Für Frankfurt sieht es toll aus - aber wie lange?
Bei der Bankenwanderung im Zuge des Brexit ist Frankfurt mit 31 geplanten Zugängen der Gewinner im Wettbewerb gegen Paris, Luxemburg & Co. Doch Euphorie wäre fehl am Platz. Die Helaba sieht vielmehr die große Gefahr, dass der hiesige Finanzplatz durch politische Versäumnisse in Rückstand gerät.ski Frankfurt – “Es sieht toll aus” für den Finanzplatz Frankfurt. So kommentiert die Chefvolkswirtin der Helaba, Gertrud Traud, die aktuelle Finanzplatzstudie ihres Hauses, in der die Brexit-bedingten Geschäftsverlagerungen internationaler Banken analysiert werden. 31 Banken aus 14 Herkunftsländern haben sich, Stand Ende August, für den Auf- oder Ausbau von Aktivitäten am führenden Finanzplatz Kontinentaleuropas entschieden (und in vielen Fällen längst Büros in Premiumlagen angemietet), nur elf für Paris, neun für Dublin und acht für Luxemburg. Andere Finanzdienstleister wie Fondsgesellschaften oder Versicherungen, die als Alternative zu London eher Dublin oder Luxemburg vorziehen, sind in diesen Zahlen nicht enthalten.Derweil hat die Bankbeschäftigung in der Mainmetropole, gegen den bundesweiten Trend, im vorigen Jahr noch um 650 auf knapp 63 900 Stellen zugelegt, auch durch Brexit-bedingte Einstellungen etwa bei neu eröffneten Zweigstellen internationaler Häuser. “Die Brexit-Banker in Frankfurt – es gibt sie wirklich”, schreibt die Helaba und hat für ihre Studie mit einigen Vertretern dieser Spezies gesprochen. Die Verlagerung von Geschäften von der Themse an den Main sei 2018 angelaufen und habe zuletzt an Dynamik gewonnen.Doch so toll es in einer Momentaufnahme für Frankfurt aussehen mag: Die Volkswirte der Landesbank schlagen kritische und skeptische Töne an, die beim ersten Hinhören nicht so recht zu der positiven Zwischenbilanz passen wollen. In einer Gesamtbetrachtung der Wettbewerbssituation indes “scheinen sich die Aussichten für den Finanzplatz Frankfurt zu verschlechtern”, etwa was die Stabilität der Volkswirtschaften und den politischen Flankenschutz angeht. “Der französische Staatspräsident unterstützt die Wirtschaft und den Finanzplatz Paris massiv. In Deutschland ist das nicht zu erkennen”, heißt es. Es droht der NackenschlagAls Belastungen werden – neben anderen die Investoren verunsichernden Entwicklungen wie der Diskussion über Enteignungen oder die Deckelung von Mieten – die geplante Finanztransaktionssteuer und die mögliche Rückkehr der Vermögensteuer genannt. Während sich Emmanuel Macron für eine Unternehmenssteuerreform starkmache, sei in Deutschland von entsprechenden Entlastungen keine Rede mehr. Hier sieht auch Hessens Finanzminister Thomas Schäfer Handlungsbedarf, der sich gemeinsam mit Traud in einem Pressegespräch zu Herausforderungen für Sparer und den Finanzplatz Frankfurt in Zeiten der Niedrigzinsen äußerte. Apropos Zinsen: Ein strukturelles Problem sieht Traud in der Geldpolitik der EZB, die aus ihrer Sicht dazu führen wird, dass die Sparkassen “den Bach runtergehen” oder die negativen Zinsen an ihre Kunden weitergeben.Eindringlich warnte Traud vor negativen Folgen für Frankfurt, sollten sich die Rahmenbedingungen bezüglich der finanzbezogenen Institutionen ändern. Paris habe im Wettbewerb um die bisher in London ansässige europäische Bankenregulierungsbehörde EBA punkten können, um die sich auch die Bundesregierung für Frankfurt beworben hatte. Die Befürchtung: Es könnte, gerade unter der künftigen EZB-Präsidentin Christine Lagarde, eine ordnungspolitische Debatte über Interessenkonflikte durch die Doppelzuständigkeit der EZB für Geldpolitik und Bankenaufsicht angestoßen werden. Die Intention dabei wäre, auch den Aufsichtsteil der Zentralbank mit einer vierstelligen Zahl von Beschäftigten nach Paris zu verlagern, zumal das Bündeln von Funktionen doch Synergieeffekte brächte – in Frankreichs Hauptstadt sitzt bekanntlich auch die Wertpapier- und Marktaufsicht ESMA.Sollte die deutsche Politik nicht aufpassen und Frankfurt tatsächlich die EZB-Bankenaufsicht verlieren, so Traud, wäre das “der Nackenschlag für unseren Finanzplatz”. Schließlich kämen viele Banken gerade hierher, weil Frankfurt auch Sitz der europäischen Bankenaufsicht ist. Zumindest die Hessische Landesregierung ist hier erkennbar problembewusst.Dabei sind die Aussichten für den hiesigen Platz schon jetzt nicht mehr ganz so rosig, wie es noch vor wenigen Monaten aussah, als die Helaba den Beschäftigungsimpuls durch den Brexit auf mindestens 8 000 Bankjobs geschätzt hatte. Jetzt erwartet sie bis Ende 2021 noch 3 500 “Brexit-Banker”, die den Stellenabbau bei deutschen Banken zunächst noch leicht überkompensieren dürften. Mit einem Zuwachs um rund 600 auf 64 500 Bankbeschäftigte (77 000 sind es aktuell im Finanzgewerbe insgesamt) dürfte Ende 2021 der Zenit erreicht sein. Ein Grund für die Prognosekorrektur ist der jetzt vorsichtiger eingeschätzte Umfang der Repatriierungen deutscher Banken.