LEITARTIKEL

Gut aufgestellte Kreditgenossen

Mit welcher Aufstellung Jogi Löw die deutsche Fußballnationalelf am Sonntag in die "Euro 2016" starten lassen wird, wissen bisher allenfalls ein paar Insider. Kein Geheimnis ist dagegen die strategische Aufstellung der Finanzgruppe der Volksbanken...

Gut aufgestellte Kreditgenossen

Mit welcher Aufstellung Jogi Löw die deutsche Fußballnationalelf am Sonntag in die “Euro 2016” starten lassen wird, wissen bisher allenfalls ein paar Insider. Kein Geheimnis ist dagegen die strategische Aufstellung der Finanzgruppe der Volksbanken und Raiffeisenbanken im kreditwirtschaftlichen Wettbewerb. Uwe Fröhlich, der Präsident ihres Dachverbandes BVR, bezeichnet das Zusammenspiel der noch rund 1 000 selbständigen Ortsbanken, die seit Jahren auf beiden Seiten der Bilanz Marktanteile gewinnen, und der zentralen Dienstleister als im europäischen Vergleich hocheffizient und leistungsstark. Die bewährte Aufstellung werde den Verbund auch in die Zukunft tragen.Die Vorstandsvorsitzenden der Fusionspartner DZ Bank und WGZ Bank, Wolfgang Kirsch und Hans-Bernd Wolberg, sprechen in einem gemeinsamen Beitrag für diese Ausgabe der Bösen-Zeitung mit Blick auf die bald vereinigte Zentralbank sogar von einer “in der Bankenlandschaft einzigartigen Aufstellung: eine vollständig konsolidierte Struktur im Oberbau einschließlich der Produktanbieter auf Ebene der Verbundunternehmen” (vgl. Seite B 3).Das erfolgreich und weitgehend verletzungsfrei absolvierte Abschlusstraining in Form der Schaffung des einheitlichen IT-Dienstleisters Fiducia & GAD IT AG vor einem Jahr hat der kreditgenossenschaftlichen Mannschaft Mut gemacht, die ultimative Kräftebündelung der beiden verbliebenen Spitzeninstitute anzugehen. Bedenkt man dann noch, dass die ertrags- und kapitalstarke, gut 18 Millionen Mitglieder zählende Gruppe mit einem Verbundrating von “AA-” zu den am besten bewerteten Finanzadressen auf dem Kontinent gehört, haben wir es hier wohl mit einem Titelanwärter auf die Bankeneuropameisterschaft zu tun.Soweit die Erben von Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch es selbst in der Hand haben, machen sie also den Weg zu einer absolut wettbewerbs- und zukunftsfähigen Aufstellung frei. Ungetrübte Freude wird gleichwohl nicht aufkommen, wenn sich die Gruppe vom heutigen Mittwoch an in Berlin zum jährlichen Familientreffen, der Bankwirtschaftlichen Tagung, versammelt. Gerade die Volks- und Raiffeisenbanken, ihre Zentralinstitute (noch ist hier der Plural angesagt) und die Verbundunternehmen leben in einem Antagonismus zwischen einer zwar nicht gerade heilen, aber doch weitestgehend intakten Innenwelt und einer Außenwelt, die mindestens äußerst herausfordernd ist, vielen aber sogar als geradezu feindlich, weil potenziell zerstörerisch erscheint. “Disruption” ist hier das Schlagwort, das zwar in aller Regel im Kontext mit dem Megatrend Digitalisierung verwendet wird, das aber nicht weniger aktuell längst auch auf die dramatischen Folgen des bankhistorischen Einschnitts zutrifft, den externe Bedrohungen wie die aus dem Ruder gelaufene Regulierung und das Null- und Negativzinsregime der EZB markieren.Was die Zinspolitik angeht, spricht BVR-Präsident Fröhlich mit Recht von “Gift” für das Geschäftsmodell von Banken und Sparkassen, Versicherungen, Pensionsfonds und Stiftungen – Gift aber auch für unser aller Altersvorsorge. Die Regulierung geht derweil so weit, dass kleine und mittelständische Banken, die in keiner Weise unangenehm als Krisenverursacher aufgefallen sind, aber aufsichtlich allzu oft mit solchen in einen Topf geworfen werden, die Konsequenzen anscheinend nur noch mit beißender Ironie zu ertragen vermögen – lesenswert dazu der Beitrag von Eva Wunsch-Weber, der Chefin der Frankfurter Volksbank, ebenfalls in der heutigen Beilage “Volks- und Raiffeisenbanken”.Beide Tatbestände, das bizarre Zinsumfeld wie die ausschweifende Regulierung, bewirken, sich gegenseitig verstärkend, dass hierzulande bewährte und gesunde kreditwirtschaftliche Strukturen über den Haufen geworfen werden. Namentlich bei den Genossenschaftsbanken rollt die Fusionswelle wie selten zuvor, ohne dass die Zusammenschlüsse immer betriebswirtschaftlich oder aufgrund regionaler Marktgegebenheiten notwendig wären – sie sind hauptsächlich nullzins- und regulierungsgetrieben. Aus den gleichen Gründen gewinnt allmählich auch ein buchstäbliches Filialsterben, das lange vor allem als Phantom erschien, Evidenz. Dazu bedarf es nicht einmal der – ohnehin medial gehypten – Gefährdung durch die Fintechs. Vor einer Spezies Number 26, Lending Club & Co. muss eine Gruppe, deren mehr als 30 Millionen Kunden bisher immerhin rund 5 Millionen Mal die VR-Banking-App heruntergeladen haben, so wenig in Ehrfurcht erstarren wie Jogis Jungs vor der Ukraine, Polen und Nordirland – die richtige Aufstellung vorausgesetzt.——–Von Bernd WittkowskiGerade die Kreditgenossen leben in einem Antagonismus zwischen ihrer weithin intakten Innenwelt und einer potenziell zerstörerisch erscheinenden Außenwelt.——-