Im EU-Fondsvertrieb herrscht Chaos

Anbieter raufen sich die Haare über nationale Sonderwege - Fußangeln in Osteuropa - Brüssel will Vorgaben verbessern

Im EU-Fondsvertrieb herrscht Chaos

Der einheitliche europäische Markt ist für Fondsanbieter noch in weiter Ferne. Trotz EU-Pass erheben die Aufseher mancher Länder abstruse Zusatzanforderungen. Die EU will die Vorschriften für das grenzüberschreitende Geschäft als Teil der Kapitalmarktunion verbessern.Von Silke Stoltenberg, FrankfurtEigentlich gibt es schon seit Beginn des Jahrtausends einen europäischen Pass für Fonds, damit die Anbieter ohne große bürokratische Hürden ihre Produkte in jedem beliebigen EU-Land anbieten können. Und zwar flotte zehn Arbeitstage nach Anzeige bei der heimischen Finanzaufsicht.Doch uneigentlich gibt es eine ganze Reihe EU-Länder, die sich Nickligkeiten ausdenken, um den heimischen Anbietern einen gewissen Schutz vor ausländischer Konkurrenz zu bieten. Dann dauern Vertriebszulassungen durch umfangreiche Zusatzanforderungen durch die Aufsicht in dem anderen EU-Land eben ein Jahr, oder man gibt die Auslandspläne zwischenzeitlich entnervt wieder auf. Genau deswegen hat sich die EU-Kommission vorgenommen, noch einmal bessere Regeln für den grenzüberschreitenden Fondsvertrieb zu erlassen.Und das tut auch wirklich not, findet Jörg Stotz, Geschäftsführer bei Hansainvest, die unter anderem als Service-Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) für Vermögensverwalter und Initiatoren Produkte auflegt und administriert. Denn wenn die Partner auch im Ausland tätig werden wollen, macht Hansainvest als Service-KVG im Hintergrund bei einigen EU-Ländern schlechtere Erfahrungen als etwa in den weit entfernten Vereinigten Arabischen Emiraten.”Es ist leichter, in Dubai einen Fonds aufzulegen, als in Warschau”, bringt es Stotz auf den Punkt. Zu einem der Kerngedanken der Europäischen Union, einen einheitlichen Wirtschaftsraum zu schaffen, stehen solche Erfahrungen natürlich in krassem Widerspruch.Grundsätzlich schreibt die EU-Richtlinie Ucits, zu Deutsch Ogaw, einen relativ überschaubaren Aufwand vor, wenn man einen Fonds im EU-Ausland vertreiben will. Diese Vorgaben finden sich für die hiesigen Anbieter im deutschen Fondsgesetz, dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB). In zehn Tagen zum ErfolgKonkret schreibt § 312 KAGB vor, dass die Fondsanbieter die Anlagebedingungen, gegebenenfalls die Satzung, den Verkaufsprospekt, den Jahresbericht und den anschließenden Halbjahresbericht sowie die wesentlichen Anlegerinformationsblätter (KID) in der jeweiligen Landessprache, in einer EU-Amtssprache, in einer von dem Land akzeptierten Sprache oder in Englisch bei der BaFin einreichen müssen. Sind diese Unterlagen vollständig, übermittelt die BaFin zehn Arbeitstage darauf diese Verkaufsanzeige nebst Bescheinigung über den Fonds an die ausländischen Aufseherkollegen – und damit kann der Vertrieb losgehen.In den deutschsprachigen EU-Ländern sei dies auch tatsächlich so einfach, berichtet Stotz von den Erfahrungen seiner Gesellschaft mit Fondszulassungen außerhalb Deutschlands.”In Österreich und Luxemburg ist das alles ganz unproblematisch, alles läuft so, wie der Gesetzgeber sich das vorgestellt hat.” In osteuropäischen Ländern dagegen hat die Hamburger Gesellschaft eher ärgerliche Erfahrungen gemacht.In der Slowakei etwa verlangen die dortigen Behörden von Hansainvest neben den üblichen Unterlagen zusätzlich, dass alle zwei Wochen der Verkaufspreis in einer slowakischen Zeitung veröffentlicht wird. Diese zunächst einfach erscheinende Pflicht werde dadurch erschwert, dass eigentlich nur Mitglieder vom slowakischen Fondsverband, Slovak Association of Fund Management Companies, dort ihre Fondspreise veröffentlichen dürften, so Stotz. “Wir mussten daher einen Umweg über einen Rechtsanwalt nehmen, um dieser Veröffentlichungspflicht nachzukommen, und das hat uns ein Jahr gekostet, erst dann war der Vertrieb möglich.” Auch sei dieser Prozess sehr teuer gewesen. Angesichts solcher Hürden für ausländische Fonds liegt der Verdacht nahe, dass die Slowakei die eigenen Fondsgesellschaften vor unliebsamer Konkurrenz schützen möchte. Polen verlangt vielNoch erfindungsreicher bei zusätzlichen Hürden ist die polnische Aufsicht, lässt sich aus den Schilderungen von Stotz schließen. Ausländische Fondsanbieter müssen einen Geldwäschefragebogen nach den speziellen polnischen Vorgaben ausfüllen. Deren Unterzeichnung muss notariell bekundet werden. Dieser Vorgang muss dann durch die polnische Aufsicht KNF bestätigt werden.Darüber hinaus müssen über einen lokalen Provider die Fondsdokumente auf einer polnischen Website veröffentlicht werden. Dann muss noch in Polen ein offizieller Vertreter der Fondsgesellschaft gesucht werden, an den halbjährlich ein Bericht über den Fonds gesandt werden muss, der diesen wiederum an die polnische Behörde weiterreicht. Er vertritt somit den Fonds sowie die KVG gegenüber der polnischen Aufsicht und gegenüber dem Anleger, er muss somit die Verkaufsunterlagen vorrätig halten. Er unterstützt aber auch den Anleger bei Beschwerden. Darüber hinaus muss eine polnische Zahlstelle verpflichtet werden, die eine Bank sein muss. Diese ist für die Abwicklung der Zahlungen bei Fondsan- und -verkauf zuständig beziehungsweise für die Ausschüttungen.Zudem will die KNF ein Marketing-Memorandum erstellt bekommen in englischer Sprache. Hier muss die KVG ausführlich schildern, wie das Prozedere des Erwerbs vonstattengeht, welche Aufgaben die Zahlstelle hat und welche der Vertreter, wo Informationen über den Fonds zu erlangen sind und wie das Beschwerdeverfahren abläuft. Und damit es nicht langweilig wird, wollen die polnischen Behörden über die übliche Ucits-Berichterstattung auch halbjährliche Reports über den Fonds mit aktuellem Preis, Rück- und Ausgaben, Adressdaten und Fondsmanager. BeschützerinstinktDie Abarbeitung dieser ganzen Vorschriften dauert nicht nur Monate, sondern kostet auch reichlich Zeit und Nerven. Auch in Polen scheint also bei der Aufsicht durchaus ein gewisser Beschützerinstinkt für die heimischen Fondsanbieter vorhanden zu sein.Mit Vorgaben wie in Polen oder in der Slowakei wird deutlich, wie stark einzelne Länder in der EU von den Vorgaben der EU-Richtlinie bei der nationalen Umsetzung abweichen. Eine Zulassung nach zehn Tagen im Ausland rückt damit in das Reich der Träume.”Dabei sind die Ucits- bzw. Ogaw-Fonds doch hoch regulierte Produkte nach einheitlichen EU-Maßstäben”, äußert Stotz Unmut über nationale Alleingänge. Völlig paradox wird dieser eklatante Widerspruch zum europäischen Gedanken, wenn der Umgang mit Ucits-Fonds in Nicht-EU-Ländern betrachtet wird. In der Schweiz, in den Vereinigten Arabischen Emiraten oder in Hongkong würden Vertriebszulassungen schnell und mit minimalem bürokratischem Aufwand erledigt, berichtet Stotz. Teil der KapitalmarktunionInsofern wünscht sich der Hansainvest-Geschäftsführer vom erneuten EU-Vorstoß in Sachen grenzüberschreitender Vertrieb schlicht, dass die bisher geltenden Regeln einheitlich in allen Ländern angewendet werden – wenn also die Verkaufsdokumente reichen und nach zehn Tagen alles vollbracht ist. Die EU hatte schon Anfang 2016 das Thema auf die Agenda genommen und bis Herbst 2016 eine Konsultation zu den Erfahrungen mit dem europäischen Fondspass gestartet.Insbesondere kleinere Fonds hätten beim grenzüberschreitenden Vertrieb Probleme, heißt es. Die Förderung des grenzüberschreitenden Fondsvertriebs in dem 15 Bill. Euro großen Markt gilt als wichtiger Bestandteil der anvisierten Kapitalmarktunion.