Grüne Immobilien - Zeitgeist oder echte Nachhaltigkeit?

Hinter nachhaltigen, grünen Investments und Finanzierungen steckt ein großer nachfragegetriebener Markt und somit auch enormes wirtschaftliches Potenzial

Grüne Immobilien - Zeitgeist oder echte Nachhaltigkeit?

Wie lässt sich erklären, dass sowohl der Italiener Antonio Meucci als auch der Deutsche Johann Reis zeitgleich am Telefon forschten oder die Erfindung des Films von Thomas Edison und genauso von Max Skladanowsky beansprucht wird? Manche sagen, es war einfach an der Zeit. Bedürfnisse und Rahmenbedingungen machten die Fortschritte unumgänglich, und so fanden an verschiedenen Orten ähnliche Entwicklungen statt.Auch beim Thema Umweltschutz beobachten wir zeitgleich das Entstehen von Bedürfnissen – und der Zeitgeist beschleunigt entsprechende Reaktionen: Impulse kommen von einer wachsenden Anzahl mobilitätsbegeisterter Fahrer emissionsarmer Verkehrsmittel, der Zunahme von Extremwetterereignissen im Zuge des Klimawandels, einer regelungsfreudigen EU-Bürokratie, der steigenden Nachfrage von Institutionellen und Privatanlegern nach nachhaltigen Anlagen und ja, auch in der deutschen Immobilienwirtschaft ist das Thema angekommen.In Deutschland gibt es rund 3 Millionen sogenannter “Nichtwohngebäude”, wie zum Beispiel Büro-, Handelsimmobilien oder Hotels. Obwohl der Anteil dieser Nutzungsarten nur ein Achtel des bundesweiten Gesamtgebäudebestands ausmacht, beträgt deren Anteil am Endenergieverbrauch aller Gebäude rund 37 %. Und den gilt es zu verringern – so schnell und so effizient wie möglich. Der Klimawandel betrifft damit mittelbar auch die gewerbliche Immobilienfinanzierung, weil Finanzierungen von “grünen”, energieeffizienten Immobilien in einem immer größeren Ausmaß eine Rolle spielen. In absehbarer Zeit wird eine solche Unterscheidung voraussichtlich ohnehin entfallen, weil es dann nur noch grüne Immobilien geben wird. Es ist also an der Zeit, und der Zeiger steht auf Grün!Aktuell überstrahlen die Coronakrise und ihre Folgen (nahezu) alle anderen Themen. Für die LBBW ist Nachhaltigkeit, zu welcher auch die Finanzierung grüner Immobilien zählt, jedoch eine explizit formulierte strategische Stoßrichtung – auch in Zeiten von Corona. Doch was bedeutet hier eigentlich grün? Eine allgemein für alle Banken gültige Definition, was eine grüne Immobilie ist, gibt es aktuell nicht. Einen Ansatz, an dem sich auch die Landesbank orientiert, bieten die Vorgaben der Climate Bond Initiative, wonach Immobilien dann als grün einzustufen sind, wenn sie zu den 15 % energieeffizientesten Objekten im jeweiligen Markt in Hinblick auf die CO2-Emission gehören.In Zusammenarbeit mit einer Beratungsgesellschaft hat die Bank hierfür systematisch Finanzierungskriterien für grüne Immobilien entwickelt. Grundlage der Einstufung einer Immobilie in grün beziehungsweise nichtgrün sind insbesondere Energiebedarfs- und -verbrauchsausweise, die bereits in der Geschäftsanbahnungsphase von den Kunden angefordert werden. Auf Basis dieser Angaben erfolgen dann die Bestimmung der flächenbezogenen CO2- Emissionen und damit die entsprechende Kategorisierung einer zu finanzierenden Immobilie. Hemmnisse im BestandWas sind nun aber generell die Gründe für die Fokussierung auf grüne Immobilien? Im Rahmen der Studie “Büroimmobilien: Energetischer Zustand und Anreize zur Steigerung der Energieeffizienz” haben das Institut der deutschen Wirtschaft Köln und Jones Lang LaSalle zahlreiche Studien und Daten ausgewertet und zudem Entscheidungsträger von 20 der wichtigsten Büroimmobilieninvestoren in Deutschland hinsichtlich der Themen Energieeffizienz, Nutzungsdauer und Sanierungszyklen befragt. Die Studie zeigte, dass reine Nachhaltigkeitsaspekte allein häufig noch eine untergeordnete Rolle im Vergleich zu anderen Entscheidungskriterien spielen. Ein Grund ist hier auch oft, dass Hemmnisse im Bestand, wie etwa Gebäudetechnik oder Architektur, die Durchführung energetischer Maßnahmen erschweren.Dennoch gibt es viele Banken, die ihr Portfolio an grünen Immobilien kontinuierlich ausbauen. Die LBBW verfügte Ende 2019 über ein grünes Immobilienfinanzierungsportfolio in Höhe von 4,4 Mrd. Euro, was einem Anteil von rund einem Fünftel ihres gesamten gewerblichen Immobilienkreditgeschäfts entspricht. Das hat gute Gründe: Bei den Bemühungen um eine CO2-Reduktion zur Eindämmung des Klimawandels, bei Umwelt- und Naturschutz sowie dem verantwortungsvollen Umgang mit natürlichen Ressourcen sehen wir uns als Bank in der Pflicht. Wir wollen beim Thema Nachhaltigkeit zu den führenden Banken in Europa gehören. Gerade das Immobiliengeschäft kann hierbei einen Beitrag leisten.Darüber hinaus sehen wir Nachhaltigkeit jedoch insbesondere auch als geschäftliche Chance: Entscheidend für die immer stärker werdende Bedeutung von grünen Immobilien ist deren langfristige Wirtschaftlichkeit. Denn hinter nachhaltigen, grünen Investments und Finanzierungen stecken ein großer nachfragegetriebener Markt und damit auch ein großes wirtschaftliches Potenzial. Langfristiger Erfolg von Immobilieninvestoren erfordert stabile und nachhaltige Erträge. Langfristige Erträge bedingen aber andererseits die ökologische Akzeptanz einer Immobilie, da künftige Nutzer die Nachhaltigkeit einer Immobilie einfordern werden. Gutes Management muss dabei den ökonomischen Erfolg und die ökologische Verantwortung miteinander in Einklang bringen.Rückenwind hierfür kommt nicht zuletzt von der Bewertung, weil hierbei grüne Aspekte eine zunehmend große Rolle spielen. Da Energiekosten umlegbare Betriebskosten sind, für die Mieter letztlich aber nur die Höhe der Bruttomiete maßgeblich ist, erlauben niedrigere Energiekosten im Durchschnitt höhere Nettomieten. Eine Nettomieterhöhung wiederum bedeutet Wertzuwachs. Eine höhere Bewertung der Immobilie hat damit unmittelbar Einfluss auf die Risikoeinschätzung beziehungsweise auf die seitens der Banken angebotenen Verschuldungsgrade sowie intern ermittelte Ratings. Dies wiederum beeinflusst positiv die nötige Eigenkapitalhinterlegung der jeweiligen Finanzierung und damit in Summe die Profitabilität der Bank. Kurz gesagt: Grüne Finanzierungen lohnen sich dadurch auch für Banken – schon jetzt und nicht erst in der Zukunft. Banken müssen gar heute schon befürchten, dass alte “unökologische” Immobilien bald unverhältnismäßig hohe Wertverluste erleiden, insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen umweltpolitischen Entwicklungen. Image stärkenEin weiterer Vorteil für Banken bei grünen Finanzierungen liegt darin, grüne Anleihen als zusätzliche Refinanzierungsmöglichkeit nutzen zu können. So stieg laut Climate Bonds Initiative das kumulierte Volumen ausstehender grüner Anleihen in Europa seit 2015 von 16,3 Mrd. Euro auf 198 Mrd. Euro. Die LBBW hat in den vergangenen drei Jahren bereits mehrere Green Bonds emittiert und gehört zwischenzeitlich zu den führenden grünen Emittenten in Deutschland. Alle Emissionen waren stets deutlich überzeichnet, was die hohe Nachfrage bei einer breiten Investorenbasis unterstreicht.Ein zusätzliches wichtiges Argument für Banken, sich bei der Finanzierung grüner Immobilien zu beteiligen, ist nicht zuletzt auch der Erhalt der gesellschaftlichen Akzeptanz. Die Finanzierung grüner Immobilien kann helfen, Image und Reputation der Banken zu stärken und damit deren gesellschaftliche Akzeptanz zu erhöhen. Es lässt sich also festhalten: Das Engagement von Banken für grüne Immobilien hat nicht allein etwas mit “guten Taten” zu tun. Vielmehr ist es Teil einer strategischen Notwendigkeit, welche im Interesse von Kunden, Mitarbeitern, Eigentümern und weiteren Stakeholdern liegt. Thorsten Schönenberger, Vorstandsmitglied der LBBW Landesbank Baden-Württemberg