Geplante Änderungen bei Solvency II belasten deutsche Versicherer übermäßig

Solvenzquoten würden um bis zu 91 Prozentpunkte zurückgehen - Branche will Anpassungen erst im Review-Prozess 2020/2021

Geplante Änderungen bei Solvency II belasten deutsche Versicherer übermäßig

tl Frankfurt – Die deutschen Versicherer verfügen im europäischen Vergleich über eine sehr gute Kapitalausstattung. Die Solvenzquote, also das Verhältnis der Eigenmittel zum erforderlichen Kapital, ist per Ende 2017 mit Übergangsmaßnahmen auf 383 (i.V. 344) % und ohne Übergangsmaßnahmen auf 250 (207) % gestiegen, ergab eine Auswertung des Versicherungsverbandes GDV. Damit belegten die deutschen Versicherer im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) den Spitzenplatz.”Die Solvenzquoten des deutschen Marktes sind traditionell weit überdurchschnittlich”, sagte Uwe Ludka, Vorsitzender des GDV-Ausschusses Finanzregulierung und im Hauptberuf Vorstandschef der Itzehoer Versicherungen, bei einem Pressekolloquium zum Thema Solvency II. “Das bedeutet ein hohes Maß an Sicherheit auch in Stresssituationen.” Allerdings schmälere die hohe Eigenmittelausstattung die Eigenkapitalrendite. Aktuell sind aber einige Regeländerungen im Gespräch, die die Solvenzlage der deutschen Assekuranz erheblich negativ beeinflussen würden. Das sind die Berücksichtigung von negativen Zinssätzen in Stressenarien, der spätere Beginn der Extrapolation der risikofreien Zinskurve (für die Bewertung von Rückstellungen) und schließlich die Neuberechnung des langfristigen Gleichgewichtszinssatzes (Ultimate Forward Rate UFR). In allen drei Fällen kritisiert der GDV, dass dies zu deutlich verringerten Solvenzquoten speziell bei den deutschen Versicherern führen würde (siehe Grafik).Die größten Auswirkungen hätte die Berücksichtigung negativer Marktzinsen, insbesondere dann, wenn der erste Vorschlag der europäischen Versicherungsaufsicht EIOPA, diese für die nächsten 30 Jahre anzunehmen, Wirklichkeit geworden wäre (Vorschlag A in der Grafik). Der aktuelle, abgemilderte Vorschlag C bedeutet immer noch einen Rückgang der Solvenzquoten hierzulande um 75 Prozentpunkte. Axel Wehling, Mitglied der Geschäftsführung des GDV, geht nach Gesprächen in Brüssel aber davon aus, dass sich (aus deutscher Sicht) weitere Verbesserungen erzielen lassen. Die Verschiebung des Extrapolationsstarts zur UFR, also des Zeitpunkts, ab dem es keine (liquiden) Märkte für Zinsswaps mehr gibt und daher extrapoliert werden muss, von Jahr 20 auf Jahr 30 würde deutsche Versicherer 91 Prozentpunkte bei der Solvenzquote kosten. Hintergrund dieses im europäischen Vergleich extrem hohen Wertes sind die langfristigen Garantien in der Lebensversicherungen. “Wir fordern, dass der Extrapolationsstart so bleiben muss, wie er ist – oder früher beginnt”, sagte Ludka.Bei der UFR wendet EIOPA bereits eine neue Rechenmethode an. Sie dürfte bei konstanten Realzinsen bereits Ende dieses Jahres zu einem Rückgang auf 4,05 % führen und die nächsten Jahre in Schritten von 15 Basispunkten weiter gehen. “Die EU-Kommission hat uns zugesagt, dass dieser Punkt in den geplanten Überprüfungsprozess von Solvency II, der für 2020/2021 geplant ist, berücksichtigt wird”, sagte Wehling. Der GDV fordert dies auch für die beiden erstgenannten Punkte. Wenig sinnvollFür wenig sinnvoll in ihrer bisherigen Form hält die deutsche Assekuranz die Berichte über die Solvabilität und Finanzlage (SFCR-Berichte). Sie sind für die Öffentlichkeit bestimmt, nicht zuletzt für die Versicherten, die aber kaum darauf zurückgreifen. “Die im Durchschnitt knapp 100-seitigen Berichte haben im Netz bestenfalls knapp dreistellige Zugriffszahlen”, so Wehling. “Bei uns sind es unter zehn Klicks”, ergänzte Ludka. “Der Aufwand für den SFCR-Bericht steht in keinem wirtschaftlichen Verhältnis zu den Klickzahlen”, resümiert Wehling. “Außerdem stehen geschätzte 80 % seiner Informationen auch schon im Jahresabschlussbericht.” Ludka fordert daher eine deutliche Entschlackung des SFCR-Berichts durch die Konzentration auf wenige, zentrale Kennzahlen wie Solvenzquoten, sowie Struktur und Verteilung der Eigenmittel. Die Versicherer müssen aber auch noch den ausführlicheren RSR-Bericht an die Aufsicht sowie den ORSA-Bericht (unternehmenseigene Risiko- und Solvabilitätsbeurteilung) erstellen. Dazu kommen die Quartalsberichte. “Der ganze regulatorische Aufwand hat bei uns zu einer zweiprozentigen Aufstockung der Personalstellen geführt”, sagte der Itzehoer-Chef. “Das führt letztlich zu einer weiteren Konzentration in der Branche.”