Gericht erklärt Bilanzen aus zwei Jahren für nichtig
mic München
Die Bilanzen des Zahlungsdienstleisters Wirecard aus den Jahren 2017 und 2018 sind vom Münchner Landgericht für nichtig erklärt worden (Az. 5 HK O 15710/20). Damit gab die 5. Kammer für Handelssachen einer Klage des Insolvenzverwalters Michael Jaffé statt. Das Landgericht MünchenI stellte unter ihrem Vorsitzenden Helmut Krenek auch die Nichtigkeit der Gewinnverwendungsbeschlüsse der Hauptversammlung fest. Dies eröffnet Jaffé die Möglichkeit, die Dividenden für die beiden Jahre von den Aktionären zurückfordern. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Bei der Dividendenrückzahlung geht es um rund 47 Mill. Euro. Klein- und Privatanleger seien nicht maßgeblich berührt, erklärte Jaffé nach dem Urteil. Die Dividenden seien vor allem an Großaktionäre wie die Beteiligungsgesellschaft von Markus Braun ausgeschüttet worden. Für die Jahre 2017 und 2018 habe Wirecard in Summe nur 0,38 Euro pro Aktie gezahlt. Ein Anleger mit Papieren mit einem damaligen „Börsenwert“ von 10000 Euro müsste, wenn überhaupt, eine Rückzahlung für die beiden Jahre von allenfalls 25 Euro gewärtigen, rechnete Jaffé in einer Mitteilung vor.
EY: Keine Partei
Wirecard hatte im Jahr 2020 keinen Nachweis für 1,9 Mrd. Euro liefern können, die angeblich auf Treuhandkonten in Asien liegen sollten. Der damalige Dax-Wert war daraufhin pleitegegangen, der ehemalige Vorstandsvorsitzende Markus Braun sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Der Staatsanwaltschaft in München zufolge ist das Guthaben aus angeblichen Geschäften mit Drittpartnern erfunden. Braun zufolge lag das Geld nur auf anderen Konten.
Das Urteil ist nach Ansicht der Aktionärsvereinigung DSW für die Auseinandersetzung der ehemaligen Wirecard-Aktionäre mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY relevant, die die Wirecard-Bilanzen geprüft und testiert hatte. Es gibt rund 1000 Klagen. DSW sieht nun gestiegene Erfolgschancen. Die Wirtschaftsprüfer hätten sehen müssen, dass die Buchführung von Wirecard völlig falsch gewesen sei, sagte DSW-Vizepräsidentin Daniela Bergdolt. Die Rechtsanwältin vertrat in dem Verfahren in München einen Nebenkläger.
EY dagegen stellt fest, weder die Landesgesellschaft Deutschland noch Mitarbeiter seien Partei oder Beklagte des Rechtsstreits in München gewesen. Es sei nur um die Frage gegangen, ob die Jahresabschlüsse 2017 und 2018 für nichtig erklärt würden. Damit weist die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft implizit darauf hin, dass das Gericht keine Aussage getroffen hat, wer für die Mängel des Jahresabschlusses verantwortlich ist – und ob es eine etwaige Pflichtverletzung der Abschlussprüfer gab.
Krenek erklärte, die Kammer habe nicht abschließend entscheiden müssen, ob die Saldenbestätigungen für Treuhandkonten bei einer asiatischen Bank gefälscht gewesen seien und die entsprechenden Drittpartner-Geschäfte zumindest im Wesentlichen nicht stattgefunden hätten. Wenn dies allerdings stimme, leite sich die Nichtigkeit aus einer Überbewertung von Aktiva her (§ 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Aktiengesetz).
Doch selbst wenn die vom ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Braun geltend gemachte Existenz dieser Gelder auf anderen Konten stimmen sollte, würde sich die Nichtigkeit der Jahresabschlüsse dennoch ergeben, argumentierte Krenek: „In diesem Fall läge ein Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung vor, weil die Einzahlungen der Gelder dann auf anderen Konten hätten aufgefunden werden müssen.“ Dadurch wären gläubigerschützende Vorschriften verletzt. Daraus folge laut Aktiengesetz ebenfalls die Nichtigkeit der Abschlüsse (§ 256 Abs. 1 Nr. 1).