Krypto-Crash

Genesis am Rand der Pleite

Mit Genesis ist die nächste Kryptofirma in eine gefährliche Schieflage geraten. Das Management um den Interim-CEO Derar Islim befindet sich mit Investoren in Verhandlungen, um mindestens 500 Mill. Dollar frisches Kapital zu erhalten. Genesis ist bemüht, einen Konkursantrag zu verhindern.

Genesis am Rand der Pleite

Von Björn Godenrath, Frankfurt

Der Kryptobranche droht die nächste Pleite. Mit Genesis ist der größte Prime Broker in Schieflage geraten und befindet sich auf der Suche nach einer Finanzierung. Nachdem man zuerst auf 1 Mrd. Dollar zielte, will man nun 500 Mill. Dollar bei Investoren auftreiben. Messari-Gründer Ryan Selkis war das Pitch Deck zugespielt worden, was er über Twitter öffentlich machte und dann offenbar an Bloomberg weitergab, die zuerst mit mehr Details über das Finanzloch berichteten. Wie nun weiter bekannt wurde, lehnten Binance und Apollo Global eine Teilnahme am ersten Funding-Versuch ab, was Genesis wohl dazu veranlasste, das Volumen niedriger anzusetzen.

Dass Genesis in die Bredouille gekommen ist, liegt neben dem allgemeinen Abwärtstrend bei Kryptowährungen mit erhöhten Ausfallrisiken daran, dass die Plattform bei der insolventen FTX 175 Mill. Dollar deponierte – und nun nicht mehr an das Geld kommt. Damit setzen sich die Kaskadeneffekte aus dem Scheitern von FTX fort, wie sie schon bei der Three-Arrows-Pleite zu beobachten waren. Genesis hatte kürzlich die Auszahlungen eingefroren und ließ nun wissen, dass man das frische Geld zur Deckung von Ausleihungen braucht. Man verfolge aber „keine Pläne, in nächster Zeit Konkurs anzumelden“, so Genesis gegenüber Reuters. Das Ziel sei es, „die aktuelle Situation einvernehmlich zu lösen, ohne dass ein Konkursantrag gestellt werden muss“.

Angesichts der prekären Lage wäre eigentlich die Genesis-Mutter Digital Currency Group (DCG) gefragt, Kapital nachzuschießen. Dort ist das Management um Gründer und CEO Barry Silbert allerdings seit Tagen auf Tauchstation gegangen, was in der Branche als böses Omen aufgefasst wird. Zur Digital Currency Group als Holding gehören mehrere Beteiligungen wie der voluminöse Grayscale Bitcoin Trust, einige Ventures sowie die Digitalpublikation Coindesk. Barry Silbert schlägt schon einiges an Häme entgegen, hatte er doch häufig seine Token-Investments auf Twitter beworben – und nun wird genüsslich dokumentiert, wie er beispielsweise mit ZCash Schiffbruch erlitten hat. Auch Grayscale-CEO Michael Sonnenshein ist schmallippig unterwegs und meldete sich letztmals vor fünf Tagen zu Wort mit Durchhalteparolen, dies sei ein schwieriger Moment für alle in Krypto, aber er sei sehr optimistisch für die Zukunft der Industrie. Im Grayscale Bitcoin Trust liegen 643572 Bitcoin, das Vehikel notiert mit immer größerem Abstand zum Nettovermögenswert (NAV), zuletzt gut 45%. Bei einer Genesis-Pleite hätten deren Gläubiger keinen Anspruch auf Grayscale-Assets, versicherte Bernstein am Dienstag.

Einem Bericht von „The Block“ zufolge ist DCG derzeit nicht bereit, sich vom Venture-Portfolio zu trennen, um Cash zu generieren. DCG habe aber Ducerne Partners als Berater mandatiert. Eine Kapitalspritze von 140 Mill. Dollar wurde Genesis bereis gewährt, als sich das FTX-Loch auftat. Dabei hatte DCG zunächst so getan, als ob sie die Marktturbulenzen nicht tangieren würden.

Als Prime Broker ist Genesis Verwahrer, OTC-Händler und Kreditgeber für Trading-Kunden – und da mit sinkenden Kryptonotizen mehr Sicherheiten (Collateral) gestellt werden müssen, setzt allerorten Verkaufsdruck ein bis hin zur Realisierung von Verlusten. An der Stelle ist dann auch Genesis gekniffen, können Kunden ihre Kredite doch wohl teilweise nicht zurückführen. Zudem dürfte für Genesis mit austrocknender Liquidität die Möglichkeit, Risiken im Inter-Dealer-Markt weiterzureichen, eingeschränkt worden sein. Damit bliebe Genesis auf OTC-Positionen sitzen. Ein OTC-Broker müsse immer fristenkongruent agieren, so Ram Ahluwalia von Lumia Wealth. Diese kurzfristige Liquidität habe sich Genesis über die Programme „Gemini Earn“ und „Circle Yield“ besorgt, was nun aber kaum noch möglich sei. Seiner Berechnung nach habe allein das Three-Arrows-Gegenparteirisiko ein Loch von 1 Mrd. Dollar bei Genesis gerissen. Und da das Geschäft bei Fortführung kapitalintensiv bleibe, brauche DCG einen liquiditätsstarken Genesis-Partner wie Goldman Sachs oder ICE.

Prime Brokerage ist ein gebührenstarkes Geschäft, das von Genesis als Pionier im Kryptobereich erschlossen wurde. Die Risiken von Akteuren ohne Bankbilanz und zentrale Clearinghäuser werden nun offenbar. Und die Lage spitzt sich zu: Dem Kryptomarkt droht mit einer Genesis-Pleite ein weiterer Verlust an Liquidität. Der Research-Firma Kaiko zufolge hat sich die Orderbuchtiefe bei Kraken zuletzt um 57% reduziert, während Binance und Coinbase um 25% bzw. 18% verloren. Marketmaker wie Wintermute geben an, ihr Exposure zu bestimmten zentralen Handelsplätzen zu überprüfen, da das Ausmaß der gegenseitigen Ansteckung noch nicht klar sei. Zudem habe man weniger Zugang zur Bit­coin-Leihe, da die Verleiher im Moment äußerst vorsichtig seien oder aber gar nichts gäben.

Volumina schmelzen ab

Damit droht dem Krypto-Universum ein Totalschaden, sinkt doch die sogenannte Umlaufgeschwindigkeit des Geldes bzw. der Token. Diese wird bislang zum einen über große Stablecoins von Tether und Circle sowie zum anderen über das Financial Engineering wie Leihen und Kredite in Schwung gehalten. Mit dem Abschmelzen der Handelsvolumina dünnt sich dann auch das Geschäft von Akteuren wie Coinbase aus, die auf hoher Kostenbasis operieren. 2028 fällige Coinbase-Bonds werden nur noch bei 51 Cents auf den Dollar gehandelt. Zudem sind unbesicherte Verbindlichkeiten im Umfang von 2 Mrd. Dollar emittiert.

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