IN DER SOHLE DES ZINSTALS

Fusionshochburgen und gallische Dörfer

Auch die Ménage-à-trois ist heute salonfähig

Fusionshochburgen und gallische Dörfer

Von Bernd Wittkowski, FrankfurtDie Frankfurter Volksbank hat es binnen zwei Jahrzehnten 17-mal getan: Von Maintal (1998) bis Maingau (2018) geht die lange Reihe ihrer Zusammenschlüsse mit Volks- und Raiffeisenbanken im Umland. Die Leute in der Fusionshochburg Frankfurt mögen in Sachen Kräftebündelung besonders eifrig und erprobt sein – generell ist die Konsolidierung unter den Kreditgenossen aber schon lange ein bundesweites Phänomen. 2017 ging es, getrieben von Null- und Negativzinsen, Regulierung und Digitalisierung, besonders hoch her. Ein zusätzliches Motiv speziell für die Nachfahren Raiffeisens und Schulze-Delitzschs ist die bei Hunderten Adressen in der Nordhälfte der Republik anstehende Migration auf das gemeinsame IT-System “agree 21”. Zum Jahresende dürfte die Zahl der Primärinstitute zumindest in die Nähe der Marke 900 gesunken sein. Vor 50 Jahren gab es allein im alten Bundesgebiet weit mehr als 7 000 selbständige Banken.Auch die Ménage-à-trois ist heute salonfähig. Im Oktober vereinbarten die Gremien der erst 2013 aus einem Zusammenschluss hervorgegangenen VR-Bank Kreis Steinfurt, der Vereinigten Volksbank Münster, ebenfalls ein Kind etlicher Fusionen, und der Volksbank Greven eine Kooperation und verkündeten die Absicht, 2020 zu fusionieren. Das Trio bringt 5,5 Mrd. Euro Bilanzsumme auf die Waage. “Um auch für die Zukunft weiterhin gut aufgestellt zu sein, ist es wichtig, dass wir frühzeitig nach starken Partnern Ausschau halten, um den regulatorischen Anforderungen und den Marktgegebenheiten entsprechen zu können”, sagte Hubert Overesch, Vorstandsmitglied der Steinfurter, schon früher, als es noch um eine Zweierbeziehung mit Münster ging.Zu dritt versuchen es auch die Volksbank Nordoberpfalz, die Raiffeisenbank Weiden und die Raiffeisenbank im Stiftland. Durch die im September vollzogene Fusion entstand eine “neue genossenschaftliche Großbank”, die “in Bayern und Böhmen daheim” ist. Bilanzsumme: 2,8 Mrd. Euro. Um gemeinsam den Herausforderungen auf den Finanzmärkten zu begegnen, so Vorstandschef Jürgen Pütz, ging im Oktober auch die 5 Mrd. Euro schwere Volksbank Köln Bonn an den Start. Sie entstand aus der Fusion der Kölner Bank und der Volksbank Bonn Rhein-Sieg, die sich ihrerseits erst kürzlich mit der Spar- und Darlehenskasse Aegidienberg verbündet hatte. “Haltet durch!”Doch gibt es neben Vielfusionierern auch noch ein paar Unbeugsame. Eines der “gallischen Dörfer” ist Burghaun in der Rhön. Die dortige Raiffeisenbank – zehn Mitarbeiter, 1 168 Mitglieder, 64,4 Mill. Euro Bilanzsumme, Platz 922 von 972 auf der Größenrangliste – widersteht bisher allen Avancen. Allein mit Blick auf das grassierende Meldeunwesen leistet das kleine Team geradezu Unglaubliches. Doch von Mitgliedern und Kunden erfährt die Minibank enormen Zuspruch: “Haltet durch!”Der Mehrwert, den man durch Präsenz und Entscheidungskompetenz vor Ort und mit individuellen Lösungen für die persönlich bekannten Kunden biete, werde sehr geschätzt, sagt Vorstandsmitglied Carsten Glebe. “Das wollen wir erhalten.” Wenn immer weiter fusioniert werde – “wo endet das, was bleibt von uns und für die Kunden?” Die Osthessen folgen dem Rat, ihr Geschäftsmodell anzupassen. Die “Raiba” lässt ein 13-Familien-Wohnhaus bauen und wird es selbst vermieten. So diversifizieren die Unbeugsamen angesichts des Zinsumfelds ihre Ertragsquellen. Der Warenhandel wurde indes aufgegeben. Er rechnete sich nicht mehr.