IM BLICKFELD

Grenzen der BaFin beim Verbraucherschutz

Von Wolf Brandes, Frankfurt Börsen-Zeitung, 1.11.2019 Wer die Worte "SEC", "Aufsicht" und "verklagt" bei Google eingibt, erhält zahlreiche Treffer zu Klagen der US- Aufsichtsbehörde gegen Unternehmen. Ganz anders die BaFin, die laut Google...

Grenzen der BaFin beim Verbraucherschutz

Von Wolf Brandes, FrankfurtWer die Worte “SEC”, “Aufsicht” und “verklagt” bei Google eingibt, erhält zahlreiche Treffer zu Klagen der US- Aufsichtsbehörde gegen Unternehmen. Ganz anders die BaFin, die laut Google regelmäßig von den Anbietern selbst vor Gericht gezerrt wird. Jüngstes Beispiel ist eine Schadensersatzklage der Berliner Anwaltskanzlei Schirp. Sie ist der Auffassung, dass die BaFin im Zusammenhang mit der Containerpleite von P & R ihre Amtspflicht verletzt habe und Anleger entschädigen müsste.Nach § 4 Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (FinDAG) nimmt die BaFin ihre Aufgaben im öffentlichen Interesse wahr. Dieser faktische Ausschluss der Haftung gegenüber Anlegern verstößt nach Ansicht von Wolfgang Schirp gegen Europarecht; eine solche Regelung sei nur statthaft, wenn eine Sicherungseinrichtung greife. In erster Instanz hat die BaFin jedoch vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt obsiegt. Auch in früheren Fällen hatten Anwälte mit diesem Hebel nichts erreichen können. Amtshaftung abgelehnt Andere Kritiker der Behörde halten sich bei der Amtshaftung ohnehin zurück: “Bei einer Staatshaftung im Zusammenhang mit dem grauen Kapitalmarkt sehe ich das Problem, dass letztlich der Steuerzahler für gigantische Schadensersatzforderungen aufkommt, weil alle anderen Verantwortlichen nicht mehr belangt werden können”, sagt Gerhard Schick. Der frühere Grünen-Bundestagsabgeordnete gründete Mitte 2018 den Verein Finanzwende, eine Interessenvertretung für eine nachhaltige Finanzwirtschaft. Gleichwohl ist die BaFin bei ihm schon länger in der Schusslinie: “Im Einzelfall kann man immer sagen, dass eine Aufsicht nicht alles verhindern kann. Aber in der Summe der Betrugsfälle und Skandale am grauen Kapitalmarkt muss man von Aufsichtsversagen sprechen.” Ein Vorwurf, den die Aufsicht zurückweist. “Es wird oft verkannt, dass sich die Aufsicht ausschließlich auf Finanzinstrumente bezieht. Bei Angeboten, die nicht unter eine Erlaubnis- oder Prospektpflicht fallen, können und dürfen wir nicht tätig werden”, sagt Elisabeth Roegele, Exekutivdirektorin und zuständig für die Wertpapieraufsicht. “Es muss auch konkrete Anhaltspunkte geben, wenn beispielsweise zusätzliche Informationen eingefordert werden.”Wo die Grenzen für die BaFin liegen, ist umstritten. Die Behörde sagt häufig, was sie nicht darf. In einem Text zum Prüfungsumfang bei Vermögensanlagen wird doppelt so lang erklärt, was nicht geht im Vergleich zur Erläuterung des Prüfungsmaßstabs. Genau das Defensive bemängeln die Kritiker: “Es muss ja nicht immer gleich ein Vertriebsverbot sein, aber der kollektive Verbraucherschutz bietet ihr einen größeren Spielraum. Die BaFin legt die Gesetze sehr restriktiv aus und agiert zuweilen mutlos”, meint Schick. Keine laufende AufsichtKonkret geht es im 3,5 Mrd. Euro schweren Pleitefall von P&R darum, dass die BaFin beispielsweise keine weiteren Informationen angefordert habe. Etwa zum Alter der Container. Das für die BaFin zuständige Bundesministerium der Finanzen (BMF) verweist auf das Gesetz: Das Alter sei keine erforderliche Mindestangabe, die Anbieter nennen müssen, so die Auslegung des Hauses. Außerdem gebe es im Bereich der Vermögensaufsicht keine laufende Aufsicht – anders als bei Banken und Versicherungen, wo die Behörde jederzeit Unterlagen anfordern kann. “Nach Ende eines öffentlichen Angebots sind keine Maßnahmen (. . .) mehr zulässig”, schreibt das BMF in einer Antwort auf Anfrage der Fraktion Die Linke Anfang Oktober. Solche Antworten ärgern Jörg Cezanne, Bundestagsabgeordneter der Linken: “Die Bundesregierung redet um den heißen Brei herum und versteckt sich hinter formalen Aspekten, anstatt die BaFin anzutreiben, der Finanzbranche fester auf die Finger zu klopfen.”Der Eindruck eines manchmal zögerlichen Handelns entsteht auch, weil die Behörde sich oft in Schweigen hüllt. “Für die BaFin gilt grundsätzlich eine Verschwiegenheitspflicht. Daher äußern wir uns nicht zu laufenden Diskussionen um Anbieter am Kapitalmarkt”, so Roegele. Kaum einer will, dass über laufende Verfahren berichtet wird – das Kommunikationsmuster lässt die Behörde jedoch häufig passiv aussehen. Fraglich ist, ob mehr Transparenz möglich wäre.Die mehr oder weniger restriktive Auslegung von Gesetzen ist das eine – gar nicht existierende Normen das andere Problem. Bei Anbietern, die außerhalb von KWG, KAGB oder Vermögensanlagegesetz arbeiten, sind dem Amt die Hände gebunden. Doch auch hier ist oft strittig, was eine Vermögensanlage ist und was nicht. Ein aktueller Fall ist der Skandal um den Goldhändler PIM. Die BaFin argumentiert, dass Edelmetallkäufe, die keine Vermögensanlagen seien und kein Einlagengeschäft, außerhalb ihres Kompetenzrahmens liegen. “Sollte es im Fall der PIM-Goldsparpläne tatsächlich nicht möglich gewesen sein, dass die BaFin agiert, hätte sie deutlich darauf hinweisen müssen, dass es eine Gesetzeslücke gibt”, moniert Schick.Oft geäußert wird die Erwartung, dass die Behörde mit Sitz in Bonn und Frankfurt häufiger in Berlin vorstellig wird, um auf dem Gesetzeswege Verbesserungen im Verbraucherschutz zu erreichen. Damit rennen die Kritiker offene Türen ein. “Wir gehen jedem Hinweis nach und beobachten den Markt flächendeckend. Damit sind wir nah am Markt und können auf Basis unserer Erkenntnisse auch Impulse für neue Regeln und Gesetze geben”, sagt die Chefin der Wertpapieraufsicht. Was das konkret bedeutet und in welchen Fällen die BaFin damit erfolgreich war, wird indes nicht verraten. Offen muss bleiben, welchen Anteil die BaFin beispielsweise beim Maßnahmenpaket zu Vermögensanlagen zur Verbesserung des Verbraucherschutzes hat, das derzeit in Berlin diskutiert wird.Bei der Aufsicht über Geldanlagen geht es nicht nur um die Einhaltung von Gesetzen, sondern auch um strafrechtliche Themen wie Betrug, Anlagebetrug und Unterschlagung. Auch hier gibt es Kritik. “Die Frage ist, ob die Schnittstellen zwischen Staatsanwaltschaften und Aufsicht optimal sind. Hier scheint mir mitunter zu viel Zeit zu vergehen, bis gehandelt wird”, meint Schick. Staatsanwalt hat Vorrang”Die BaFin arbeitet eng mit den Staatsanwaltschaften zusammen. Im Fall eines polizeilichen Eingreifens ist aber grundsätzlich die Staatsanwaltschaft Herr des Verfahrens”, sagt Roegele dazu. Das heißt auch, dass die Federführung dann nicht mehr bei der BaFin liegt.Mit der nächsten Insolvenz am grauen Kapitalmarkt dürfte die Kritik an der BaFin – berechtigt oder unberechtigt – wieder aufflammen. Daran wird sich nichts ändern, solange die Behörde eng an das BMF angebunden ist und sich in der Sache oft nicht selbst äußern kann.