GASTBEITRAG

Herausforderung Energieinvestment

Michael Bret, Leiter Thematic Research bei Axa IM, sieht Anlagechancen, aber auch Risiken für langfristig orientierte Anleger

Herausforderung Energieinvestment

Energie ist als unverzichtbarer Treibstoff für die Wirtschaft ein Kernthema für Anleger. Doch den großen Chancen des Investmentthemas stehen auch Risiken gegenüber, die gerade langfristig orientierte Anleger beachten müssen. Energieinvestments sind vor allem drei Arten von Risiken ausgesetzt: unzureichende Infrastruktur, ungeeignete Technolo-gien und unflexible Geschäftsmodelle. Die Infrastruktur wird vor allem zum Risiko, wenn sie nicht die Versorgung bestehender und potenzieller Kunden sicherstellt. Technologie wird dann zum Problem, wenn Innovation ungleichmäßig verteilt ist, also Neuerungen in einem Teil der Wertschöpfungskette nicht entsprechende Neuerungen in anderen Teilen gegenüberstehen. Geschäftsmodelle stellen ihrerseits ein Risiko dar, wenn sie außerstande sind, sich dem Wandel am Markt, aufsichtsrechtlichen Veränderungen, unterschiedlichen Vertragslaufzeiten und Nachfrageschwankungen anzupassen. Zusätzlich können Umweltbedingungen den Markt schneller als erwartet beeinflussen.Aufgrund der Größe des weltweiten Energiemarktes haben sogar geringfügige Änderungen bereits weitreichende Folgen. Die Energiepreise sind volatil, doch Marktblasen sind nicht leicht zu erkennen. Dies ist mit enormen Konsequenzen für Investitionen verbunden. Risiken gehen jedoch nicht nur von Erzeugern und Verbrauchern aus. Aufgrund politischer und geopolitischer Risiken wird Liefersicherheit immer wichtiger, häufig aber auch zunehmend schwerer erreichbar. Steuer- und Subventionssysteme überlagern zudem Preissignale. Ferner können diese finanziellen Anreize zur Blasenbildung führen, wie es beispielsweise bei Solarzellen der Fall war. Die Vielfalt der Risikofaktoren zeigt: Investoren können nur dann tragfähig in den Energiebereich investieren, wenn sie eine sorgfältige Auswahl der einzelnen Anlagebestandteile treffen.Zwar ist der gesamte Energiemarkt den eingangs benannten Risiken prinzipiell ausgesetzt. Dennoch lassen sich bei einer genauen Betrachtung der verschiedenen Energiearten Gewinner und Verlierer identifizieren. So bleiben fossile Brennstoffe vorerst eine attraktive Anlage. Sie werden auch noch dominieren, wenn bereits Alternativen zur Verfügung stehen. Der sogenannte “Peak Oil”, also das globale Ölfördermaximum, ist letztlich irrelevant – die entscheidenden Faktoren sind die lange Phase inelastischer Ölproduktion sowie Preisvolatilität. Das Erdölgeschäft hat heute ein Niveau erreicht, bei dem die Produktion nicht unversehens einbricht, sondern höchstens allmählich zurückgeht. Dennoch ist mit erheblichen Preisschwankungen zu rechnen. Neue Technologien wie nichtkonventionelles Öl, Biodiesel und vollelektrische Fahrzeuge haben vorläufig keinen großen Einfluss: Diese Alternativen haben noch nicht die erforderliche Größenordnung erreicht und sind bislang zu kapitalintensiv.Durch die Schiefergasrevolution in den USA hat sich der Energiemix zwar definitiv gewandelt. Dennoch ist – trotz aller technischen Fortschritte – nicht abzusehen, dass dies eine neue Ära preiswerter fossiler Brennstoffe einläuten wird. Die Erschließung und Förderung von Schiefergas, Schieferöl und Flüssigerdgas in schneller Folge ist also nur ein schwacher Trost und führt gleichzeitig vor Augen, dass die Preise seit langem auf hohem Niveau verharren und das weltweite Angebot unelastisch geworden ist. Die Vorkommen mögen immens sein, doch das eigentliche Problem ist ihre Erschließbarkeit. Nur ein Bruchteil kann zu vertretbaren Kosten extrahiert werden.Kohle hat im vergangenen Jahrzehnt die höchsten Zuwächse bei Angebot und Nachfrage erlebt und ist damit ein klarer Gewinner. Doch der nunmehr globalisierte Markt ist keine Garantie, dass das Angebot an preiswerter Kohle anhalten wird. Noch steigt die Zahl der Förderquellen, doch die Qualität der Vorkommen nimmt bereits ab. Auf lange Sicht stellt dies ein erhebliches Risiko dar.Bei den erneuerbaren Energien gibt es bereits innovative Lösungen, die im Wettbewerbsumfeld mithalten können, so beispielsweise Solar-Heizanlagen, Windkraft und Kleinwasserkraftwerke. Dennoch bestehen weiterhin Investmentbarrieren informationeller, politischer und praktischer Natur, die den kommerziellen Erfolg behindern. Ferner verhindert Marktversagen die Abstimmung zwischen einander ergänzenden Geschäftszweigen. Hinzu kommt, dass es im Bereich der erneuerbaren Energien an ausreichend geschulten Fachkräften fehlt. Energiekonzerne könnten sich dank ihrer globalen Präsenz als Vorreiter positionieren, indem sie das Innovationstempo vorantreiben und ihre Kapazitäten ausbauen. Innovative Lösungen bieten mehr Wert, wenn sie in ein umfassendes Leistungsangebot eingebettet sind. Doch da erneuerbare Energien noch nicht als strategische Wachstumstreiber gelten, schreiten Forschung und Entwicklung eher zäh voran – Synergien werden häufig nicht genutzt. Zahlreiche Großkonzerne im Energiebereich gehen bei der Finanzierung ihrer Maßnahmen in Forschung und Entwicklung tenden-ziell nach dem “Stop-and-Go”-Prinzip vor. Demgegenüber sind vor allem kleinere Unternehmen effiziente Innovatoren. Strategische Investoren sollten daher vor allem in diejenigen Unternehmen investieren, deren Herzstück erneuerbare Energien sind. Diese kleineren und stärker spezialisierten Unternehmen bieten die besten Chancen. Florieren sie, so werden sie in der Regel zu einem Aufpreis übernommen.Aufgrund des wachsenden Energiebedarfs und zunehmender Verstädterung ist der Bedarf an Infrastrukturinvestitionen enorm. Dennoch sind gute Investmentgelegenheiten selten. Die Risiken sind hoch und manche Strategieentscheidung erweist sich als ungeeignet, um mit dem sich wandelnden Bedarf mitzuhalten. Die Folgen: eine unerwartet kurze wirtschaftliche Lebensdauer und negative Auswirkungen auf das Wachstumspotenzial der Region. Für Investoren sind vor allem Projekte mit vielseitigen technischen Lösungen interessant, bei denen der aufsichtsrechtliche Rahmen Spielraum für kommerzielle Experimente lässt, transparente Regeln für Netzanbindung vorherrschen und die Verfügbarkeit technischen Know-hows für die verteilte Stromerzeugung gewährleistet ist. Trotz aller Herausforderungen in diesem Bereich: Energie ist und bleibt ein zentrales Investmentthema, dem langfristig orientierte Investoren sich nicht verschließen können. Zwar ist das Thema Energieverknappung in letzter Zeit in den Hintergrund gerückt, da mit der Konjunkturabkühlung in der entwickelten Welt auch der Druck auf die Ressourcen gesunken ist. Dabei wird es jedoch nicht bleiben: Das Wachstum wird sich zurückmelden und mit dem steigendenden Energiebedarf die Ertragsaussichten der entsprechenden Investments.