SERIE GELDWÄSCHE: AUSLANDSPERSPEKTIVEN (7)

Geldwäsche schreckt Europa auf

Wie Paris, Rom und Madrid gegen Kriminalität vorgehen und wo ihre Schwerpunkte liegen - EU dringt auf einheitliche Regeln

Geldwäsche schreckt Europa auf

Sechs Geldwäscherichtlinien hat die EU auf den Weg gebracht, wobei einige Mitgliedstaaten noch nicht die vierte umgesetzt haben. Ohnehin erlauben die Richtlinien den Ländern erhebliche Entscheidungsspielräume. Wie Frankreich, Italien und Spanien gegen Geldwäsche vorgehen, zeigt der folgende Überblick. bl/ths/wü Mailand/Madrid/Paris – Wie strikt die einzelnen Staaten in der Europäischen Union Geldwäscheprävention handhaben, geht trotz europäischer Vorgaben weit auseinander. Es gelten Geldwäscherichtlinien, die jedes Land eigens umsetzen muss, wobei es erhebliche Spielräume gibt. Bis 2022 könnte die EU allerdings, wie beabsichtigt, einen verbindlichen einheitlichen Rechtsrahmen in Form einer Geldwäscheverordnung auf den Weg gebracht haben, schätzt etwa BaFin-Exekutivdirektor Thorsten Pötzsch. In Italien genügt VerdachtKrisenzeiten sind gute Zeiten für kriminelle Organisationen – das gilt auch für Zeiten der Pandemie. Mafia, Camorra und andere Organisationen bieten sich italienischen Unternehmen und Restaurants an, die in wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecken, und “helfen” ihnen mit Geld, das sie damit in legale Wirtschaftskreisläufe einschleusen. Auch die umfangreichen Coronahilfen, die Italien zu erwarten hat, ermöglichen es diesen Organisationen womöglich, illegal verdiente Gelder “anzulegen”.Doch obwohl Italien zu den am stärksten von Geldwäsche betroffenen Ländern zählt, gehören die italienischen Gesetze zu den strengsten Regeln in Europa. Es gibt einen präzisen Rechtsrahmen, Normen für die Beschlagnahmung von Geldern und Gütern, Spezialkräfte wie die Finanzpolizei, die Finanzinformationsbehörde UIF bei der italienischen Notenbank und die Antikorruptionsbehörde Anac oder die Spezialabteilung für Wirtschaftskriminalität der Staatsanwaltschaft Mailand.Es besteht eine generelle Beweislastumkehr, das heißt, Behörden können Vermögen etwa schon dann präventiv beschlagnahmen, wenn ein deutliches Missverhältnis zwischen Besitz und deklariertem Einkommen festgestellt wird und nur ein Verdacht auf Geldwäsche besteht. Die Abhörmöglichkeiten sind viel weitreichender als in Deutschland. Schon seit zehn Jahren gibt es außerdem ein Selbstanzeige-Programm.Vorgesehen sind weitreichende Anzeigepflichten suspekter Operationen etwa durch Immobilienmakler, Banken, Notare, Rechtsanwälte und neuerdings auch von Kunst- und Antiquitätenhändlern. Der größte Teil solcher Meldungen stammt in Italien traditionell aus dem Glücksspielsektor, gefolgt von Goldkäufen und Prostitution. Die Zahl der angezeigten verdächtigen Operationen ist mit rund 106 000 im Jahr 2019 hoch. Etwa ein Drittel der Fälle wird vertieft geprüft, immerhin 253 Betroffene landeten im Gefängnis. Auch die Aufbewahrungs- und Kontrollpflichten wurden verschärft – entsprechende Nachweise müssen Notare, Rechtsanwälte und Makler jederzeit vorweisen können.Italiener wickeln 82 % ihrer Transaktionen in bar ab. Rom schränkt Bargeldzahlungen aber zunehmend ein. Die Obergrenze für Bargeldzahlungen von derzeit 2 000 Euro soll zum 1. Januar 2022 auf 1 000 Euro reduziert werden. Angst vor Terror in FrankreichExklusive Luxusimmobilien in Paris oder an der Côte d’Azur, Kunstwerke oder Antiquitäten, die von bekannten Galerien in der französischen Hauptstadt zum Verkauf angeboten werden, aber auch Sportagenten, die Fußballspieler oder andere Athleten vermitteln: Dies sind die drei Bereiche, die in Frankreich die größte Gefahr laufen, für Geldwäsche und zur Finanzierung von terroristischen Aktivitäten genutzt zu werden. Dies geht aus der jährlichen Studie zu Tendenzen und Risiken der Geldwäsche hervor, die Tracfin im Dezember veröffentlichte. Die dem Wirtschafts- und Finanzministerium unterstellte Financial Intelligence Unit mit fast 200 Mitarbeitern, die Geldwäscheverdachtsmeldungen entgegennimmt, wurde 1990 ins Leben gerufen.Seitdem hat Frankreich sein Arsenal zur Bekämpfung von Geldwäsche beständig ausgebaut. Seit den Attentaten 2015 und 2016 hat sich die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone verstärkt auch den Kampf gegen die Finanzierung von Terrorismus auf die Fahnen geschrieben. Die Financial Action Task Force (FATF) der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) wird in diesem Jahr eine Bewertung veröffentlichen, wie effektiv Frankreich bei der Bekämpfung von Geldwäsche vorankommt. Nach Angaben von Tracfin-Chefin Maryvonne Le Brignonen dürfte dabei ein besonderes Augenmerk auf die französischen Übersee-Départements und -Gebiete sowie die Cyberfinanzkriminalität gelegt werden.Denn seit der letzten Beurteilung 2010/11 sind neue Risiken entstanden, vor allem durch die Digitalisierung von Bezahlvorgängen und Kryptowährungen. Nachdem Frankreich die neue europäische Richtlinie zur Bekämpfung von Geldwäsche Anfang 2020 umgesetzt hat, hat der Ministerrat im Dezember eine Verordnung mit strengeren Auflagen für Kryptowährungen erlassen. Denn Tracfin, wo es seit 2018 eine spezielle Einheit für Cyberfinanzkriminalität gibt, hat festgestellt, dass Terroristen inzwischen gerne virtuelle Sammelkassen, vorbezahlte Prepaidkarten und Bitcoins nutzen, um Dschihadisten in Kampfgebieten finanziell zu unterstützen.Barzahlungen von mehr als 1 000 Euro und Bezahlungen mit elektronischem Geld von mehr als 3 000 Euro zwischen Unternehmen sowie zwischen Unternehmen und Privatleuten sind in Frankreich seit 2015 nur noch mit Sondergenehmigung möglich. Seit 2016 müssen zudem Bargeldabhebungen von mehr als 10 000 Euro pro Monat Tracfin automatisch gemeldet werden. In Frankreich ist es üblich, fast alles mit Bank- oder Kreditkarte zu zahlen, einiges auch noch per Scheck. Bargeldzahlungen sind dagegen viel seltener als in Deutschland – eine Tendenz, die sich durch die Coronakrise noch verstärkt hat. Weckruf wegen Juan Carlos Geldwäsche steht in Spanien wieder oben auf der Agenda, seit die Behörden daheim und in der Schweiz Ermittlungen gegen den früheren König Juan Carlos I. wegen einer ungeklärten Millionenüberweisung aus Saudi-Arabien führen. Doch die 5. EU-Geldwäscherichtlinie ist in Spanien trotz Strafandrohung aus Brüssel immer noch nicht umgesetzt worden. Im Juni verabschiedete die Minderheitsregierung aus Sozialisten und Linken ein Rahmengesetz, das weiterhin auf die Absegnung des Parlaments wartet.Die Blaupause der neuen Norm enthält die Vorgaben der Richtlinie aus Brüssel und erweitert sie an einigen Stellen. Anbieter und Händler von Kryptowährungen müssen sich bei der Notenbank registrieren, auch solche, die nicht im Land ansässig sind. Die Aufsicht nimmt stärker die sogenannten Socimi unter die Lupe, eine besondere, steuerbegünstigte Art Fonds, in der verschiedene Anteilhaber ihre Aktiva bündeln und anlegen können. Immobilien gerne bar bezahltEine besondere Rolle hat in Spanien nach wie vor der Immobiliensektor, eines der wichtigsten Dunkelfelder bei der Geldwäsche. Zu Zeiten der Immobilienblase in den Nullerjahren kursierte der Großteil der 500-Euro-Scheine in der Eurozone in Spanien, und auch heute noch ist der Anteil übermäßig groß. Ein Teil des Kaufpreises wird gerne bar bezahlt. Für den geschäftlichen Geldverkehr senkte die Regierung im vergangenen Jahr die Obergrenze bei Barzahlungen auf 1 000 Euro.In einem Bericht über 102 Länder und Territorien vom vergangenen Mai stellte die FATF Spanien Bestnoten aus. Die Gewerkschaft der Steuerbeamten Gestha kritisiert dagegen, dass mangels Personal nur etwa ein Fünftel der Geldwäsche aufgedeckt wird. Im Gegensatz zu anderen Ländern praktiziert Spanien ein selektiveres Vorgehen bei der Aufklärung der Fälle. So werden nach Ansicht von Experten weniger Fälle untersucht, diese sind dafür in der Summe der unterschlagenen Gelder größer. Zuletzt gab es Strafen gegen einige Banken, die nicht genügend zur Aufklärung beigetragen hatten. Auch wenn die Umsetzung der Richtlinie noch aussteht, gehört die spanische Regierung zu den stärksten Befürwortern der geplanten europäischen Aufsicht für Geldwäscheprävention. Zuletzt erschienen: Immobilienbranche weist ein “hohes” Risiko auf (8. Januar) Im Gespräch mit Annick Moes und Thomas Egner, European Banking Authority (EBA) (7. Januar) Interview mit BaFin-Exekutivdirektor Thorsten Pötzsch (5. Januar)