Gute Startposition für künftige Herausforderungen

Chancen für eine erfolgreiche Bewältigung des Wandels in Bayern sind insgesamt vielversprechend

Gute Startposition für künftige Herausforderungen

Der Freistaat Bayern ist mit einem Anteil von rund 19 % des deutschen Staatsgebiets nicht nur das größte Flächenland der Bundesrepublik. Mit rund 13 Millionen Einwohnern (rund 15 %) ist er auch das zweitbevölkerungsreichste Bundesland. Zusätzlich verzeichnete der Freistaat in den vergangenen Jahren eine konstante Zuwanderung. Der Beitrag des Bundeslandes zur Wirtschaftsleistung ist überproportional hoch. Im Jahr 2018 steuerte Bayern 18,5 % zum deutschen Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei. Dabei ist der Anteil der Wertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe höher als im deutschen Durchschnitt, während dem Dienstleistungssektor im Vergleich etwas weniger Bedeutung zukommt.So weit, so bekannt. Doch in letzter Zeit wird diese Wirtschaftsstruktur herausfordernder für Bayern. Zwar ist der Exportanteil mit knapp 31 % am BIP geringer als für Deutschland insgesamt. Die Ausfuhren gehen aber vor allem in Länder, die zwar lange Zeit für einen dynamischen Absatz gesorgt haben, aber zuletzt nicht gerade als Hort der wirtschaftspolitischen Stabilität Schlagzeilen machten. Die USA nehmen in Bayern wie auch in Deutschland den Spitzenplatz der Exportdestinationen ein. Im Freistaat fällt die Bedeutung allerdings mit 4,9 % gemessen am BIP noch höher als in der Bundesrepublik (3,4 %) aus.Gleiches gilt für die Ausfuhren nach China, die mit 3,1 % am bayerischen BIP ein für Bayern wichtigerer Absatzmarkt sind als für Deutschland (2,8 %) insgesamt. Addiert man noch die Ausfuhren nach Großbritannien hinzu, sind Exporte im Umfang von etwa 10 % des bayerischen BIP stark von wirtschaftspolitischer Unsicherheit beziehungsweise schwächerer Konjunkturentwicklung aufgrund von Handelshemmnissen betroffen (im Vergleich zu Deutschland mit 8,5 %). Erwähnenswert ist auch, dass die bayerischen Ausfuhren in alle diese Regionen besonders von einem Sektor dominiert werden: der Automobilbranche. Über 43 % aller bayerischen Exporte nach Großbritannien gehen hierauf zurück. Auch beim Handel mit den USA und China machen Automobilexporte jeweils mehr als 30 % der Lieferungen aus. Die Probleme der Branche schlagen daher im Bundeslandvergleich im Freistaat stärker zu Buche als anderswo. Am wachstumsstärkstenSomit ist zu diagnostizieren, dass die Wirtschafts- und Exportstruktur in den vergangenen zehn Jahren meist für positive Impulse in Bayern gesorgt hat. Auch deswegen konnte Bayern oftmals eine Wachstumsrate oberhalb der Rate Deutschlands ausweisen und ist in der Betrachtung der zurückliegenden zehn Jahre mit Abstand das wachstumsstärkste Bundesland. Der Arbeitsmarkt zeigt daher aktuell nicht ohne Grund Vollbeschäftigung an. 2020 dürfte der strukturelle Vorteil der Wirtschaft im Freistaat aber kleiner werden, angesichts der geopolitischen Unsicherheiten und nicht zuletzt den deutlichen Bremsspuren, die die Corona-Epidemie kurzfristig in der globalen Konjunktur hinterlassen wird.Doch wie schaut es für die mittelfristige Zukunft aus? Wie steht es um die Fähigkeit der bayerischen Wirtschaft, sich an ändernde Rahmenbedingungen anzupassen? BayernLB Research hat schon vor einigen Jahren Megatrends identifiziert, die die mittelfristige Entwicklung von Wirtschaft und Finanzmärkten maßgeblich bestimmen werden. Unter diesen Megatrends hat zuletzt vor allem der Energie- und Klimawandel in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten an Bedeutung gewonnen. Erneut steht Bayern dabei aufgrund seiner speziellen Wirtschaftsstruktur vor etwas anderen Herausforderungen als die Wirtschaft in Deutschland insgesamt.Bereits heute ist der CO2-Ausstoß pro Kopf in Bayern mit rund 6 Tonnen pro Jahr deutlich niedriger als im deutschen und europäischen Vergleich. Grund hierfür ist vor allem der relativ hohe Anteil an Atomstrom und regenerativen Energien an der Stromerzeugung. In Bayern entsteht über die Hälfte des wasserkraftgenerierten Stroms in Deutschland, da das natürliche Potenzial aufgrund der Nähe zu den Alpen im Vergleich zu den meisten anderen Bundesländern deutlich größer ist. Während in Deutschland erneuerbare Energien 2017 nur etwa ein Drittel der Stromerzeugung ausgemacht haben, waren es in Bayern 44,1 %. Da bis 2022 das Ende der Stromeinspeisung der Atomkraftwerke in Bayern geplant ist, steht aber ein spürbarer weiterer Ausbau der regenerativen Energieerzeugung in den Bereichen Wind, Sonne, Wasser und Biomasse an. Bayern hat diesbezüglich bereits, im Einklang mit der EU und der Bundesrepublik, eigene ambitionierte Klimaschutzziele definiert und erste Maßnahmen auf den Weg gebracht, um diese Klimaziele zu erfüllen.Der hohe Anteil der Wertschöpfung in der Industrie ist bezüglich des Klimawandels für Bayern weniger problematisch, denn nur etwa 3 % aller Treibhausgase fallen direkt bei Produktionsvorgängen im verarbeitenden Gewerbe an. Kaum einem Sektor wird aber mehr mediale Aufmerksamkeit zuteil als dem Verkehr, wenn es um Grenzwerte und Klimaziele geht. Mit etwa 17,9 % aller Emissionen ist der Straßenverkehr auch tatsächlich ein wichtiger Teil der Wirtschaft, wenn es um den Klimaschutz geht. Darunter ist der Personenverkehr für etwa drei Viertel, der Warentransport für das restliche Viertel der Emissionen verantwortlich.Der hohe Anteil der Automobilindustrie am Umsatz der bayerischen Industrie (32,5 %) und als Arbeitgeber in Bayern (ca. 241 000 Beschäftigte) deutet an, dass die Auswirkungen im Freistaat auch auf dem Arbeitsmarkt potenziell stark ausfallen können, je nach dem wie erfolgreich die Automobilindustrie die Herausforderungen des Klimawandels und des Wechsels in Richtung CO2-neutraler Mobilität, die sich zunächst auf den Elektroantrieb konzentrieren dürfte, bewältigt. Anfang 2019 lag der Anteil reiner Elektroautos unter den zugelassenen Pkw in Deutschland nur bei 0,18 %. Die in Bayern beheimateten Automarken konnten zwar zuletzt ihre Anteile bei den Neuzulassungen von E-Autos vergrößern, sind aber von ihrer starken Position in den klassischen Antriebstechniken, zumindest was die Zulassungszahlen angeht, noch weit entfernt.Kurzfristig gestaltet sich der konjunkturelle Ausblick für die gesamte Bundesrepublik und so auch für Bayern zunächst angesichts der globalen Rahmenbedingungen trüb. Insbesondere die erste Jahreshälfte 2020 dürfte, auch aufgrund der globalen Auswirkungen des Coronavirus, konjunkturell äußerst schwach ausfallen, und zwei deutlich negative Wachstumsquartale in Folge sind zu erwarten. Sofern die Epidemie zeitlich begrenzt ausfällt, dürften im weiteren Jahresverlauf für Deutschland wieder positive Wachstumsraten unter dem Strich stehen. Zwar können längst nicht alle BIP-Verluste während der Corona-Epidemie nachträglich aufgeholt werden (beispielsweise werden kalendarische Feste oder Restaurantbesuche kaum zu späteren Daten nachgeholt). Die Stabilisierungsreaktionen auf fiskalischer Seite und die nochmals günstigeren Rahmenbedingungen der Geldpolitik dürften aber doch für einen moderaten Rückpralleffekt sorgen, da diese konjunkturellen Notfallmaßnahmen üblicherweise länger wirken als der auslösende Bremsfaktor. Doch auch im Jahresdurchschnitt dürfte ein deutlicher Rückgang der Wirtschaftsleistung 2020 nicht zu verhindern sein.In Bayern erwarten wir 2020 unter dem Strich eine ähnliche (schwache) Entwicklung der Wirtschaft. Neben den ausgeprägten konjunkturellen Corona-Folgen steht zudem die Drohung der USA, Automobilzölle einzuführen nach wie vor im Raum, und einen tatsächlichen Beschluss als Drohkulisse für weitere Verhandlungen halten wir für realistisch. Damit dürfte die Unsicherheit im für Bayern wichtigen Sektor des Fahrzeugbaus weiter hoch bleiben. Und auch im für den Freistaat ebenfalls sehr wichtigen Wirtschaftszweig des Maschinenbaus ist kurzfristig kaum mit einer nennenswert steigenden globalen Nachfrage zu rechnen. Die weltweite Wachstumsschwäche seit vorigem Jahr hat zu einem gesunkenen Auslastungsgrad der Weltwirtschaft geführt, und Erweiterungsinvestitionen sind, insbesondere angesichts der konjunkturellen Bremswirkungen der Corona-Epidemie, aktuell weniger nötig.Neben hohen Herausforderungen bietet allerdings die Realisierung des Energiewandels auch Wachstumspotenzial. Sofern es gelingt, im Bereich “Ökologisierung” von Wirtschaft und Gesellschaft eine führende Position zu erarbeiten, dürfte dies künftig zu hohen Investitionen in den Standort und hohem Wachstum mit gesicherter Beschäftigung führen. Angesichts der hohen Dichte an Technologieunternehmen, des deutschlandweit zweithöchsten Anteils der Beschäftigten in Forschung und Entwicklung sowie der jährlich höchsten Anzahl an Patentanmeldungen aller Bundesländer stehen die Chancen für eine erfolgreiche Bewältigung des Wandels in Bayern insgesamt sehr gut. Stefan Kipar, Leiter Volkswirtschaft bei BayernLB Research