JAHRESTREFFEN DER RÜCKVERSICHERER

Hoffen auf Ende des weichen Marktes

Rückversicherer sehen Anzeichen für höhere Risikopreise - Munich Re & Co suchen lukrative Nischen

Hoffen auf Ende des weichen Marktes

In der Hoffnung, kurz vor dem Ende des “weichen” Marktes mit fallenden Preisen für Rückversicherungsdeckungen zu sein, sind sich die großen Rückversicherer beim Branchentreffen in Monte Carlo einig. Erste Anzeichen für eine Trendumkehr wollen sie schon beobachtet haben.Von Thomas List, zzt. Monte CarloEinen bedrückten Eindruck machte Ulrich Wallin, Chef der Hannover Rück, bei seiner Präsentation beim Versicherertreffen in Monte Carlo nicht. Es gebe zwar weiterhin Überkapazitäten, so dass die Margen weiterhin unter Druck seien, doch war 2015 für den drittgrößten Rückversicherer ein gutes Jahr, so Wallin. “Ich bin etwas optimistischer als 2015”, sagte er mit Blick auf kürzlich abgeschlossene Rückversicherungsverträge. “Der Preisrückgang hat sich verlangsamt. Wir haben mehr unveränderte Preise gesehen.” Dieser Trend zu mehr Preisstabilität werde sich auch zum Haupterneuerungstermin 1.1.2017 fortsetzen, weil der Renditedruck steige und die Grundschadenlast deutlich zugenommen habe. Kaum anders beurteilt Munich-Re-Vorstandsmitglied Torsten Jeworrek die Lage. “Im Juni und Juli hat sich der Preisrückgang verlangsamt. Das könnten erste Anzeichen einer Stabilisierung sein.” Matthias Weber, Group Chief Underwriting Officer der Swiss Re, hat einige Geschäftsbereiche beobachtet, in denen sich die Preise erhöht hätten. Welche das sind, wollte er bei seiner Präsentation aus Wettbewerbsgründen nicht verraten. “Es gibt aber immer noch mehr Bereiche mit nachgebenden Preisen, so dass sich im Durchschnitt der Markt noch nicht verhärtet hat.” Weber sieht die Schaden-Rückversicherung nahe der Talsohle des Zyklus, “vielleicht haben wir sie bei Naturkatastrophen- und Haftpflichtrisiken schon erreicht”. Schwächeres WachstumBei den Beitragseinnahmen erwartet Munich Re bis 2018 nur noch ein jährliches globales Wachstum von 1 % (nach 2 % 2009 bis 2015), während es sich in der Erstversicherung von 2 auf 3 % beschleunigen soll. “Als Wachstumsbremse erweist sich die neue Regulierung in China.”Punkten will die Munich Re im traditionellen Rückversicherungsgeschäft durch maßgeschneiderte Lösungen, konsequentes Zyklusmanagement (“Wir konzentrieren uns auf die profitablen Geschäfte.”) und den als Marktführer bevorzugten Zugang zu den Kunden (“Wir sehen dort jedes mögliche Geschäft.”).Maßgeschneiderte, großvolumige Lösungen haben bei Swiss Re in den ersten sechs Monaten dieses Jahres um 76 % zugelegt, sagte Swiss-Re-CEO Christian Mummentaler bei seiner Präsentation in Monte Carlo. Dieses Geschäft solle weiter auf Kosten des traditionellen Geschäfts an Bedeutung gewinnen.Immerhin 5 Mrd. Euro Beiträge jährlich (im Vergleich zu 13 Mrd. Euro in der traditionellen Schaden-Rückversicherung) nimmt Munich Re durch Spezial- und Nischengeschäft ein. “Dieses vor allem lokale Geschäft ist größtenteils abgehängt vom normalen Preiszyklus.”Der Branchenführer betont in Monte Carlo seine Innovationskraft. “Immer mehr Daten zum Beispiel über das Kundenverhalten sind verfügbar und können zu Risikoselektion und Preisfindung eingesetzt werden.” Neue Technologien wie Fahrassistenzsysteme und die Entwicklung von selbstfahrenden Autos bedrohen aber auch etablierte Geschäftsmodelle. In der Folge wird die Schadenhäufigkeit drastisch zurückgehen und damit auch das Beitragsaufkommen in der Kfz-Versicherung. Mit einer passenden Infrastruktur wie Innovation Labs will Munich Re die Entwicklung vorantreiben. “Mit unserem innovativen Geschäft erwirtschaften wir bereits ein Beitragsvolumen von etwa 500 Mill. Euro.”Eine Innovation nicht nur für Munich Re ist die Cyberversicherung. Über die Größe des Marktes herrscht bei den Marktteilnehmern zwar keine Einigkeit – laut Munich Re lagen die Beitragseinnahmen 2015 weltweit bei 3 Mrd. Dollar, für Aon Benfield waren es 1,6 Mrd. Dollar. Doch dass der Markt stark wachsen wird, ist unbestritten. Munich Re rechnet 2020 mit 9 Mrd. Dollar (wobei die Länder außerhalb der USA stark aufholen sollen), Aon sogar mit 10 Mrd. Dollar.Munich Re gibt ihre Prämieneinnahmen in der Cyberversicherung für 2015 mit 191 Mill. Euro an, etwa zu gleichen Teilen aufgeteilt auf Erst- und Rückversicherung. Bei Hannover Rück waren es fast 100 Mill. Dollar. Ihr Vorstandsmitglied Sven Althoff erwartet durch die steigende Regulierung (Datenschutz) mittelfristig eine stärkere Nachfrage. Munich-Re-Vorstand Thomas Blunck will das Geschäft vorsichtig angehen. “Erst bauen wir das Knowhow auf, dann die Kapazitäten.” Zu Beginn müssten Daten gesammelt werden, um ein tragfähiges Preismodell zu entwickeln. “Im Moment bieten wir sehr niedrige Schadenlimite von etwa einem Zwanzigstel des in der normalen Schadenversicherung Üblichen an.” Angesichts der geringen Verbreitung von Cyberpolicen sieht Althoff die meisten Erst- und Rückversicherer von den bisherigen Schadenfällen nicht betroffen. Die Vorsicht bleibtSwiss-Re-Chef Mummentaler bleibt in Sachen Cyberversicherung so vorsichtig wie im Vorjahr. “Wir warten ab.” Zuerst müsse das Know-how aufgebaut werden durch Kooperationen mit Unternehmen wie IBM, Sicherheitsfirmen und Regierungen.Wann wird der Markt nachhaltig drehen, sprich die Preise auf breiter Front ansteigen und aus dem weichen ein harter Markt werden? Es müsste schon einen sehr großen Einzelschaden geben, der statistisch alle 250 Jahre eintritt, heißt es bei Standard & Poor’s. Das entspräche einem Schaden von 58,5 Mrd. Dollar für die Rückversicherer. Für Torsten Jeworrek reicht ein einzelner Großschaden nicht, um den globalen Trend zu drehen. “Dafür gibt es genügend Kapazitäten.” Zusätzlich müssten aufgelöste Schadenreserven die Erträge nicht mehr stützen können, so dass diese wegbrechen.