LEITARTIKEL

Gut gerüstet

Wenn sich an der malerischen Côte d'Azur im Jetset-Hotspot Monte Carlo am kommenden Wochenende die Rückversicherungsbranche zum traditionellen Stelldichein trifft, geht es vor allem um die Geschäfte der kommenden Vertragsrunden. Auf der Tagung...

Gut gerüstet

Wenn sich an der malerischen Côte d’Azur im Jetset-Hotspot Monte Carlo am kommenden Wochenende die Rückversicherungsbranche zum traditionellen Stelldichein trifft, geht es vor allem um die Geschäfte der kommenden Vertragsrunden. Auf der Tagung Rendez-vous de septembre, die bereits zum 63. Mal stattfinden, verschaffen sich Rückversicherungsanbieter und -kunden einen Überblick über die Kapazitäten, werden Preisentwicklungen abgeklopft und Vorverhandlungen getätigt.Die Branche befindet sich in einem robusten Zustand. Kapital ist reichlich vorhanden – auch in den Katastrophenjahren 2017 und 2018, als Hurrikans und kalifornische Waldbrände für eine hohe Schadenquote sorgten und die versicherten Schäden durch Naturkatastrophen den noch nie dagewesenen Wert von 219 Mrd. Dollar erreichten, kehrten die 20 größten Rückversicherer der Welt insgesamt noch jeweils 9 Mrd. Dollar an Dividenden und Aktienrückkäufen aus. Inzwischen steigt auch der Optimismus bei Unternehmen und Ratingagenturen, dass in diesem und im nächsten Jahr wieder einigermaßen ordentlich Geld verdient werden kann. Denn im Preiszyklus des Rückversicherungsmarkts scheint der Abwärtstrend der vergangenen Jahre passé. Die hohen Schäden haben Preiserhöhungen möglich gemacht. Der Trend wird nach Ansicht von Beobachtern anhalten.Doch nicht nur kurzfristig sieht es gut aus für die Rückversicherer. Anders als die Erstversicherer müssen sie nicht fürchten, dass sich Internetgiganten wie Amazon oder Google an der Kundenschnittstelle breitmachen und einen Teil des Gewinns für sich abschöpfen. Ganz im Gegenteil: Im Rückversicherungsmarkt dürften die Markteintrittsbarrieren eher noch höher werden. Denn die unbestreitbar vielen Herausforderungen, mit denen sich die Branche konfrontiert sieht, werden wohl dafür sorgen, dass Expertise im Risikomanagement gefragter ist denn je. Denn hier haben die etablierten Rückversicherer bereits einen riesigen Vorsprung vor etwaigen neuen Wettbewerbern.Gefragt ist das richtige Maß: So sind Cyberversicherungen Chance und Gefahr gleichermaßen. Für die Rückversicherer eröffnet sich ein großes neues Geschäftsfeld, das allerdings durch Kumulrisiken und fehlende Erfahrungen und Schadenhistorie bei fahrlässiger Herangehensweise toxisch werden könnte. Doch danach sieht es nicht aus. Analysten attestieren dem Rückversicherungsmarkt ein vorsichtiges Herantasten. Übermut ist tatsächlich nicht angesagt. Auch der Klimawandel bietet neben Risiken Geschäftschancen. Mit der zunehmenden Häufigkeit und Intensität von Extremwetterereignissen dürfte die Nachfrage nach Katastrophendeckungen steigen. Ohnehin ist die Deckungslücke noch groß: Der wirtschaftliche Schaden durch Naturkatastrophen in der Regel signifikant höher als der versicherte.Angesichts der Rasanz des klimatischen Wandels und den schnellen Entwicklungen in der Cyberwelt gilt jedoch: Die Rückversicherer werden ihre Kalkulationsmodelle in Zukunft schneller und häufiger anpassen müssen. Der Datenanalyse kommt eine noch bedeutsamere Rolle als in der Vergangenheit zu. Doch diese Aufgaben scheinen für eine Branche, deren Kerngeschäft die Risikomodellierung ist, zu bewältigen zu sein. Denn die Datenbasis wird durch die fortschreitende Digitalisierung immer detaillierter und genauer.Auch Investoren zeigen Zuversicht. Der Kurs der Munich Re, der größte Schadenrückversicherer der Welt, hat im Juli ein 16-Jahres-Hoch erreicht. Die Aktie der Hannover Rück, die weltweit an Position drei vorgerückt ist, erreichte vor wenigen Tagen sogar ein Allzeithoch.——Von Antje KullrichDie Rückversicherer gewinnen mit höheren Preisen derzeit wieder an Ertragskraft. Auch langfristig spricht einiges für die Branche.——