„Gesundheit ist wichtiger geworden“
Von Michael Flämig, München
„Das Thema Gesundheit und eine gute Versicherung sind den Menschen wichtiger geworden in den vergangenen eineinhalb Jahren“, sagte Nina Klingspor, Vorstandsvorsitzende der Allianz Private Krankenversicherung, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Zugleich wies sie angesichts einer erneuten Diskussion über die Einführung einer Bürgerversicherung auf die Erfolge der heutigen Regelung hin: „Wir haben in der Pandemie gesehen, wie resilient unser Gesundheitssystem ist.“
Klingspor registriert Rückenwind im Neugeschäft in Deutschland: „Wir sehen auch für die Zukunft eine große Chance.“ Von der neuen Dynamik profitiert die Allianz beispielsweise in der Krankheitskostenvollversicherung. „Den Anstieg im Neugeschäft führe ich auch auf den Corona-Effekt zurück“, sagte Klingspor. Die Zahl der neu Versicherten steige im Jahr 2021 weiter erfreulich, nachdem im Vorjahr ein starkes Plus von 5% erreicht worden sei. Die Zahl der Vollversicherten war im Jahr 2020 sterblichkeitsbedingt dennoch von 590849 auf 581591 gesunken.
Hohe Nachfrage von Firmen
Klingspor strich heraus, dass im gesamten Neugeschäft (gemessen an den Monatsbeiträgen) das Niveau des Rekordjahres 2019 auch im Corona-Jahr 2020 fast erreicht wurde – das Neugeschäft sank um nur 0,1% nach einem Plus von 11,9% im Vorjahr und einem Anstieg von 10,6% im Jahr 2018: „Wir sind sehr zufrieden, dass dies trotz der Krise gelungen ist.“ Die Gesamtzahl der Krankenversicherten bei der Allianz in Deutschland erhöhte sich auf 2,76 (2,71) Millionen (siehe Grafik), deren Beiträge im Schnitt um knapp 6% stiegen. Der Rechnungszins habe Ende vergangenen Jahres 2,85% betragen. Der Marktschnitt lag laut Assekurata bei 2,66%.
Positiv habe sich im Allianz-Vertrieb ausgewirkt, dass die eigenen Vertreter vor dem Beginn der Pandemie besser als konkurrierende Vertriebe mit digitalen Kanälen ausgestattet gewesen seien, sagte Klingspor. Rückenwind spürt der Münchner Versicherer auch in der Pflegezusatzversicherung: „Wir sind supergut unterwegs.“ Während der Neugeschäftsmarktanteil in den vergangenen Jahren rund ein Drittel betragen habe, sei er im ersten Quartal 2021 auf rund 40% gestiegen. In der Zahnzusatzversicherung habe die Allianz die Wartezeiten bei einigen Tarifen abgeschafft, die bisher galten, bis Arztbesuche auf Basis des neuen Vertrags möglich waren. Dies habe den Absatz beflügelt.
Die Vorstandsvorsitzende rechnet darüber hinaus mit einem großen Zuspruch in der betrieblichen Krankenversicherung. Sie habe im vergangenen Jahr trotz der Krise um 25% zugelegt. In diesem Zeitraum wählte jeder vierte Arbeitgeber, der eine betriebliche Krankenversicherung abschloss, die Allianz. Besonders jene Unternehmen, die gut durch die Coronakrise gekommen seien, hätten ihren Mitarbeitern etwas Gutes tun wollen, sagte Klingspor. Im Vertrieb zahle sich eine enge Zusammenarbeit mit dem Lebensversicherer der Allianz aus, denn die Unternehmen wollten ganzheitlich beraten werden: „Die Kunden haben ein Interesse, Leistungen für ihre Mitarbeiter anzubieten – ob dies betriebliche Altersvorsorge oder Krankenvorsorge ist, steht an zweiter Stelle.“
Für die Zukunft gilt aus Sicht von Klingspor: „Das Interesse ist ungebrochen.“ Im neu eingeführten Budgetmodell könnten die Arbeitnehmer selbst entscheiden, für welche Behandlungen sie jährlich einen Betrag zwischen 300 und 1500 Euro pro Person ausgeben. Die Beiträge zahlt der Arbeitgeber. Die Motivation für eine derartige Absicherung sei unterschiedlich. Ein Teil der Unternehmen wolle ein noch attraktiverer Arbeitgeber sein, ein Teil die Krankenquote durch Vorsorge niedrig halten oder ein anderer Teil die Genesung der Mitarbeiter bei einem stationären Aufenthalt durch die Bereitstellung bester Behandlung unterstützen.
Services werden wichtiger
Klingspor strich heraus, dass das Budgetmodell im Gegensatz zu vergleichbaren Angeboten im Markt mit einem umfangreichen Servicepaket verbunden sei. Beispielsweise könnten Beschäftigte, die Beschwerden hätten, bei einer Hotline anrufen. Wenn der Experte einen Arztbesuch empfehle, vereinbare er auf Wunsch gleich einen Termin in einer Praxis: „Die Beschäftigten müssen gar nichts tun, nur den Termin wahrnehmen.“ Derartige Dienstleistungen gälten auch für alle Familienangehörigen der versicherten Mitarbeiter.
Das Beispiel Budgetmodell demonstriert nach Ansicht von Klingspor: „Das Thema Services wird immer wichtiger.“ In der Pandemie hätten Allianz-Kunden beispielsweise rund um die Uhr medizinischen Rat per Telefon einholen können. Gerade in den Lockdown-Phasen sei „Doc on Call“ ausgeprägt angenommen worden.
Besseren Service sieht Klingspor als einen Ansatzpunkt, um die Kundenzufriedenheit zu erhöhen. Der Allianz-Krankenversicherer liegt in der Systematik des Net Promotor Score (NPS) lediglich auf dem Niveau des Marktes, während der Allianz-Lebensversicherer in Deutschland seit längerem besser als die Konkurrenten abschneidet und der Sachversicherer seit dem Jahr 2020 ebenfalls über Marktniveau rangiert. Klingspor zielt darauf, besser als der Wettbewerb zu werden: „Ich denke schon, dass wir dies in den nächsten Jahren erreichen.“
Die Allianz baue daher ihren Service zielgruppenspezifischer aus, beispielsweise für Familien. Dies fange mit Online-Hebammenkursen oder Essensberatung in der Schwangerschaft an und gehe bis zu Angeboten zur Rückbildungsgymnastik oder zur Vermittlung von Kinderarzt-Hausbesuchen. Der Anspruch sei, mehr als nur ein zuverlässiger Erstatter von Arztrechnungen zu sein. Das Versprechen laute: „Für Ihre Gesundheit da, ein Leben lang“ – also dem Kunden in allen Lebenslagen zu helfen.
Wichtig für die Zufriedenheit der Kunden sei auch, dass die eingereichten Rechnungen schnell beglichen würden. Die Allianz arbeite daran, dass der Anteil jener Prüfungen, die das EDV-System ohne den Eingriff eines Menschen durchführe, weiter steige. Aktuell werden gut sechs von zehn Rechnungen innerhalb von 24 Stunden abschließend bearbeitet.