wird sich der Bundesgerichtshof (BGH) damit befassen, wobei er sich ausschließlich mit der Frage befassen wird, ob das erstinstanzliche Urteil in einem von Rechtsfehlern freien Verfahren zustande gekommen ist.
Die Richter verwarfen den von der Verteidigung geforderten Freispruch, blieben mit ihrem Urteil jedoch deutlich hinter der Forderung der von der Kölner Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker geführten Anklage zurück. Sie hatte wegen schwerer Steuerhinterziehung in zwölf Fällen eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren gefordert. Da dasselbe Gericht in einem Urteil im vergangenen Jahr die Cum-ex-Geschäfte der Warburg-Bank als Straftat eingestuft hatte, war eine Bewährungsstrafe so gut wie ausgeschlossen. Denn nach geltender Rechtssprechung des BGH kann bei Steuerhinterziehung die Strafe nicht auf Bewährung ausgesetzt werden, wenn der Schaden mehr als 1 Mill. Euro beträgt.
Die Christian S. zur Last gelegten Geschäfte, die zwischen 2006 und 2013 im Auftrag von Kunden getätigt wurden, hatten jedoch einen Steuerschaden in Höhe von 325 Mill. Euro verursacht. Auf mildernde Umstände hätte er höchstens aufgrund seines fortgeschrittenen Alters hoffen können. Da er sich im Rahmen des Prozesses nicht zu Wort meldete, hatte das Gericht keinen Anlass, ihm Reue oder den Willen, zur Aufklärung beizutragen, zu Gute zu halten.
Höchstmaß 15 Jahre
Nach Einschätzung von Prozessbeobachtern hätte das Urteil härter ausfallen können. Denn für jede einzelne der als besonders schwer eingestuften Steuerhinterziehung sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren vor, bei einem Höchstmaß von insgesamt 15 Jahren. Da der Angeklagte für insgesamt fünf Fälle verurteilt wurde, hätte die Gesamtstrafe also theoretisch sogar über dem von der Anklage geforderten Strafmaß liegen können.
Gerhard Schick, Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende, bezeichnete das Urteil als Meilenstein. Der ehemalige Grünen-Politiker sprach sich für weitere Haftstrafen aus: „Cum-ex hat den Staat nicht nur über 10 Mrd. Euro gekostet, sondern auch Vertrauen in den Rechtsstaat.“ Die nun verhängte Gefängnisstrafe sei ein erster Schritt, um jahrelange Versäumnisse wiedergutzumachen – ebenso wie das erste strafrechtliche Urteil des Landgerichts Bonn im vergangenen Jahr (vgl. BZ vom 19.3.2020). Letzteres liegt jedoch ebenfalls beim BGH, weil alle Verfahrensbeteiligten Revision eingelegt haben. Die Hauptverhandlung in Karlsruhe ist für den 15. Juni terminiert (1 StR 519/20).
M.M.Warburg betonte in einer Stellungnahme, dass das Urteil des Landgerichts gegen ihren früheren Mitarbeiter „ohne wirtschaftliche Folgen“ für die Gruppe bleibe. Die Richter hatten demnach bereits am 26. Februar beschlossen, von einer Einziehung bei der M.M.Warburg & Co. Gruppe und der Warburg Invest Kapitalanlagegesellschaft abzusehen. Unabhängig davon, wie die BGH-Entscheidung ausfällt, fehle für eine Einziehung inzwischen auch die Grundlage, weil die vom Finanzamt Hamburg festgesetzten Steuerschulden für die Jahre 2007 bis 2011 vollständig zurückgezahlt wurden.
Warburg sieht sich als Opfer
„Die Warburg Gruppe hat allein den gesamten Steuerbetrag gezahlt, obwohl Dritte die Geschäfte initiierten, abwickelten und große Profite erzielten, während die Warburg Gruppe nie die Absicht hatte, zu Unrecht von Steueranrechnungen zu profitieren“, heißt es in der Stellungnahme. Anders als die Maple Bank, deren frühere Manager sich in Frankfurt wegen Cum-ex-Geschäften verantworten müssen, hat Warburg die Geschäfte nicht für die eigenen Bücher gemacht. Da sie die Einschätzung der Behörden nicht teile, nach der sie für die Steuerforderungen vorrangig und allein in Anspruch zu nehmen sei, geht Warburg nach eigenen Angaben rechtlich gegen die Steuerbescheide vor. Zudem habe sie gegen die „Initiatoren, Abwickler und Profiteure der Geschäfte“ Schadenersatzklagen eingereicht.
Leitartikel Seite 8