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Genossen starten Offensive im Privatkundengeschäft

BVR-Präsident Fröhlich: Die Gruppe investiert einen hohen zweistelligen Millionenbetrag - Mit mehr Volumen gegen dahinschmelzende Zinsspanne

Genossen starten Offensive im Privatkundengeschäft

Die Genossenschaftsbanken räumen dem Privatkundengeschäft in ihrer zukünftigen Strategie eine hohe Priorität ein. Mit einer Web- sowie einer Beratungsoffensive antworten sie auf zunehmende Digitalisierung und Regulierung des Bankgeschäfts. Der dahinschmelzenden Zinsspanne setzen sie Volumenzuwächse entgegen, haben aber auf der Einlagenseite gegen zunehmende Konkurrenz zu kämpfen.Von Silke Stoltenberg, FrankfurtBei den Kreditgenossen ist in jüngster Vergangenheit das Geschäft mit Privatkunden hinter demjenigen mit Firmenkunden zurückgeblieben. Doch jetzt steht dieser Bereich besonders im Blick, wurde doch unter dem Namen “Kundenfokus 2015” eine Offensive gestartet. Beratungsqualität und Internet sind dabei die zentralen Aktionsfelder. “In das Projekt ,Kundenfokus 2015′ investieren wir über die gesamte Gruppe hinweg einen hohen zweistelligen Millionenbetrag”, berichtet Uwe Fröhlich, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR).Insbesondere im Hinblick auf den ersten Baustein der Offensive, die neue Digitalstrategie mit dem Slogan “Web-Erfolg”, hatte der Verband nach Fröhlichs Angaben gegen Widerstände von Bedenkenträgern in den eigenen Reihen zu kämpfen. Dabei waren es aber nicht nur Ältere oder Vertreter aus ländlichen Regionen gewesen, die Skepsis geäußert hatten, sondern dies habe sich quer durch die ganze Gruppe gezogen. Mit “Web-Erfolg” wollen die Volks-, Raiffeisen-, Sparda- und PSD Banken die Verbindung zwischen den Kanälen Filiale, Internet und mobiles Internet optimieren. Aktuell wird etwa daran gearbeitet, dass künftig die Kunden über den Internetauftritt der Ortsbanken direkt die Verbundprodukte wie von Union Investment oder Schwäbisch Hall kaufen können. Trotz des Direkteinkaufs des Kunden werden aber weiterhin Provisionen der Verbundgesellschaften an die Primärbanken fließen, stellt Fröhlich klar.”Im Online-Banking und -Brokerage sind wir im Vergleich zu anderen Banken definitiv auf Augenhöhe”, meint Fröhlich – auch mit Blick auf die Sparkassen, deren Digitaloffensive sehr laut in die Öffentlichkeit getragen worden ist. Auch mobile Anwendungen, also Apps, sind schon längst bei den Genossen in Betrieb. Gegen soziale Netzwerke allerdings zeigt sich beim BVR ein gewisser Vorbehalt. “Wir sehen Facebook, Twitter und andere soziale Netzwerke im Internet als Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit, aber nicht als Plattform für direkte Geschäftsabschlüsse”, so der Präsident. Zudem glaubt man, dass die riesige Zahl an eigenen Mitgliedern solche Anwendungen eher überflüssig macht: “Wenn über 17,3 Millionen Mitglieder kein großes Netzwerk sind, was dann?” Neue IT-AnwendungenDie Beratungsqualität ist der zweite Schwerpunkt der Kundenoffensive. Bei diesem Projekt sollen neue IT-Anwendungen dem Bankberater die Einhaltung sämtlicher neuer Regularien wie Beraterprotokoll und Ähnliches automatisch abnehmen und eine systematisierte und bedarfsorientierte Beratung des Kunden via Bildschirm ermöglichen. “Damit unterstützt die IT die Mitarbeiter, trotz der vielfältigen und komplexen neuen regulatorischen und rechtlichen Anforderungen ihre Mitglieder und Kunden weiter motiviert zu beraten.” Die Anwendungen für alle Bedarfsfelder werden bei den beiden Rechenzentralen der Genossenschaftsbanken, Fiducia und GAD, derzeit erstellt und sollen 2015 flächendeckend in den Filialen eingesetzt werden. So sollen auch das rückläufige Wertpapiergeschäft und damit das Provisionsergebnis angekurbelt werden. “Viel Überzeugungsarbeit””Hierbei müssen vor Ort noch viele Informationen in die Breite getragen werden, denn es wird eine Riesenumstellung mit zusätzlichem Trainingsaufwand für Führungskräfte und Mitarbeiter”, heißt es. Der finanzielle Kraftaufwand indes muss nicht von den Ortsbanken gestemmt werden, sondern die Zentralinstitute, der Verband und die Verbundunternehmen übernehmen dies.Mit der aktuellen Entwicklung im Privatkundengeschäft ist Fröhlich sehr zufrieden. Allerdings geriet dieser Bereich zuletzt ein wenig ins Hintertreffen, da die Firmenkundenaktivitäten boomten. Dies ist der Grund, warum sich etwa im Provisionsergebnis Verschiebungen ergeben haben. Hier verringerte sich der Anteil des Privatgeschäfts 2012 um 2 Prozentpunkte auf 58 %, während es im gewerblichen Bereich im gleichen Tempo nach oben ging auf 42 %.2012 wie auch im ersten Quartal 2013 konnten die Genossenschaftsbanken in vielen Bereichen des Privatkundengeschäfts Marktanteile an sich ziehen, weil die Gruppe dort deutlich schneller wuchs als der Markt. So expandierte der Bestand der Privatkredite im ersten Quartal gegenüber der Vorjahresperiode um 2,3 %, während der Markt nur um 1,0 % zulegte. Der Marktanteil der Genossen kletterte um 0,3 Punkte auf 22,3 %.Vor allem die Baufinanzierung wird den Instituten derzeit quasi aus den Händen gerissen, da niedrige Zinsen locken. Diese Kredite wuchsen bei den Genossen um 3,4 %, über alle Banken hinweg waren es nur 1,9 %. Mehr als 80 % des Privatkreditbestands der Genossenschaftsbanken dienen der Immobilienfinanzierung (siehe Tabelle). Zu kämpfen haben die genossenschaftlichen Häuser gegen eine zunehmende Schar von Wettbewerbern beim deutschen Sparer. Selbst Institute, die lange Zeit keine Einlagen sammelten, wie die Deutsche Pfandbriefbank (PBB), buhlen nun mit. Pikant: Die niederländischen Genossenschaftsbanken versuchen, mit der Rabobank-Tochter Rabodirect den deutschen Genossen das Wasser abzugraben. Bei Einlagen zurückgefallenDer gestiegene Wettbewerbsdruck wird in der Einlagenentwicklung bereits sichtbar. Die Privatkundeneinlagen lagen Ende März 2013 um 2,3 % höher, während über alle Bankengruppen hinweg das Wachstum 3,7 % betrug. Dabei wollen sich die Sparer immer kürzer binden und bevorzugen Tagesgelder: Die Sichteinlagen der Genossen erhöhten sich um 13,6 %, während sich die Spareinlagen um 6,7 % und die Termineinlagen um 10,0 % verringerten. Der mit 13 Bundesländern einen großen Teil der Ortsbanken umfassende Genossenschaftsverband hatte unlängst gemeldet, dass Tagesgelder bereits 55 % der gesamten Kundeneinlagen erreichen.Angesichts der immer kurzfristigeren Einlagen wird die Fristentransformation für die Genossenschaftsbanken eine zunehmend knifflige Aufgabe, sind doch die Wohnungsbaukredite fast ausschließlich langfristig ausgelegt. “Wir steuern die Zinsrisiken mit Augenmaß; darüber hinaus schaut die Finanzaufsicht BaFin auf unsere Institute auch in dieser Hinsicht mit hoher Intensität und hat bisher in Summe keine erhöhten Risiken festgestellt”, beteuert Fröhlich. Mit Swaps und Gegengeschäften bei den Zentralinstituten DZ Bank und WGZ Bank werden die Zinsrisiken ausgesteuert.Doch es ist kein Geheimnis, dass bei den Ortsbanken der Zinsüberschuss wegen des Niedrigzinsumfelds abbröckelt. Die alten, höher rentierlichen Geschäfte laufen sowohl auf der Aktiv- als auch auf der Passivseite aus, die Spanne wird immer dünner. “Die flache Zinsstrukturkurve kostet die Ortsbanken Geld, wir rechnen im laufenden Jahr mit einem leicht rückläufigen Zinsergebnis, aber nicht mit einer dramatischen Entwicklung.” Hier setzen die Genossen darauf, die dünner werdenden Margen weiterhin mit Volumenzuwächsen austarieren zu können. Auch Kosteneinsparungen und Fusionen gehören zu den Antworten. Vermittlung wird wichtigerIm Provisionsergebnis wiederum lassen sich derweil Verschiebungen erkennen. Das Wertpapiergeschäft hat angesichts der Zurückhaltung der Anleger an Bedeutung verloren und steht nur noch für 44 % des Ergebnispostens. Gewonnen hat der Zahlungsverkehr, der nun auf fast 40 % kommt. Einen besonders kräftigen Sprung machte das Vermittlungsgeschäft der Verbundprodukte, das nunmehr fast 12 % ausmacht.—-Zuletzt erschienen: – Großbaustelle in Großbritannien (10. August)- Provisionen unter Druck (8. August)- Direktbanken: Auf dem besten Weg in die Erfolgsfalle (3. August)- Japans Geschäftsbanken vergraulen ihre Kunden mit Papierkrieg (30. Juli)