Gute Perspektiven für den Werkstoff Aluminium

Wachsender Bedarf wird besonders durch anziehende Produktion von Primäraluminium in Asien gedeckt - Für Europa gibt es Chancen im Recycling

Gute Perspektiven für den Werkstoff Aluminium

Für die globale Aluminiumindustrie ergeben sich mittel- und langfristig neue Wachstumsperspektiven. Vor allem einige Schwellenländer werden an Bedeutung gewinnen. Demgegenüber sind die konjunkturellen Aussichten für die führenden Industrienationen eher verhalten.Die aktuelle weltwirtschaftliche Lage wird von einigen geopolitischen Krisen belastet. Insbesondere im Nahen Osten dürfte es so schnell nicht zu einer Beruhigung kommen. Der Brexit drückt die Stimmung in Europa, dürfte jedoch die britische Wirtschaft am stärksten treffen. Noch nicht eingeschätzt werden kann die weitere Entwicklung in der Türkei als Bindeglied zwischen Europa und dem Nahen Osten. Es dürfte hier jedoch vor allem zu einem Einbruch bei den ausländischen Direktinvestitionen und einer Schwächung der türkischen Wirtschaftsleistung kommen. Trend zum LeichtbauDie chinesische Wirtschaft wird zwar in den nächsten Jahren einen moderateren Wachstumspfad erfahren, aber dennoch am Ende der nächsten Dekade die mit Abstand führende Wirtschaftsnation sein. Der Aufholprozess in Indien dürfte sich fortsetzen. Der Ausblick für andere Schwellenländer wie Brasilien und Russland ist hingegen wegen politischer Entwicklungen und einer hohen Rohstoffabhängigkeit weniger überzeugend. Für Europa wie auch die USA stellt der aktuell relativ niedrige Ölpreis hingegen ein Konjunkturprogramm für den privaten Konsum dar. Daraus resultieren indirekt positive Impulse für die Nachfrage nach Aluminium.Die Aluminiumindustrie erhält wichtige Nachfrageimpulse von der Automobilindustrie. Denn steigende Anforderungen an Energieeffizienz und schärfere Abgasnormen verstärken den Trend zum Leichtbau. Großer Verlierer im Wandel des Werkstoffeinsatzes ist der konventionelle Stahl. Zukünftig entfallen nur noch rund ein Fünftel der insgesamt für die Autokarosserie eingesetzten Werkstoffe auf konventionellen Stahl und weitere 20 % auf hochfeste Stähle. Kunststoffe und Composites (einschließlich Karbonfasern) halten ebenfalls ein Fünftel, während Aluminium und Magnesium erheblich an Bedeutung gewinnen und einen Anteil von 40 % erreichen dürften.Die IKB erwartet, dass die weltweite Produktion von Light Vehicles, also von Pkw und Kleintransportern bis 2,8 t, im Jahr 2022 auf rund 106 Millionen Stück steigen wird. Ein Großteil des Kapazitätsausbaus findet in Asien statt. China dürfte um das Jahr 2020 erstmals die Produktionsmarke von rund 30 Millionen Light Vehicles überschreiten. Dagegen sind Japan und Südkorea zusammengenommen die einzige Region, die absolut gesehen einen Produktionsrückgang verzeichnen dürfte: Beide Länder verlieren direkt an China. Im übrigen Asien sieht die IKB starke Zuwächse.Der Anstieg in Nordamerika ist vor allem auch den Investitionen ausländischer Original Equipment Manufacturer in der Region geschuldet, wobei Mexiko stark an Bedeutung gewinnt. Dagegen startet Lateinamerika nicht richtig durch. In Europa erhöht Deutschland seine Marktanteile, zudem beleben sich die osteuropäischen Produktionsstandorte. Parallel dazu wächst der Markt für Lkw auf gut 3,6 Millionen Stück.Die IKB geht davon aus, dass der durchschnittliche Einsatz von Aluminium in Light Vehicles um 20 kg auf wenigstens 165 kg im Jahr 2018 anzieht. Im Vergleich zu 2014 nimmt die Fahrzeugproduktion bis dahin um 15 Millionen Stück zu. Allein diese Zusatzproduktion erfordert den Einsatz von zusätzlich rund 2,1 Mill. t Aluminium. Der höhere Durchschnittssatz von 20 kg lässt den Bedarf um nochmals 2 Mill. t anziehen, so dass der Gesamtbedarf der globalen Automobilindustrie an Aluminium um gut 4 Mill. t steigt. Ein Teil dieser zusätzlichen Menge entfällt auf Gussprodukte. Zunehmend dürften auch Strukturbauteile in Aluminiumguss gefertigt werden.Auch die Bauindustrie gibt Impulse. So nimmt die Anzahl der Baubeginne in den USA zu. Vor allem der asiatische Markt hat Nachholbedarf. Heute lebt noch rund die Hälfte der chinesischen Bevölkerung in ländlichen Regionen, während zum Vergleich in Deutschland gut 80 % der Bevölkerung in Städten leben. Während der nächsten zehn Jahre ist deshalb in Asien mit weiteren Wanderungsbewegungen in städtische Regionen zu rechnen. Dies generiert eine entsprechende Wohnraumnachfrage.Auch der Bausektor in der Europäischen Union dürfte sich wieder beleben. Die osteuropäischen EU-Mitglieder werden im Vergleich zu den westeuropäischen Ländern ein deutlich stärkeres Wachstum zeigen. Innerhalb Westeuropas scheint die spanische Bauindustrie nach dem starken Einbruch der letzten Jahre eine ganz leichte Erholung zu verzeichnen. Auch in Deutschland belebt sich vor allem in Ballungszentren der Wohnungsbau.Zusätzlich nimmt die Nachfrage im Flugzeugbau zu. Hier substituiert Aluminium ebenfalls andere Werkstoffe. In den nächsten 20 Jahren erwarten Airbus und Boeing übereinstimmend eine Produktion von rund 31 000 bis 32 000 Passagierflugzeugen, einen Anstieg der Frachtflotte sowie auch der militärischen Flugkörper (inklusive Drohnen).Die Belebung des Maschinenbaus sowie der Elektrotechnik lässt ebenfalls die Nachfrage nach Aluminium anziehen. Im Verpackungssektor kompensieren die steigende Verstädterung und der Trend zu Convenience-Produkten sowie kleineren Haushaltsgrößen die Nachfrageverluste an Kunststoffen. In der Pharmaproduktion dagegen profitiert Aluminium vom Trend zu “Single-Blister Drugs”, also einzeln verpackten Medikamentengaben. China und die GolfregionAngesichts der positiven Nachfrageimpulse für Aluminium stellt sich die Frage, wo die Produktion erfolgen wird. China hat in der globalen Primäraluminiumproduktion innerhalb der letzten 15 Jahre kräftig zugelegt: Die Hüttenaluminiumproduktion expandierte von nur 4,3 Mill. t im Jahr 2002 auf knapp 31,7 Mill. t im Jahr 2015 (siehe Grafik). Daneben hat die Golfregion an Bedeutung gewonnen. Wurden dort 2010 gut 2,7 Mill. t Aluminium erzeugt, waren es 2015 bereits über 5,1 Mill. t. Die Region profitiert von den niedrigen Energiekosten. Die Produktion erfolgt zum Teil mit Hilfe von bisher “abgefackeltem Gas”. Zudem können sowohl der europäische wie auch der asiatische Markt logistisch sehr gut bedient werden. Weltweit hat sich die Primäraluminiumproduktion zwischen 2002 und 2015 fast verdoppelt.Demgegenüber hat die Produktion von Recycling-Aluminium nur geringfügig zugelegt. Sie expandierte von knapp 8 Mill. t auf gut 10,3 Mill. t im Jahr 2014. Trotz kleinerer Stilllegungen hat Europa seine Produktionsmenge gehalten, Amerika konnte seine Kapazitäten kräftig ausweiten. China trägt nun rund 2 Mill. t zur globalen Recycling-Aluminiumproduktion bei. Mittelfristig hat Europa bei der Recycling-Aluminiumproduktion aufgrund des niedrigeren spezifischen Energieverbrauchs – dieser liegt bei nur 5 % des Energieverbrauchs von Primäraluminium – sowie der guten Schrottverfügbarkeit etwa im Vergleich zu China erheblich bessere Zukunftschancen.Konsequenterweise erfolgen entsprechende Großinvestitionen in Deutschland, etwa in Nachterstedt und Bernburg, nicht zu vergessen die Ausbaupläne am Standort Neuss. Aber auch in anderen Regionen der Welt sind neue Großprojekte angekündigt. Dies dürfte mittelfristig den Mix zwischen Primär- und Recycling-Aluminium leicht in Richtung Recycling-Aluminium verschieben.Insgesamt bestehen sehr gute Perspektiven für den Werkstoff Aluminium. Der zunehmende Bedarf wird vor allem durch eine anziehende Produktion von Primäraluminium in Asien gedeckt, während für Europa Chancen im Recycling bestehen.—Heinz-Jürgen Büchner Managing Director Industrials, Automotive &Services bei der IKB Deutschen Industriebank AG