Genossenschaftsbanken müssen Mehrwert bieten

Alleinstellungsmerkmale deutlich herausarbeiten und im Alltag innovativ ausgestalten - Arbeit an harten Themen entscheidet über die Zukunftsfähigkeit

Genossenschaftsbanken müssen Mehrwert bieten

Genossenschaften im Aufwind, Renaissance eines Geschäftsmodells, resistent gegen Krisen – nach den gängigen Überschriften scheint bei den Genossenschaftsbanken eitel Sonnenschein. Sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel lobte die Mitgliederbanken als “Vorbild für die Finanzwelt”. Jedoch: Mit den sich schnell und grundlegend verändernden Rahmenbedingungen ziehen auch dunklere Wolken am Horizont der genossenschaftlichen Banken auf. Was kommt auf sie zu in der Regulierung, im Wettbewerb um den Kunden und durch die Entwicklung an den Finanzmärkten? Und was bedeutet das neue Umfeld für die Genossenschaftsidee im Bankensektor? Regulierung ohne AugenmaßDie vielfältigen neuen Anforderungen durch die nationale und vor allem europäische Regulierungswelle krempeln den Finanzsektor kräftig um. Die Einzelheiten sind zwar noch unklar, die Konturen zeichnen sich aber deutlich ab. Sie werden besonders die Genossenschaftsbanken hart treffen: Denn das erforderliche Mehr an Eigenkapital kann nicht einfach durch Kapitalerhöhungen realisiert werden. Und kleinere Banken haben es wegen der höheren Bedeutung von Einzelvorgängen schwerer, stets die höheren Kennziffern für die Liquidität zu erfüllen. Oft ist das Geschäft auch auf ein Segment beschränkt, wie etwa auf das Privatkundengeschäft bei den Sparda-Banken. Dann wird der Spielraum noch geringer. Hinzu kommen die gewaltigen administrativen Aufwendungen, um die Regulierung zu bewältigen. Das ist für kleinere Institute deutlich schwerer und im Verhältnis zur geringeren Kundenzahl erheblich teurer.Das europäische Aufsichtsrecht orientiert sich an den in Europa vorherrschenden Großbanken. Mit den Besonderheiten von kleineren Instituten in großen Verbünden tut sich die EU schwer – wie die Diskussionen um Basel III oder die Einlagensicherung zeigen. Der Verbund wird nicht als eine dem Konzern vergleichbare Struktur anerkannt. So bleiben die im Markt existenzbedingenden Verbundvorteile aufsichtsrechtlich meist unberücksichtigt.Soll dann auch noch eine Sonderaufsicht durch die Europäische Zentralbank (EZB) für internationale Großbanken geschaffen werden, die passgenau auf deren Geschäftsmodell zugeschnitten ist, haben es die kleineren Spezialinstitute unter dem allgemeinen Regime im Wettbewerb noch schwerer. Hoher WettbewerbsdruckDas Marktumfeld im Retailgeschäft bleibt für kostenintensive Beratungs- und Filialbanken durch die Internetkonkurrenz von Direktbanken schwierig. Mit starker Präsenz vor Ort und leistungsfähigem Internetauftritt haben sie die hohen Kosten von Filial- und Direktbanken zugleich. Hinzu kommt der Wettbewerb mit Auslandsbanken um die Einlagen. Aus aller Welt sammeln diese mittlerweile in Deutschland günstig Kundengelder ein, um damit ein ertragreiches Aktivgeschäft in ihrer Heimat zu finanzieren. Deutschen Regionalbanken steht dieses Geschäft nicht offen. Selbst Genossenschaftsbanken aus dem europäischen Binnenmarkt drängen nach Deutschland – ob die französische Crédit Agricole oder die niederländische Rabobank.Die Volatilität der Finanzmärkte erschwert es, kalkulierbar Erträge in der Eigenanlage zu erzielen. Dabei lässt die anhaltende Niedrigzinsphase die Margen schwinden. Passivüberschüsse müssen als Folge des Aufsichtsrechts weitgehend in renditearme oder risikoreiche Staatsanleihen investiert werden. Zudem können reine Privatkundenbanken nicht in den Bereichen der Geschäftskunden oder des Investment Banking diversifizieren. Umgekehrt verstärken Geschäftsbanken ihren Privatkundenauftritt und erhöhen dort den Wettbewerb. Nutzen neu definierenIm 19. Jahrhundert wurden Mitgliederbanken gegründet, weil vielen Verbrauchern der Zugang zu Geldanlage und Kredit fehlte. So sind auch die Sparda-Banken als Selbsthilfeeinrichtungen der Bahn entstanden. Diesen Bedarf gibt es heute praktisch nicht mehr: Das Marktversagen von damals ist einem vielfältigen und weit verbreiteten Angebot von Finanzdienstleistungen gewichen.Der Mehrwert der Genossenschaft ist heute ein anderer und muss gerade jetzt fortentwickelt werden. Eine Genossenschaftsbank, die sich in einem hochkompetitiven Marktumfeld behaupten will, muss ihren Mitgliedern einen zusätzlichen Nutzen bieten, der über das übliche Angebot am Markt hinausgeht. Das war beispielsweise für Kunden der Sparda-Banken jahrelang die kostenlose Kontoführung. Mittlerweile bieten das auch andere Banken dauerhaft an.Entscheidender aber ist, dass Kunden bei der Genossenschaft gleichzeitig Miteigentümer der Bank sind. Dadurch ergibt sich ein besonderes Verhältnis zwischen den Kunden und ihrer Bank. “Freundlich und fair” heißt das bei den Sparda-Banken. Kunden werden für sie nützliche Leistungen angeboten und keine Produkte aufgedrängt. Das Marketing gegenüber den Mitgliedern ist zwar werbend, aber nicht reißerisch. Die Bank begegnet ihren Kunden auf Augenhöhe und nicht mit dem Habitus des überlegenen Bankers.Der Service, die Zugänglichkeit und die Erreichbarkeit über die verschiedenen Kanäle orientieren sich vor allem an den Bedürfnissen des Mitglieds und nicht nur an der organisatorischen Zweckmäßigkeit. Bei Kostenthemen spielt der Kundennutzen die entscheidende Rolle. Das alles ist den Sparda-Banken in der Vergangenheit gut gelungen. Das zeigen auch Untersuchungen zur Kundenzufriedenheit, wo sie seit 20 Jahren den ersten Platz belegen. Die modernen Trends von Beteiligung, “Ownership” und Vernetzung, auch im Internet, kann die Genossenschaft optimal aufnehmen.Die Mitglieder erwarten zu Recht, dass sich Genossenschaftsbanken in besonderer Weise ihrer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verantwortung bewusst sind und im Interesse des Gemeinwohls handeln. Das schließt das Engagement für Sport, Kultur und benachteiligte Gruppen ein. Allerdings bleiben Genossenschaften primär der Förderung ihrer Mitglieder verpflichtet und sind keine öffentlichen Einrichtungen. PreisführerschaftDie schlanke Struktur, die effizienten Abläufe und die Konzentration auf wenige und einfache Produkte haben es den Sparda-Banken bislang ermöglicht, ihre Finanzdienstleistungen im Marktvergleich äußerst günstig anzubieten. Ob sie die Preisführerschaft unter den dargestellten Bedingungen mittel- und langfristig halten können, bleibt abzuwarten. Allerdings wird das genossenschaftlich geprägte Geschäftsmodell gerade nach der Finanzkrise eine größer werdende Zielgruppe finden – selbst wenn Discounter ohne Filialen das ein oder andere Produkt einmal günstiger anbieten sollten. Unterscheidbar seinDafür müssen die Genossenschaftsbanken ihre Alleinstellungsmerkmale deutlich herausarbeiten und im Alltag innovativ ausgestalten. Sie dürfen für den Verbraucher nicht als Geschäftsbanken im Genossenschaftsmantel erscheinen. Natürlich müssen sie wettbewerbsfähig sein bei den Leistungen, beim Service und bei den Konditionen. Aber sie müssen daneben eine genossenschaftliche Bankkultur leben, die einen erfahrbaren Unterschied macht zu Instituten, die nicht ihren Kunden gehören. Dafür müssen sie sich im Marketing und Vertrieb am Interesse der Mitglieder orientieren. Die Banksteuerung muss nachhaltig und sicherheitsbewusst erfolgen. Und der Mitgliedernutzen muss weiterhin im Mittelpunkt stehen.Dazu gehört auch die konsequente Pflege der Marke, die diese Kultur verkörpert. Wenn Genossenschaften nicht mehr – wie in der Ursprungszeit – eine Lücke bei Marktversagen füllen, sondern sich in reifen Märkten behaupten wollen, muss die Unterscheidbarkeit durch eine starke Marke gewährleistet werden.Dies alles unter den erschwerten Bedingungen der Regulierung, des Wettbewerbs und der Finanzmärkte zu erreichen, stellt für die Genossenschaftsbanken eine gewaltige Herausforderung dar. Prioritäten werden naturgemäß bei den drängenden Themen gesetzt und die Ressourcen entsprechend genutzt. Mittel- und langfristig wird sich das genossenschaftliche Bankwesen aber umso mehr behaupten können, je deutlicher die spezifischen Stärken hervortreten. Investition und nicht nur Optimierung heißt das Gebot der Stunde.Natürlich ist der Aufwind durch die Finanzkrise willkommen und die Freundlichkeiten im Zuge des Internationalen Jahrs der Genossenschaften schmeicheln. Entscheidend für die Zukunftsfähigkeit der Mitgliederbanken bleibt jedoch die Arbeit an den harten Themen.