Infektionsschutz

Homeoffice bleibt in Deutschlands Banken die Regel

Während die großen US-Banken ungeimpfte Beschäftigte rigoros aussperren, haben die deutschen Institute nicht mal ein Auskunftsrecht. Die Folge: Präsenzquoten in den Büros von unter 30 Prozent.

Homeoffice bleibt in Deutschlands Banken die Regel

Von Anna Sleegers, Frankfurt

Wenn die Händler der Deutschen Bank ihre schicken neuen Büros im umgebauten AOL Time Warner Center am Columbus Circle in New York beziehen wollen, brauchen sie einen Impfnachweis. Auch J.P. Morgan Chase, Goldman Sachs und Morgan Stanley sind im Umgang mit Ungeimpften rigoros: Wer sich nicht gegen eine Covid-19-Infektion schützt, muss im Homeoffice bleiben. Die deutschen Großbanken, die im Frühjahr Zigtausende Angestellte, Angehörige und externe Dienstleister durch ihre Impfstraßen geschleust haben, hoffen dagegen vergeblich auf eine Rückkehr zur Normalität. Der in den USA völlig selbstverständliche Pragmatismus bei der Infektionsbekämpfung am Arbeitsplatz scheitert an hiesigen Gesetzen.

Thomas Gennert, Arbeitsrechtler bei McDermott Will & Emery in Düsseldorf, konstatiert einen erheblichen Handlungsdruck bei vielen Arbeitgebern: „Einerseits verlangt der Gesetzgeber nach wie vor eine weitgehende Minimierung der persönlichen Kontakte, auch im Arbeitsleben.“ Andererseits wollten viele Betriebe ihre Belegschaft wieder ins Büro holen, weil manche Teamprozesse besser funktionieren, wenn man sich persönlich trifft.

Viele von Gennerts Mandanten haben bereits damit begonnen, „Back to the Office“-Programme zu entwickeln. Dabei müssten sie jedoch bedenken, dass sie als Arbeitgeber verpflichtet sind, die Belegschaft durch ein geeignetes Hygienekonzept zu schützen. „In der Praxis sind es oft die im selben Raum arbeitenden Kollegen, die das größte Interesse daran haben zu erfahren, wer geimpft ist“, sagt der Arbeitsrechtler. Seine Erfahrung: „Da wird Druck aufgebaut, nicht nur gegenüber den vermeintlich ungeimpften Kollegen, sondern auch gegenüber dem Arbeitgeber.“

Doch den Instituten sind hier weitgehend die Hände gebunden. Bei HSBC Deutschland etwa sieht man keine Möglichkeit, sich über den Anteil der Geimpften unter der Belegschaft Klarheit zu verschaffen. „Wir beachten hier die datenschutzrechtlichen Gegebenheiten“, unterstreicht ein Sprecher auf Anfrage der Börsen-Zeitung. Auf Initiativen, um auf freiwilliger Basis Auskunft zu erhalten, hat das Düsseldorfer Institut bislang verzichtet, wohl auch, weil sich damit kein flächendeckendes Bild erzielen lässt (siehe Kasten).

Die Frage nach dem Impfstatus ist deshalb so heikel, weil sie gleich zwei Rechtsbereiche berührt: Arbeitsrecht und Datenschutz. Arbeitsrechtlich sei das ein bisschen wie bei der Frage nach einer Schwangerschaft bei der Einstellung, sagt Gennert. Da der Arbeitgeber kein Recht hat, diese Auskunft zu verlangen, könne der Arbeit­nehmer die Antwort verweigern, ohne Konsequenzen zu befürchten. Daran ändert sich auch durch die am Freitag angekündigte Ausweitung der bislang nur für den medizinischen Bereich geltenden Ausnahmen gemäß Infektionsschutzgesetz nichts. Nach den Plänen der Regierung sollen künftig auch Kita-Träger, Pflegedienstleister und Schulen das Recht bekommen, Auskunft über den Impfstatus zu verlangen, um die Sicherheit besonders schutzbedürftiger Arbeitsbereiche zu gewähr­leisten.

Keine Änderung in Sicht

Für Banken und andere Betriebe, deren Beschäftigte im Großraumbüro arbeiten, ist das nicht geplant, was Gennert nicht verstehen kann: „Aus meiner Sicht wäre es überhaupt kein Problem, diese Regelung zumindest temporär auf alle Branchen auszudehnen.“ Angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl mit darauffolgender Regierungsbildung werde es noch Monate dauern, bis eine solche Änderung umgesetzt werden kann. Wenn sie überhaupt kommt, denn bislang fehlen dafür die Mehrheiten. „Die Arbeitgeber müssen daher versuchen, sich mit dieser wirklich unbefriedigenden Lage zu arrangieren“, sagt der Anwalt.

Schwerer noch als das Arbeitsrecht wiegt Gennert zufolge der Datenschutz: „Die Information über den Impfstatus gehört zu den Gesundheitsdaten, die nach der Datenschutzverordnung (DSGVO) eine erhöhte Sicherheit verlangen.“ Commerzbank, DZ Bank und Deutsche Bank verzichten daher im Inland auf betriebsinterne Impfstatistiken. Aus Sicht der Commerzbank hätte ein Auskunftsrecht allerdings ohnehin nur Sinn, wenn es gesetzliche Regelungen zum Umgang mit geimpften und ungeimpften Mitarbeitern gäbe. Dies wäre etwa bei der Planung von internen Veranstaltungen hilfreich, konkretisiert eine Sprecherin.

Angesichts steigender Inzidenzen führt die Unklarheit über den Anteil der Geimpften zu geringen Präsenzquoten. Bei der Commerzbank, die zu Beginn der Pandemie zusätzliche Büros für die Mitarbeiter in Betrieb genommen hat, die betriebskritische Prozesse betreuen, arbeiten noch immer deutlich weniger als die Hälfte der Beschäftigten im Büro. Bei der Deutschen Bank sind es nach Angaben einer Sprecherin an den inländischen Standorten durchschnittlich etwa 25%, wobei die Filialen herausgerechnet sind. Bei der HSBC Deutschland liegt die Präsenzquote aktuell bei maximal 20%, bei der DZBank sogar nur bei 18%.

Doch für diejenigen, die nicht zuhause arbeiten können oder wollen, ist es nicht nur wegen der leeren Büros ungemütlicher als früher. Auch bei Abstandsregeln und Maskenpflicht in Gängen und Gemeinschaftsräumen bleibe in den allermeisten Betrieben trotz steigender Impfquoten alles beim Alten, sagt Gennert. Denn solange Unklarheit über den Anteil der Beschäftigten besteht, müssten sich die Hygienepläne der Betriebe am Schutz der Ungeimpften orientieren.

Der Impfstatus lässt sich im Betrieb allenfalls auf freiwilliger Basis erfragen.

Denkbar sind etwa Gewinnspiele, bei denen unter den Einsendern des Impfnachweises etwas verlost wird.

Arbeitgeber müssen dabei auf die Einhaltung von DSGVO und Bundesdaten­schutzgesetz achten, die unter anderem eine schriftliche Einverständnis­erklärung zur Daten­speicherung erfordern.

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