Herausforderungen und Trends im Assetmanagement

Schwieriges Kapitalmarktumfeld und verschärfte Transparenzanforderungen erhöhen Preisdruck - Mehrertrag aus aktivem Management gewinnt an Bedeutung

Herausforderungen und Trends im Assetmanagement

In den vergangenen zehn Jahren haben sich die Rahmenbedingungen für private und institutionelle Investoren sowie für Assetmanager massiv verändert. Inzwischen besteht eine deutliche Diskrepanz zwischen den möglichen Renditen verschiedenster Anlagekategorien und den Investmentzielen nahezu aller Anleger. Gleichzeitig führten die Finanzmarktkrise und das daraus folgende Ausmaß an regulatorischen Maßnahmen sowie starke Verzerrungen auf der Kapitalmarktseite zu einem massiven Druck auf die Margen der Investmentgesellschaften. In der Folge müssen Preismodelle, Produktangebote und Investmentstrategien auf den Prüfstand gestellt werden. Anleiherenditen sinkenNeben dem Anstieg der Kosten gerät durch das zunehmend schwierigere Kapitalmarktumfeld auch die Ertragsseite der Assetmanager unter Druck. Bei Anleihen, dem in Deutschland noch immer mit Abstand gewichtigstem Anlagesegment, liegen die erzielbaren Renditen deutlich unter den früheren Werten. Das hat entsprechende Auswirkungen auf die möglichen Konditionen von aktiv gemanagten Rentenfonds. Weiteren Druck auf die Margen verursachen die zunehmende Nachfrage nach passiven Anlagestrategien und -produkten sowie der anhaltend starke Wettbewerbsdruck durch ausländische Anbieter. Anleger preisbewussterWeiter angeheizt wird der Preisdruck durch die verschärften Transparenzanforderungen. In Verbindung mit gesunkenen Renditepotenzialen führt das dazu, dass das Preisbewusstsein der Anleger steigt und die Sensibilität für Performance im Verhältnis zu den Kosten weiter zunimmt. Nicht zuletzt deshalb haben sich bereits heute die Preismodelle in Richtung einer spürbaren Zunahme erfolgsabhängiger Vergütungskomponenten verschoben.Um diesen Herausforderungen begegnen zu können, haben viele Assetmanager ihre Produktionsplattformen auf die Qualität ihrer Investmentprozesse und das Heben von Effizienzen und Synergien überprüft. Die Folge sind empfindliche Anpassungen wie die Bündelung von Kompetenzen sowie die Einführung von Konzepten zur Automatisierung und Robotisierung. Im Niedrigzins-DilemmaInvestoren stehen nach wie vor insbesondere durch die niedrigen Zinsen vor einem Dilemma. Der risikolose Zins befindet sich in immer noch vielen Volkswirtschaften nahe der Null-Linie oder sogar darunter. Dieser Situation stehen vor allem eher konservativ ausgerichtete Anleger hilflos gegenüber. Zu ihnen zählen Versicherungsgesellschaften und Pensionskassen, die ihren Garantiezins erwirtschaften müssen, um künftige Auszahlungen sicherzustellen. Dazu gehören außerdem Verbände und Stiftungen, die dem Verbands- und Stiftungszweck mit jährlichen Zuwendungen Rechnung tragen müssen. Betroffen sind aber auch private Anleger, die einen stetigen Ertrag zur Lebenshaltung bei gleichzeitigem Kapitalerhalt erzielen oder die ein Fundament für die private Altersvorsorge legen möchten. Risiken verschieben sichVerschärft wird diese Situation dadurch, dass – viele Jahre nach der Erschütterung der Märkte durch die Finanzmarktkrise – die Normalisierungstendenzen in Verbindung mit den aggressiven Eingriffen der Notenbanken weltweit dazu geführt haben, dass nahezu alle realen Anlageklassen, beispielsweise Aktien und Immobilien, inzwischen beträchtliche Bewertungsniveaus erreicht haben. Nach vorne blickend bedeutet dies, dass die zu erwartenden Renditen über das gesamte Band der verfügbaren Anlageklassen tiefer liegen werden als in der Vergangenheit. Die Konsequenz ist eine komplette Verschiebung der Effizienzlinie nach unten. Gleichzeitig findet eine Verschiebung des Risikos von festverzinslichen Anleihen zu risikoanfälligeren Anlageklassen statt. Alpha-Komponente wichtigerFür die Anleger bedeutet das, dass sie keine Chance haben, ihr selbst gestecktes Anlageziel zu erreichen, wenn sie ihrer bisherigen Risikotragfähigkeit treu bleiben. Ging es zu Finanzmarktkrisenzeiten in allererster Linie um das Managen von Risiken, geht es im aktuellen Zyklus eher um das Managen einer Situation von nicht mehr in ausreichendem Umfang vorhandenen Chancen.Im Assetmanagement wird die Qualitätskomponente im Lichte der beschriebenen Entwicklungen immer wichtiger. Durch die geringeren Renditepotenziale bei nahezu gleichbleibenden Investmentzielen kommt der so genannten Alpha-Komponente eine immer größere Bedeutung zu. War Alpha, der Mehrertrag aus dem aktiven Management, in der Vergangenheit eher ein Zusatzbaustein, ist es in der heutigen Welt durch die Limitierung des Betas, der Marktkomponente, als gleichgewichteter Performancebestandteil von enormer Wichtigkeit. Das hat entsprechende Auswirkungen auf die Qualitätsanforderung bei den Investmentprozessen. Dabei kann Alpha über verschiedene Stufen generiert werden: Auf Allokationsebene kommt der taktischen Ausnutzung der vorgegebenen Bandbreiten eine große Bedeutung zu. Gleiches gilt für die jeweilige Produkt- und Einzeltitelauswahl, das so genannte Selektions-Alpha. Einen weiteren Nutzen bieten derivative Strukturen. Aufteilung unverzichtbarDurch diese Vierteilung in Struktur, Taktik, Selektion und Overlay sollten auch trotz der tieferen strategischen Performancepotenziale akzeptable Renditeergebnisse möglich sein. Insbesondere die Multi-Asset-Welt liefert hier eine Vielzahl von Ausprägungen, von strategischen benchmarkorientierten Konzepten über taktisch-opportunistische Strukturen bis hin zu risikolimitierten Ansätzen mit entsprechender Risikobudgetierung (Absolute Return). Dabei ist die Frage nach aktiv oder passiv eher komplementär zu beantworten. Stellen ETFs eine sinnvolle Option zur Abdeckung sehr effizienter Märkte und zur Abbildung taktischer Strategien dar, sind aktiv gemanagte Fonds aufgrund der Limitierung des Markt-Betas von großer und aktuell sogar steigender Bedeutung. Klar ist, dass eine grundsätzliche Aufteilung des Gesamtportfolios in eine Vielzahl von Anlageklassen auch im Tiefzinszyklus unverzichtbar und alternativlos ist. Klar ist aber auch, dass bei aller Fokussierung auf eine sinnhafte strategische Ausrichtung der Asset Allokation das taktische Overlay eine immer wichtigere Rolle einnimmt. Taktische Allokation wichtig Haben wissenschaftliche Studien in der Vergangenheit immer wieder den Beweis erbringen können, dass weit mehr als 80 % der Portfoliorendite und des Portfoliorisikos über die strategische Asset Allokation und nur in etwa jeweils 10 % über Markttiming und entsprechende Bottom-Up-Selektion bestimmt werden, so hat jetzt die Wichtigkeit der taktischen Allokation und Selektion deutlich zugenommen. Über einen ertragsoptimierten und risikofokussierten Investmentprozess lassen sich auch veränderte Korrelations-muster aufspüren, um dann die Taktik entsprechend dieser Erkenntnisse – mindestens temporär – an die geänderten Marktgegebenheiten anzupassen. Die Beimischung geeigneter alternativer Investments respektive von derivativen Strukturen ist dabei so unabdingbar wie die flexible Steuerung. Diese kann, optimal selektiert und ausgerichtet, performancesteigernd wirken, gerade in einem immer komplexer werdenden Umfeld.—-Stefan Keitel, Vorsitzender der Geschäftsführung der Deka Investment