G20 über Bankenregulierung einig

Kompromiss zu Verlustpuffern für Großbanken - Sparkassen mahnen mehr Raum für regionale Institute an

G20 über Bankenregulierung einig

Beim Treffen der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) und bei der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) stand die Bankenregulierung nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit. Dabei wurde mit einer Grundsatzeinigung zu den Verlustpuffern für Großbanken ein durchaus wichtiger Kompromiss gefunden. Den Großteil des deutschen Bankensektors treiben Sorgen über die schwache Konjunktur und die lockere Geldpolitik um.Von Angela Wefers, zzt. LimaBundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erklärte nur knapp, dass sich die Minister und Notenbankgouverneure der führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) auf Werte und ein Verfahren zu Verlustpuffern für international operierende Großbanken geeinigt haben. Abweichungen vom Vorschlag des Financial Stability Board (FSB) habe es nicht gegeben, sagte Schäuble nach dem Treffen der G20-Finanzminister am Rande der Jahrestagung von IWF und Weltbank in Lima. Zusammen mit der Verständigung auf ein neues Regelwerk gegen die Verlagerung von Gewinnen und gegen Steuerminimierung multinationaler Konzerne – der BEPS-Initiative (Base Erosion und Profit Shifting) – ist die Einigung auf die Details zum sogenannten TLAC (Total Loss Absorbing Capacity) der zweite bedeutende Punkt, den die G20-Minister in Peru vorangebracht haben. Informationen noch dünnWährend sich für die Steuerinitiative ein Dutzend Finanzminister vor die Presse bewegte, um mit geballter Kraft den Willen zur Umsetzung der neuen Regeln vor Fernsehkameras zu unterstreichen, blieben die Informationen zu den Verlustpuffern äußerst dünn. Dabei ist die Regelung nach den Worten von Bundesbankpräsident Jens Weidmann in Lima “ein ganz zentraler Punkt”, damit der Steuerzahler im Fall einer Bankenkrise “nicht mehr die erste Verteidigungslinie bietet”.Verständigt habe man sich auf einen Wert von 18 % und ein zweistufiges Verfahren bis 2022, sagte Schäuble lediglich. Was dies im Einzelnen heißt, blieb offen. Zu vermuten ist, dass die Kennziffer bei 16 % startet und 2022 auf 18 % steigt. Zu hören war auch, dass die zweite Stufe noch ungewiss sei. Wenige Länder in der G20 hatten zumindest bis zuletzt Änderungswünsche. Die endgültige politische Entscheidung zu den Verlustpuffern fällt ohnehin auf höherer Ebene: beim G20-Gipfel der Staats- und Regierungschefs in der Türkei Mitte November.Der von den Ministern nach eigenem Bekunden nicht veränderte Vorschlag des FSB war – ganz anders als die Details der Steuerinitiative – weder vor noch während der Jahrestagung öffentlich gemacht worden. Die 15 Prinzipien des BEPS-Plans zur Besteuerung multinationaler Konzerne hatten dagegen schon Wochen zuvor ganze Pressestäbe beschäftigt, um die Einzelheiten minuziös in die Öffentlichkeit zu tragen, zuletzt bei der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris, unter deren Regie die Initiative läuft. Wenig Interesse in der PolitikDabei sind die Steuerregeln für die multinationalen Konzerne nicht minder komplex und für eine breite Öffentlichkeit ebenso schwer verständlich wie die Vorgaben zu Verlustpuffern der internationalen Großbanken. Auch für die betroffenen Konzerne dürfte beides gleichermaßen einschneidend sein. Sieben Jahre nach der Lehman-Pleite haben in der Politik aber offensichtlich andere Themen Konjunktur. Bankenregulierung ist nur noch eine “technische” Frage. Dies macht es den Instituten nicht leichter, mit ihren Anliegen bei der Politik durchzudringen.Immerhin deutet alles darauf hin, dass es bei den Verlustpuffern nur zur Verständigung auf eine milde Variante gereicht hat. Bislang lag in der Luft, dass der Standard für global systemrelevante Banken bei einem Wert zwischen 16 und 20 % liegen werde. Die betroffenen Institute müssen mit Inkrafttreten der Regelung jederzeit das entsprechende Volumen verlusttragender Passiva vorhalten. Die Kennziffer bezieht sich auf die Höhe der risikogewichteten Aktiva (RWA) und betrifft Fremd- und Eigenkapital. Das Fremdkapital muss Bail-in-fähig sein: Im Krisenfall einer Bank wird es in Eigenkapital gewandelt oder ist umgehend abschreibbar. Welche Arten von Fremdkapital genutzt werden können, blieb auch offen.Bundesbankpräsident Jens Weidmann sagte in Lima, “es ist bereits ein Erfolg, dass wir uns bei den schwierigen Verhandlungen auf ein grundsätzliches zweistufiges Vorgehen geeinigt haben”. Er machte aber zugleich keinen Hehl daraus, dass die Bundesbank und auch andere Notenbanken in der G20 einen Wert am oberen Ende des Spektrums angesteuert und für “sehr ambitionierte Kapitalzuschläge geworben” hatten. Das Ergebnis nannte er nun jedoch einen “vernünftigen Kompromiss”, der für die betroffenen Banken Planungssicherheit schaffe.Teile des Bankensektors in Deutschland trieben indessen in Lima ganz andere Fragen um als die Minister und Notenbankgouverneure. Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon konstatierte, sieben Jahre nach Lehman sei der Bankensektor resistenter geworden – nicht zuletzt in Deutschland -, aber die Finanzmärkte seien immer noch weit von der Normalisierung entfernt. Dies machte er vor der Presse in Lima deutlich. Sparkassen sehen “Malaise”Der Schattenbankensektor, ein offenes Regulierungsthema auf der Agenda der G 0, sei dagegen enorm gewachsen. Entgegen dem IWF, der trotz seiner herabgesetzten globalen Wachstumsprognose grundsätzlich optimistisch bleibt, wertet der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) die Lage als “Malaise” und spricht gar von einer Krise. Fahrenschon zufolge ist gegen diese Malaise eine zügige Wende in der Geldpolitik nötig. Der Ausstieg aus der “unnatürlichen Niedrigzinsphase” berge Risiken. “Das Wendemanöver sollte daher zeitig in Angriff genommen werden.” Zudem plädieren die deutschen Sparkassen für eine Rückführung der Staatsschulden, um das Wachstum zu beschleunigen. Darin sind sie sich mit dem IWF einig.Ein stabilisierendes Element für die Finanzierungs- und Anlagebedingungen an den Finanzmärkten seien zudem das lokale und regionale Bankenwesen. Für dessen Stärkung habe sich jüngst auch der IWF ausgesprochen, sagte Fahrenschon. “Wir stellen fest, dass das Interesse an den Sparkassen steigt.” Um die stabilisierende Rolle auch ausfüllen zu können, forderte Fahrenschon Augenmaß bei der Regulierung. Bei der europäischen Gesetzgebung müsse stärker nach Art, Größe, Risikogehalt und Komplexität der Geschäftsmodelle unterschieden werden. Nur angemessene Regulierung sei gute Regulierung, so das Fazit des Präsidenten. Auch die USA unterschieden bei der Regulierung nach der Größe der Institute. Geldpolitik besorgt GenossenGeldpolitische Sorgen haben auch die Volksbanken und Raiffeisenbanken. Die US-Notenbank Fed verliere durch ihren angekündigten, aber wiederholt aufgeschobenen Zinsschritt an Glaubwürdigkeit, sagte Gerhard Hofmann, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), der Börsen-Zeitung in Lima. Diese Unentschlossenheit sei “nicht gut” für den Ruf einer Notenbank. Die lockere Geldpolitik der Fed, aber auch der Europäischen Zentralbank (EZB) hat Hofmann zufolge erhebliche negative Auswirkungen. Durch das Anleihekaufprogramm der EZB sei der Marktmechanismus auf dem Anleihemarkt ausgeschaltet. Die erhofften realwirtschaftlichen Erfolge gebe es indessen nicht. Der Transmissionsmechanismus funktioniere nicht, sagte Hofmann. Den Zinsschritt der Fed erwartet der BVR nun im Dezember.