Embedded Finance

Grover startet erstes Finanz­produkt

Das Berliner Start-up Grover bietet Unterhaltungselektronik im Abo an. Jetzt bringt die Firma mit Visa und Solarisbank eine Debitkarte an den Start. Es ist nur der erste Schritt auf dem Weg, Finanzprodukte in das eigene Angebot einzubinden, sagt Gründer Michael Cassau.

Grover startet erstes Finanz­produkt

Von Stefan Paravicini, Berlin

Embedded Finance beschreibt den Trend zu Finanzprodukten, die von Unternehmen außerhalb der Finanzindustrie als Teil ihrer eigenen Produkte und Services angeboten werden. Dabei geht es zumeist um die Einbindung von Finanzdienstleistungen auf Online-Portalen oder mobilen Apps, deren Kerngeschäft fernab von Finanzen liegt, etwa wenn der E-Commerce-Gigant Amazon über ein eigenes Bankkonto für seine Kunden nachdenkt oder die Suchmaschine Google seinen Nutzern eine eigene Bankkarte anbieten will. Das jüngste Beispiel aus Deutschland ist der Berliner Miet-Commerce-Spezialist Grover, der über seine App Unterhaltungselektronik vom Smartphone bis zur Spielkonsole im Abo anbietet und jetzt als ersten Schritt in Richtung Embedded Finance eine eigene Debitkarte in Kooperation mit Visa und Solarisbank lanciert hat.

Cash-Back für das iPhone-Abo

„Damit erhöhen wir den Wert von Grover für unsere Kunden“, sagt Gründer und CEO Michael Cassau im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Konkret können Kunden des Berliner Start-up mit der von der Solarisbank als „Grover Card“ ausgestellten Visa-Debitkarte 3 % Cash-back auf ihre Einkäufe verdienen, die sie gegen die Mietgebühren von Grover verrechnen können. Wer pro Monat 1 000 Euro Umsatz mit seiner Karte macht, könnte mit den erzielten Rewardpunkten die monatlichen Abogebühren für ein iPhone bestreiten, rechnet Cassau vor.

Die Private-Equity-Gesellschaft Lightyear Capital traut dem Trend zu Embedded Finance allein mit Blick auf Zahlungsdienstleistungen bis 2025 ein Volumen von 140 Mrd. Dollar und bis dahin ein durchschnittliches Wachstum von jährlich 54 % zu. Noch schneller zulegen könnte „kontextuelles Banking“ demnach im Segment Verbraucherkredite. Aber auch Versicherungsprodukte werden in Zukunft viel häufiger eingebettet in finanzdienstleistungsferne Produkte verkauft, sind Marktbeobachter überzeugt.

Angebot zur Kundenbindung

„Das ist die Zukunft von Finanzdienstleistungen für Verbraucher“, sagt auch Grover-Chef Cassau. Die Monetarisierung von traditionellen Finanzprodukten im Verbrauchergeschäft gehe gegen null. Im Rahmen einer Embedded-Finance-Strategie könne man dagegen die Relevanz von Finanzprodukten durch die Verbindung mit anderen Angeboten stärken. „Unsere Kunden nutzen die Grover-Karte explizit, damit die Subscriptions und die Mieten noch günstiger werden“, sagt Cassau, der mit der Grover Card die Kundenbindung stärken und so auch das Umsatzpotenzial pro Kunde erhöhen will. „Wir rechnen damit, dass ein regelmäßiger Nutzer der Grover Card innerhalb von drei Jahren eine zusätzliche Subscription abschließt. Dann ist die Card profitabel für uns.“

Die Grover Card sei der erste Schritt im Rahmen eines „ambitionierten Plan, Embedded Finance in das Angebot von Grover zu integrieren“, heißt es in der Mitteilung zum Start der Debitkarte. Zu den Plänen für weitere Finanzprodukte hält sich das Unternehmen bedeckt. „Die Möglichkeiten sind groß, das ist ja das Schöne mit Embedded Finance“, sagt Cassau nur und nennt als hypothetisches Beispiel für weitere Angebote kostenlose Darlehen für besonders loyale Grover-Kunden.

„Brands will be banks“, lautet eine These hinter dem Trend zu Embedded Finance. Starke Verbrauchermarken werden demnach in Zukunft immer mehr Bankdienstleistungen anbieten. Grover selbst habe keine Ambitionen, eine Bank zu werden, betont Cassau. Die Firma weise in gewisser Weise allerdings schon heute Ähnlichkeiten mit einem Fintech-Unternehmen auf, sagt der Gründer. Schließlich schaffe Grover für die Kunden nicht nur den Zugang zu Elektronikprodukten wie ein Retailer, sondern ermögliche Verbraucher diesen Zugang auch, ohne den Kaufpreis selbst vorab bezahlen zu müssen. Drittens agiere Grover wie ein Trade-in-Partner, dem man das Produkt zurückschicken kann. „Wir konsolidieren diese drei Rollen in einer Plattform“, sagt der CEO.

Für den Bankpartner Solarisbank ist die Grover Card nicht das erste Embedded-Finance-Produkt. „Bereits im letzten Jahr haben wir mit unserem Partner Samsung das Produkt Samsung Pay gelauncht und damit ein Paradebeispiel für die Anwendung von Embedded Finance“, heißt es bei dem Berliner Fintech auf Anfrage. Erst Mitte Oktober hatte der Immobilienmakler Engel & Völkers ein Konto für Immobilieneigentümer in Verbindung mit einer Visa-Debitkarte mit Unterstützung von Solarisbank lanciert. „Wir arbeiten bereits mit weiteren Partnern, die die Potenziale von Embedded Finance erkannt haben. Die Nachfrage nimmt zu und wir freuen uns, dass wir an der Spitze dieser Entwicklung stehen“, heißt es bei dem Fintech. Auch Grover war auf der Suche nach einem Partner schnell von der Solarisbank überzeugt, sagt Cassau. Traditionelle Banken seien für die Umsetzung der Grover Card nicht in Frage gekommen. Hier scheitere man oft schon an der Frage, wer der Ansprechpartner für so ein Projekt ist, beschreibt der CEO seine Erfahrungen.

Geschäft in den USA läuft an

Die Grover Card soll zunächst im Heimatmarkt ausgerollt und dann auch Kunden in Österreich und den Niederlanden zur Verfügung gestellt werden. Spanien und die USA, wo Grover in diesem Jahr gestartet ist, könnten ebenfalls bald von dem Angebot profitieren. „Spanien wächst derzeit mehr als 60 %, die USA ist im vergangenen Monat um 650 % gewachsen“, sagt Cassau zur Geschäftsentwicklung. Insgesamt werde Grover den Umsatz 2021 mehr als verdoppeln. „Es läuft sehr gut, wir wachsen sehr stark und der vergangene Monat war der stärkste Oktober in unserer Geschichte.“

Der Trend zu Embedded Finance kennt anders als das Geschäft von Grover nicht nur eine Richtung. So hat die Alphabet-Tochter Google erst Anfang Oktober die Pläne rund um ein eigenes Bankkonto für Nutzer ihrer Suchmaschine und anderer Internetdienste zurückgestellt, die der US-Internetkonzern vor knapp zwei Jahren verkündet hatte. Auch der E-Commerce-Gigant und Cloud-Computing-Anbieter Amazon, dem laut einer Umfrage von Cornerstone Advisors in den USA immerhin 46 % der Verbraucher aus der Generation der sogenannten „Millennials“ die Führung ihres Girokontos überlassen würden (siehe Grafik), hat Pläne für ein Girokonto bislang nicht umgesetzt. Der Internetkonzern Facebook, der mittlerweile unter Meta Platforms firmiert, hat sein Vorhaben für eine eigene Kryptowährung unter der Kennung Diem wegen großer Widerstände von Regulierungsbehörden ebenfalls zurückgestellt.

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