GASTBEITRAG

Geschlossene alternative Investmentfonds sollten umsatzsteuerbefreit sein

Von Marc Desens und Uwe Wewel Börsen-Zeitung, 11.2.2016 Die sogenannte EU-Mehrwertsteuersystemrichtlinie gibt vor, die Verwaltung von Vermögen, das von den Mitgliedstaaten als Sondervermögen definiert wird, von der Umsatzsteuer zu befreien. Der...

Geschlossene alternative Investmentfonds sollten umsatzsteuerbefreit sein

Von Marc Desens und Uwe WewelDie sogenannte EU-Mehrwertsteuersystemrichtlinie gibt vor, die Verwaltung von Vermögen, das von den Mitgliedstaaten als Sondervermögen definiert wird, von der Umsatzsteuer zu befreien. Der Europäische Gerichtshof hat nun in einem Urteil vom 9. Dezember 2015 (C-595/13 – Fiscale Eehnheid) zu einem niederländischen Fall entschieden, welche Investmentfonds unter diese Befreiung fallen müssen: Freizustellen sind danach jedenfalls die “Organismen für die gemeinsame Anlage von Wertpapieren – OGAW” (also offene Wertpapierfonds), aber auch solche Fonds, die diesen ähnlich sind und mit ihnen im Wettbewerb stehen. Ob diese Kriterien erfüllt sind, macht der Europäische Gerichtshof maßgeblich daran fest, ob diese Fonds ebenfalls einer besonderen staatlichen Aufsicht unterliegen. Eindeutige RechtslageMit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs dürfte die Rechtslage nun auch für Deutschland eindeutig sein: Denn mit der Schaffung des Kapitalanlagegesetzbuches 2013, mit dem die AIFM-Richtlinie (2011/61/EU) umgesetzt wurde, wurden – anders als im zuvor geltenden Investmentgesetz – neben den OGAW nicht nur offene, sondern auch geschlossene alternative Investmentfonds (AIF) einer besonderen staatlichen Aufsicht unterworfen. Kommt es nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für die Gewährung der Umsatzsteuerbefreiung aber gerade auf eine solche besondere staatliche Aufsicht an, müssen nun auch die geschlossenen AIF von der Umsatzsteuer befreit werden. Kontra europäisches RechtDem widerspricht die gegenwärtige Gesetzeslage in Deutschland, die für die Umsatzsteuerbefreiung nicht mehr an das nun im Kapitalanlagegesetzbuch geregelte Aufsichtsrecht anknüpft, sondern an das noch geltende Investmentsteuergesetz. Dies führt dazu, dass zwar OGAW und bestimmte offene AIF (Spezialfonds und offene Immobilienfonds) von der Umsatzsteuer befreit sind, aber geschlossene AIF regelmäßig nicht. Mit dieser Beschränkung verstößt Deutschland unseres Erachtens klar gegen die für Deutschland verbindlichen Vorgaben der EU-Richtlinie, die diese in der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof in seinem jüngsten Urteil gefunden hat.Schnelles Handeln des Gesetzgebers ist auch mit Blick auf den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz – Artikel 3 Grundgesetz – geboten. Die Ungleichbehandlung von umsatzsteuerbefreiten OGAW und offenen AIF einerseits und umsatzsteuerpflichtigen geschlossenen AIF andererseits wurde in der Vergangenheit oft damit gerechtfertigt, dass gerade Kleinanlegern mit verhältnismäßig geringfügigen Anlagebeträgen eine professionelle Vermögensanlage ermöglicht werden soll.Dies mag für die Umsatzsteuerbefreiung der EU-weit regulierten OGAW zutreffen, aber nicht für die ebenfalls umsatzsteuerbefreiten offenen AIF. Das sind insbesondere sogenannte Spezialfonds, das heißt offene Wertpapier-, Immobilien- und andere Fonds mit wenigen (manchmal nur einem) institutionellen Anlegern, in denen Kleinanleger nicht investieren können. Insoweit lässt sich die Ungleichbehandlung nicht mehr mit der Kleinanlegerförderung rechtfertigen. Institutionelle profitierenDies gilt selbst dann, wenn man dem Gesetzgeber bei der Auswahl der begünstigten Sachverhalte eine weite Typisierungsbefugnis zugesteht. Berücksichtigt man nämlich, dass diese Spezialfonds mehr als 70 % aller in Deutschland aufgelegten und verwalteten Fonds ausmachen, profitieren hauptsächlich institutionelle Anleger von der Umsatzsteuerbefreiung. Trifft der vorgebrachte Rechtfertigungsgrund der Kleinanlegerförderung nur auf einen kleinen Teil der begünstigten Vergleichsgruppe zu, ist es zumindest höchst bedenklich, ob hier die verfassungsrechtlichen Grenzen einer sachgerechten Typisierung noch eingehalten sind. Unabhängig von den rechtlich verbindlichen Vorgaben erscheint es auch mit Blick auf den Fondsstandort Deutschland rechtspolitisch sinnvoll, die Umsatzsteuerbefreiung an den Anwendungsbereich des Kapitalanlagegesetzbuches zu knüpfen. Geschlossene AIF sind in unterschiedlichen Anlageklassen angelegt, zum Beispiel Private Equity oder Immobilien. Sie investieren oft Gelder von institutionellen Investoren, die wie Versicherer, Pensionskassen und Versorgungswerke Sozialkapital verwalten. Sie spielen eine wichtige Rolle sowohl bei der Vermögensanlage solcher Investoren als auch bei der Finanzierung des deutschen Mittelstandes. Solche geschlossenen AIF sind keine steuerlich getriebenen Produkte. Steuerliches Ziel ist lediglich, dass die Zwischenschaltung des Fonds zu keiner steuerlichen Mehrbelastung führt. Standort Deutschland stärkenSchon gegenwärtig haben daher die meisten EU-Länder die Verwaltung geschlossener AIF von der Umsatzsteuer befreit. Dagegen ist die umsatzsteuerliche Benachteiligung des Fondsstandorts Deutschland für die Beteiligten frustrierend. Die Belastung der Verwaltung von geschlossenen AIF mit der Umsatzsteuer stellt für die Investoren und das Fondsmanagement Kosten dar. Wirtschaftlich handelnde Investoren und Fondsinitiatoren werden geradezu aus Deutschland herausgedrängt. Typische Fondsstandorte wie Luxemburg freut das seit Jahren, weil dort im nationalen Aufsichtsrecht die umsatzsteuerlich privilegierten “Sondervermögen” auch von geschlossen Fonds genutzt werden können. Mehr Fonds in DeutschlandMit der Anpassung des deutschen Umsatzsteuergesetzes an die Mehrwertsteuersystemrichtlinie im Sinne der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof und damit im Ergebnis auch an die Rechtslage, die in anderen mit Deutschland im Fondsbereich konkurrierenden Mitgliedstaaten seit Jahren gilt, könnte es gelingen, dass künftig wieder mehr Fonds in Deutschland aufgelegt werden, statt in andere Fondsstandorte abzuwandern. Davon würde auch das deutsche Steueraufkommen profitieren, da die dann nach Deutschland gezogene Verwaltungsvergütung hier der Ertragsbesteuerung unterliegen würde.Auch deswegen sollte der Bundesgesetzgeber zeitnah – sachgerecht wäre die Regelung im laufenden Gesetzgebungsverfahren zur Reform des Investmentbesteuerung – das Umsatzsteuerrecht anpassen. Nicht nur unionsrechts- und verfassungskonform, sondern auch für den Fondsstandort Deutschland sinnvoll wäre es, die Verwaltung aller Fonds im Sinne des Kapitalanlagegesetzbuchs – also alle OGAW und alle AIF – von der Umsatzsteuer zu befreien.Es sollte jedenfalls vermieden werden, die vom Europäischen Gerichtshof konstatierte Maßgeblichkeit der EU-Harmonisierung des Aufsichtsrechts durch weitere gesetzliche Kriterien einzuschränken, um aus dem Kreis der EU-aufsichtsrechtlich gleich behandelten Fonds diejenigen Fälle herauszufiltern, in denen eine umsatzsteuerliche Ungleichbehandlung möglich erschiene. Denn dies würde zu erneuten Streitfragen führen, die erneute Befassung des Europäischen Gerichtshofs provozieren und den Effekt der vom diesem mehrfach betonten Wettbewerbsneutralität bei der Umsatzsteuerbefreiung der Fondsverwaltung zwischen den Fondsstandorten topedieren. Wer dagegen rechtspolitisch die Ausweitung der Steuerbefreiung auf alle im Kapitalanlagegesetzbuch regulierten Fonds für falsch hält, müsste eine Änderung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie anstreben.—-Prof. Dr. Marc Desens ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, insbesondere Steuerrecht und Öffentliches Wirtschaftsrecht, der Universität Leipzig. Ministerialrat a. D. Uwe Wewel war bei seiner Pensionierung Ende 2015 Leiter des Referats Investmentfonds im Bundesfinanzministerium und ist jetzt freier Mitarbeiter des Berliner Büros der Kanzlei P+P Pöllath + Partners.