Nachhaltigkeit

Günstiges Geld für „grüne“ Geschäfts­modelle

Nachhaltigkeitsaspekte müssen an vielen Stellen in das Bankgeschäft integriert werden. Nur so können Geschäftsmodelle auch langfristig erfolgreich sein.

Günstiges Geld für „grüne“ Geschäfts­modelle

Wie zukunftssicher ist ein Unternehmen? Diese Frage hängt immer stärker davon ab, wie nachhaltig das Geschäftsmodell aufgestellt ist. Denn Nachhaltigkeit wird für den wirtschaftlichen Erfolg zunehmend be­deutend; weil Mitarbeiter diese fordern, Kunden sie verlangen und Geldgeber sie zur Bedingung machen. Umso wichtiger ist es, unternehmerisches Handeln in Einklang zu bringen mit Klimaschutz, sozialer Verantwortung und den Erwartungen an eine gute Unternehmensführung – also mit den drei ESG-Dimensionen Environmental, Social und Governance. Wer diese Aspekte nicht berücksichtigt, setzt seine Zukunft aufs Spiel.

Sichtweise setzt sich durch

Diese Sichtweise hat sich auch am Finanzmarkt durchgesetzt. Schließlich gilt für Banken nichts anderes. Deshalb sind ESG-Aspekte mittlerweile fester Bestandteil u. a. bei der Risikobewertung eines Kunden. Je weniger resilient dessen Geschäftsmodell im ESG-Sinne er­scheint, desto höher ist das Risiko – und desto schwieriger beziehungsweise teurer wird die Kapitalbeschaffung. Erste Banken gehen bereits einen Schritt weiter: Statt allein Unternehmen oder Geschäftsaktivitäten mit hohem ESG-Risiko kritischer zu bewerten, belohnen sie nachhaltige Ansätze mit günstigeren Konditionen. So werden ESG-Aspekte nicht nur in die Kreditbewertung einbezogen, sondern auch in die Preisgestaltung von Finanzprodukten, etwa im Fremdwährungsgeschäft.

Wer besonders nachhaltig ist, den könnten Banken also vielleicht schon bald mit günstigerem Geld belohnen. Aber das Konzept ist auch für Kreditgeber nicht völlig frei von Risiken. Deshalb lohnt sich ein Blick auf die aktuelle Situation am Markt, auf die Hebel, die Geldhäuser bei der Kapitalvergabe berücksichtigen – und darauf, was sie beachten sollten, wenn sie ESG-Aspekte ihrer Unternehmerkunden einpreisen wollen.

Grundsätzlich gibt es für Banken zwei Sichtweisen auf das Thema Nachhaltigkeit: die Risiko-Sicht und die Impact-Sicht. Aus der Risiko-Sicht betrachten sie, wie ESG-Faktoren auf das Geschäftsmodell der Kunden wirken und somit deren Kreditwürdigkeit beeinflussen. Wer also beispielsweise Bauteile für Verbrennungsmotoren herstellt, ist gegenüber ESG-Faktoren exponierter als ein Unternehmen, das Brennstoffzellen produziert. Demnach ist gleichzeitig auch das Risiko der Bank beim Verbrenner-Zulieferer potenziell deutlich höher als beim Brennstoffzellenhersteller.

Konkrete Erwartungen

Bei der Risikobewertung spielen ESG-Faktoren also bereits eine Rolle. Hier haben Aufsichtsbehörden schon konkrete Erwartungen formuliert, so die Europäische Zentralbank (EZB) im Leitfaden zu Umwelt- und Klimarisiken der Banken. So sind diese be­reits angehalten, ESG-Risiken auch bei der Preisgestaltung zu be­rücksichtigen. Dies wird in der Praxis jedoch meist noch nicht gemacht. Ab­gesehen von ein paar wenigen Ausnahmen sind die Banken aktuell noch damit beschäftigt, die methodischen Grundlagen für die hierfür notwendige ESG-Risikobewertung zu legen.

Aus der Impact-Perspektive sieht die Situation etwas anders aus. Sie nimmt zwar auch das Portfolio in den Blick. Allerdings geht es hier darum, welche Auswirkungen Aktivitäten einer Bank auf Umwelt, Soziales und Unternehmensführung haben. Wenn sie beispielsweise Kredite an Unternehmen vergibt, die besonders viele Schadstoffe emittieren, ihre Angestellten schlecht behandeln oder gegen Menschenrechte verstoßen, ist das ein negativer Impact. Andererseits ist der Einfluss positiv, wenn die Bank nachhaltige Aktivitäten finanziert und damit auch indirekt zur Reduktion von Treibhausgasemissionen beiträgt.

Anders als bei der Risiko-Sicht gibt es beim Impact allerdings noch keine aufsichtsrechtlichen Anforderungen, um als Bank besonders gut dazustehen. Das hemmt das ESG-Engagement. Allerdings steigt auf der anderen Seite die Erwartung von Stakeholdern und Investoren, dass eine Bank ihre Bilanz „grünt“, also das Portfolio verschiebt: von aus ESG-Sicht kritischen oder weniger attraktiven Unternehmen oder Aktivitäten zu mehr nachhaltigen. Es gibt also für Banken durchaus einen Anreiz, möglichst viele „grüne“ Finanzierungen zu vergeben. Dabei ist die Preisgestaltung ein Weg, für diese Finanzierungen zu werben – etwa über einen Rabatt. Allerdings hat diese Variante auch einen Haken. Denn schließlich muss, wer die Marge halten will, den Preisnachlass anderweitig ausgleichen.

Schwierige Stelle

Genau an dieser Stelle ist das Ge­schäft aktuell noch schwierig. Das wird vor allem bei einem Blick auf die anderen Hebel deutlich, die den Preis maßgeblich mitbestimmen, wie die Refinanzierungskosten. Hier er­gibt sich für die zweckgebundene Re­finanzierung „grüner“ Aktiva, etwa über die Ausgabe von Green Bonds, bisher kein signifikanter Refinanzierungsvorteil für Banken. Sollte sich das perspektivisch ändern, womit viele Marktteilnehmer unter anderem wegen der steigenden Investorennachfrage rechnen, kann dieser Vorteilseffekt über das interne Transferpricing berücksichtigt werden – und würde zu einem geringeren Einstand auf der Aktivseite führen.

Zweiter Hebel sind die Eigenkapitalkosten. Auf sie haben die Banken keinen direkten Einfluss. Regulatoren überlegen aber, entweder „grüne“ Kredite durch eine verringerte Kapitalhinterlegung voranzutreiben oder eine Finanzierung „brauner“ Kredite durch eine erhöhte Kapitalhinterlegung unattraktiver zu machen. Diese Überlegung befinden sich allerdings noch im Diskussionsstadium. Mit kurzfristigen Veränderungen ist daher nicht zu rechnen.

Risikokosten beeinflussen

Abschließend noch ein Blick auf die Risikokosten. Sie ließen sich perspektivisch durch die Integration von ESG-Faktoren in die Risikobewertung beeinflussen. Weil die passenden Methoden dafür jedoch entwickelt werden müssen, findet diese Einflussnahme meist noch nicht statt.

Was als Stellhebel bleibt, sind Preisanpassungen über eine Reduktion der Marge. Diese Rabatte sind derzeit noch als Investment in die „grüne“ Bilanz einer Bank zu sehen. Denn: Noch ist nicht klar, inwieweit es sich lohnt, „grüne“ Kredite über den Preis zu incentivieren, wenn sich daraus keine Refinanzierungsvorteile oder sonstigen Kostenreduktionen ergeben. Die gute Nachricht: Auf diese Frage gibt es gleich mehrere hoffnungsvoll stimmende Antworten. Zum einen wird erwartet, dass die Kapitalkosten für Banken mit einer „grünen“ Bilanz sinken, weil auch In­vestoren aus der Erwartungshaltung ihrer Kunden heraus den An­spruch haben, ihre Portfolien zu „grünen“. Zum anderen ist ein günstiges Angebot für nachhaltige Kunden derzeit gut für die Reputation der Bank. Sie kann sich so als „grünes“ Haus positionieren, das die Transformation der Wirtschaft be­gleitet.

Große Chancen

Wie bei jedem Investment gibt es beim ESG-Pricing neben den Risiken also auch Chancen. So öffnen sich Banken etwa neue Märkte. Schließlich wandelt sich die Wirtschaft nicht allein in der Bestandsindustrie. Es geht um innovative Technologien, die häufig von jungen Unternehmen oder Start-ups kommen, die heute noch gar nicht im Fokus stehen. Neue Märkte erhöhen gleichzeitig das Vo­lumen der Bank, folglich wird auch das Portfolio breiter aufgestellt. Außerdem liefern diese Kunden weitere Informationen.

Gerade bei Nachhaltigkeit muss intensiv über langfristige Geschäftsmodelle diskutiert werden. Banken rücken so noch näher an ihre Kunden heran, wodurch sich Potenziale für Cross-Selling eröffnen: eine gute Möglichkeit, sich im Wettbewerb zu behaupten. So können Banken et­wa mit Nachhaltigkeits-Knowhow, guten Services oder innovativen Tools punkten. Der Preis ist dann nur ein Aspekt auf dem Weg zur „grünen“ Bank-Bilanz.