Interview mit Dr. Stephan Hutter und Dr. Katja Kaulamo

Größerer und liquider Kapitalmarkt bewältigt Marktverwerfungen schneller

Gedanken zu den für 2016 geplanten Änderungen der EU-Prospektrichtlinie

Größerer und liquider Kapitalmarkt bewältigt Marktverwerfungen schneller

Frau Dr. Kaulamo, warum wird auf europäischer Ebene derzeit eine Änderung der Prospektrichtlinie diskutiert?Die geplante Änderung der Prospektrichtlinie ist im Zusammenhang mit der Diskussion rund um die Schaffung einer sogenannten “Kapitalmarktunion” in der Europäischen Union zu sehen. Ziel ist es, immer noch bestehende Barrieren zwischen den EU-Mitgliedstaaten im Kapitalmarktbereich abzubauen und einen einheitlichen und stärkeren europäischen Kapitalmarkt zu schaffen. Die Reform des Prospektrechts ist Teil dieser Bestrebungen.Herr Dr. Hutter, warum wird das Thema Kapitalmarktunion gerade zu einer Zeit erörtert, in der die europäischen Börsen ein Allzeithoch nach dem anderen aufwiesen?Im Vergleich zu den USA, dem weltweit größten Kapitalmarkt, findet in Europa nur ein verhältnismäßig kleiner Prozentsatz der Finanzierung über den Kapitalmarkt statt. In der Finanzkrise hat sich gezeigt, dass ein größerer und liquider Kapitalmarkt zu einer breiteren Risikostreuung und einer schnelleren Bewältigung der Marktverwerfungen führt. Diesen Weg will man auch in Europa gehen. Die derzeitige Börsenentwicklung steht in engem Zusammenhang mit der europäischen Geld- und Zinspolitik, das hat nichts mit einem einheitlichen europäischen Kapitalmarkt zu tun.Frau Dr. Kaulamo, welche Änderungen der Prospektrichtlinie müsste es geben, um den Zugang zum Kapitalmarkt europaweit zu vereinfachen beziehungsweise zu vereinheitlichen?Da gibt es eine ganze Reihe von Überlegungen. Zunächst müssen wir die Prospekte ohne Beeinträchtigung der Qualität wieder etwas verkürzen, zum Beispiel durch eine konsequentere Bezugnahme auf bereits veröffentlichte Informationen. Auch würde ich für ein europaweit zentrales elektronisches System der Hinterlegung von relevanten Kapitalmarktinformationen plädieren, nach dem Vorbild von EDGAR in den USA. Bestimmte Pros­pekterfordernisse könnten mir zufolge ganz entfallen, wie beispielsweise bei bereits börsennotierten Unternehmen der Prospekt für die reine Börsenzulassung neuer Aktien und der Prospektnachtrag für bereits mit einer Ad-hoc-Mitteilung veröffentlichte Informationen. Auch sollten die Standards für die Prospektprüfung beziehungsweise der Auslegungspraxis europaweit weiter vereinheitlicht und die Notwendigkeit jeglicher Übersetzungen zur Gänze abgeschafft werden. Herr Dr. Hutter, müsste es für KMU (kleine und mittlere Unternehmen) noch besondere Erleichterungen bei der Prospekterstellung geben?Das wird im Moment intensiv diskutiert, ich bin mir da nicht so sicher. Denn es ist ja nicht so, dass Investitionen in KMU weniger riskant sind und der Anleger daher für seine Investitionsentscheidung weniger Informationen benötigt. Oft ganz im Gegenteil. Ich denke, die Umsetzung der im Raum stehenden Änderungen zur Prospektrichtlinie wird auch den KMU den Zugang zum Kapitalmarkt erleichtern, wobei ein gewisser finanzieller Aufwand auch in Zukunft nicht zu vermeiden sein wird. Im Ergebnis werden KMU die Interessen und Erwartungen des Marktes und der internationalen Investoren erfüllen müssen, sich dagegen zu wehren macht aus Kapitalmarktsicht keinen Sinn.Was müsste geschehen, um den Marktzugang für KMU zu erleichtern?Der Hauptgrund, warum es etwa in Deutschland für KMU so schwer ist, den Kapitalmarkt zu beschreiten, liegt in erster Linie am Fehlen einer funktionierenden und liquiden Plattform für solche Werte. Auch das ist daher ein Punkt ganz oben auf der Agenda zur Schaffung einer europäischen Kapitalmarktunion.Frau Dr. Kaulamo, wie sieht der Zeitplan für die Umsetzung der Änderungen zur Prospektrichtlinie aus?Es wird erwartet, dass sich der europäische Gesetzgeber Anfang 2016 mit konkreten Änderungsvorschlägen beschäftigen wird. Bis dahin laufen noch die üblichen Konsultationen.Das Interview führte Claudia Weippert-Stemmer.Dr. Stephan HutterPartnerSkadden, Arps, Slate, Meagher & Flom LLPDr. Katja KaulamoPartnerSkadden, Arps, Slate, Meagher & Flom LLP