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"Höhere Ertragsdynamik als die dicken Schiffe"

Interview mit Lorenzo Carcano

"Höhere Ertragsdynamik als die dicken Schiffe"

Herr Carcano, Klein schlägt Groß, stimmt das überhaupt, haben Small und Mid Caps langfristig tatsächlich die großen Titel geschlagen?Ja, ganz klar, die Zahlen sprechen für sich. Die Outperformance der Nebenwerte in Europa auf Basis der Indizes Stoxx Europe Small 200 und Stoxx Europe Large 200 ist mit vier Prozentpunkten im Jahr über einen Zeitraum von rund 20 Jahren schon enorm.Worauf ist diese Outperformance zurückzuführen?Zum einen wachsen kleine Unternehmen schneller als sehr große. Häufig handelt es sich bei Small und Mid Caps um fokussierte Nischenplayer, die eine höhere Ertragsdynamik als die dicken Schiffe aufweisen. Zudem werden diese Firmen meist unternehmerischer geführt. Die Ankerinvestoren sind oft Familien, die langfristig denken.Was kommt noch hinzu?Nebenwerte sind in der Regel weniger liquide und weniger bekannt. Sie stehen nicht im Fokus der Anleger. Dies schafft natürlich Opportunitäten für erfahrene Investoren. Das Segment ist eines, in dem sich aktives Stock Picking tatsächlich lohnt. Durch die Selektion von Einzeltiteln kann zusätzlich eine Mehrrendite erzielt werden. Das Anlageuniversum des Metzler European Smaller Companies ist groß und umfasst rund 1 200 Firmen in Europa mit einer Marktkapitalisierung von 500 Mill. Euro bis zu 6 Mrd. Euro. Nimmt man noch die Micro Caps hinzu, sind es über 2 000 Firmen.Wann lohnen sich Engagements in Nebenwerte besonders?In der Regel ist es schon so, dass das Segment überdurchschnittlich von einem Wirtschaftsaufschwung profitiert. Aber: Nebenwerte schneiden auch auf lange Sicht besser als Blue Chips ab, insofern ist es keine Frage des Timings.Wann schneiden kleine Werte schlechter ab?Zum Teil in rezessiven Phasen oder auch in Perioden von hohen Marktunsicherheiten. Die Underperformance hält dann meist aber nur wenige Wochen oder Monate an. Für langfristig orientierte Anleger sind solche Phasen daher Einstiegsgelegenheiten.Wie stufen Sie aktuell die Situation für Nebenwerte ein?Positiv, konjunkturell sind keine großen Wolken am Horizont auszumachen. Und strukturell sorgen neue Technologien für viele neue Geschäftsmodelle mit hoher Wachstumsdynamik.Sind Nebenwerte bereits hoch bewertet?Sie sind in den vergangenen Jahren teurer geworden, aber nicht im relativen Vergleich zu Large Caps. Insgesamt liegt keine Übertreibung vor, wie zum Beispiel in der Dotcom-Blase. Aber manche Titel sind nicht mehr günstig. Daher gilt es schon, bei der Auswahl selektiver vorzugehen.Was ist bei Investments in Nebenwerten besonders zu beachten?Es gibt immer Firmen, die zunächst einen vielversprechenden Eindruck machen, sich dann aber nicht wie erhofft entwickeln. Um gut funktionierende, wachstumsstarke Geschäftsmodelle zu selektieren, braucht man viel Erfahrung. Zudem ist in diesem zum Teil wenig liquiden Segment Diversifizierung noch wichtiger als bei Standardwerten.Wie wählen Sie Einzeltitel aus?Wir orientieren uns dabei nicht an einem Index. Unsere Bottom-up-Analyse umfasst zwei Ebenen: In der ersten geht es um die qualitative Einschätzung des Geschäftsmodells inklusive Wettbewerbsumfeld und Wachstumsmöglichkeiten et cetera. In der zweiten Ebene kommt der Garp-Ansatz zum Einsatz, der für “growth at a reasonable price” steht. Insgesamt identifizieren wir damit erfolgversprechende Geschäftsmodelle, die an der Börse noch nicht zu teuer sind.Wie wichtig sind für Sie Gespräche mit dem Management?Diese sind ein ganz wesentlicher Bestandteil unserer Arbeit. Ein Fondsmanager trifft mehrere hundert Unternehmen pro Jahr, häufig auch am Sitz der Gesellschaft. Und was fragen Sie da? Wichtig sind uns vor allem die langfristigen Themen wie die Strategie einer Gesellschaft. Wir möchten ein Geschäftsmodell und dessen Treiber verstehen. Ihr Ziel ist es also, eine neue Fielmann oder eine neue Nemetschek zu finden?Zum Beispiel, wir suchen kleine Werte, die gute Perspektiven haben, um in den kommenden Jahren kräftig und profitabel zu wachsen.Wie bewältigen Sie das Problem des Einstiegs in mitunter wenig liquide Titel?Indem wir breit diversifieren und gut 60 Titel in unserem Fonds halten. Zum anderen können wir eine Kauforder über mehrere Tage strecken.Warum sind viele Investoren nicht in Nebenwerten engagiert?Die Finanzkrise hat zu einer gewissen Zurückhaltung von professionellen Investoren geführt. In Deutschland ist zudem die Investmentkultur nur schwach ausgeprägt. Aktien und speziell kleine Titel werden oft wenig geschätzt.Was ist bei Investments in Nebenwerten generell zu beachten?Um sich diese lukrative Assetklasse zu erschließen, sollten Anleger einen langfristigen Anlagehorizont haben und breit gestreut investieren. Wobei ein aktiver Fonds eher vielversprechende Unternehmen erwerben kann als ein passiver ETF.Lorenzo Carcano, Portfoliomanager Metzler Asset Management