BANKENREGULIERUNG

Hoffen auf Berlin

Berater HKP: Deutschem Finanzsektor droht durch EU-Vergütungsregeln 500 Mill. Euro Mehraufwand - EBA holt sich eine Abfuhr

Hoffen auf Berlin

Neue EU-Vergütungsvorgaben werden die Verwaltung der Entlohnung von Beschäftigten im deutschen Finanzsektor spürbar verteuern. Nun kommt es vor allem darauf an, wie das Bundesfinanzministerium die neuen Leitlinien der European Banking Authority (EBA) umsetzt.Von Bernd Neubacher, FrankfurtIn der Vergütung rollen auf Europas Finanzsektor derzeit erhebliche Zusatzkosten zu. Deren Volumen beziffert die Vergütungsberatungsgesellschaft HKP allein bundesweit auf rund 500 Mill. Euro – nicht an Vergütungskosten, sondern an Sach- und Personalaufwand zur Verwaltung der Vergütung.Wie stark die neuen Vorgaben der Londoner Behörde European Banking Authority (EBA) konkret zu Buche schlagen werden, wird auch davon abhängen, wie das Bundesfinanzministerium die Anforderungen mit der neuen Variante seiner Institutsvergütungsverordnung umsetzen wird. Sollte der Gesetzgeber die Londoner Leitlinien in vollem Umfang realisieren, dürften die von ihnen betroffenen knapp 3 000 Rechtseinheiten in der Bundesrepublik HKP zufolge jeweils anderthalb Vollzeitstellen einrichten müssen, um die Anforderungen zu bewältigen. Samt entsprechenden IT- und Verwaltungskosten rechnet Michael Kramarsch, Gründer und Managing Partner von HKP, mit administrativen Mehrkosten von bundesweit rund 500 Mill. Euro. Er schlägt Alarm: “Deutschen Banken droht der Super-GAU”, sagt er.Im Kern rührt die Verteuerung daher, dass künftig alle deutschen Rechtseinheiten im Finanzsektor Vorgaben erfüllen sollen, welche nach der deutschen Institutsvergütungsverordnung bisher nur größere Häuser erfüllen müssen, etwa was die Ermittlung sogenannter Risikoträger angeht, also von Mitarbeitern, die das Risikoprofil eines Instituts wesentlich beeinflussen und daher Beschränkungen in ihrer Vergütung unterliegen (siehe unten stehenden Text zu Details der neuen Regeln). Den Gedanken der Proportionalität kennt das neue Regelwerk zwar. Umgesetzt wird dieser allerdings in der Form, dass für sogenannte bedeutende Institute, welche EBA sowie die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zu identifizieren haben, noch strengere Regeln gelten sollen.Die Anwendung der Vorgaben auch auf die kleinste Sparkasse und Volksbank Deutschlands wirkt kurios vor dem Hintergrund, dass die Regulierung der Vergütung infolge der Krise ursprünglich verschärft worden war, um zu verhindern, dass Händler weiter zu waghalsigen Spekulationen eingeladen werden, weil daraus entspringende Gewinne privatisiert, Verluste aber sozialisiert werden. Zumindest den hohen Detaillierungsgrad der Regeln aber hat sich die Branche auch selbst zuzuschreiben, waren von Prinzipien geleitete Vorgaben bisher doch stets findig umgangen worden. Auch deshalb erreicht die Komplexität der Regeln nun ein Rekordniveau.Dass sich künftig nun selbst Kleinstbanken mit den Feinheiten der Risikoträger-Identifikation beschäftigen müssen, ist dabei der EBA nicht anzulasten, wie Petra Knab-Hägele, Senior Partner bei HKP, erläutert: “Die EBA unternimmt im Sinne der Institute alles, was ihr möglich ist.” In einem Brief an die EU-Kommission hatte EBA-Chairman Andrea Enria schon im Januar vergangenen Jahres vorgefühlt, inwieweit die EU-Eigenkapitalrichtlinie CRD IV Spielraum für eine Entlastung kleiner Häuser eröffne – und sich dort eine Abfuhr eingeholt, derzufolge die Bestimmungen “unterschiedslos auf alle Institute” anzuwenden seien.Während einer Anhörung habe die EBA Banken eigens darum gebeten, ihr Argumente für Erleichterungen an die Hand zu geben, berichtet Knab-Hägele. Schließlich habe sie parallel zu ihren Leitlinien ein Papier in Brüssel eingereicht, in welchem sie sich für Änderungen an der Eigenkapitalrichtlinie starkmache. In Belgiens Hauptstadt hat inzwischen auch der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber in einem Brief an EU-Finanzkommissar Jonathan Hill dieselbe Forderung erhoben.Abgesehen davon wird nun viel davon abhängen, wie die Bundesregierung die neuen Vorgaben der EBA umsetzen wird. Kramarsch zufolge hat das dafür zuständige Bundesfinanzministerium drei Optionen. “Politisch am konsequentesten, aber am schwierigsten umzusetzen” wäre es demnach, bestimmte Teile der EBA-Leitlinien schlicht nicht zu übernehmen. Zweitens könnte Berlin die bisher in der Institutsvergütungsverordnung verankerten Freigrenzen beizubehalten versuchen, und die dritte Option wäre, es kleineren Instituten zu ermöglichen, von Bonuszahlungen generell abzusehen. Mit jeglicher Opposition gegen die EU-Regeln ginge das Ministerium das Risiko ein, sich dem Vorwurf auszusetzen, Regulierung verwässern und der Bankenlobby entgegenzukommen zu wollen.Noch bleibt etwas Zeit: Nachdem die EBA-Leitlinien übersetzt worden sind, hat Berlin zwei Monate, um einzuwilligen oder ein Ausscheren zu begründen (“comply or explain”).Andererseits sollte bald klar sein, wie die neue Institutsvergütungsverordnung aussehen soll, muss sie doch schon für 2017 umgesetzt werden. HKP geht davon aus, dass die neue Version der Institutsvergütungsverordnung zum Ende des Halbjahres publiziert wird (siehe Grafik).Was von den Anforderungen der EBA-Leitlinien übrig bleiben wird, ist im Detail noch nicht klar. Wie immer die Debatte aber ausgeht: Der Pflicht, künftig Risikoträger zu identifizieren, dürfte keine Rechtseinheit im deutschen Finanzsektor entgehen können, wie Knab-Hägele prognostiziert.”Wie man das macht, ist uns mittlerweile schon fast egal. Man soll uns nur sagen, was wir tun sollen”, sagte kürzlich ein Bankvorstandsmitglied genervt über die sich stetig ändernden Vergütungsregeln. Da waren die jüngsten EBA-Leitlinien noch nicht bekannt.