IM BLICKFELD

Immobilienbranche zwischen Hype und Ratio

Von Thomas List, Frankfurt Börsen-Zeitung, 28.1.2020 Die Preise muten mitunter verrückt an: 70 % Aufpreis für einen Anteil an einem geschlossenen Fonds, der wiederum Teile eines vor mehr als 50 Jahren errichteten Einkaufszentrums im Speckgürtel...

Immobilienbranche zwischen Hype und Ratio

Von Thomas List, FrankfurtDie Preise muten mitunter verrückt an: 70 % Aufpreis für einen Anteil an einem geschlossenen Fonds, der wiederum Teile eines vor mehr als 50 Jahren errichteten Einkaufszentrums im Speckgürtel einer deutschen Großstadt sein Eigentum nennt. Okay, das Objekt wurde zwischenzeitlich mehrfach modernisiert und gilt als eines der am besten laufenden Center seiner Art hierzulande. Derartige Preise werfen dennoch die Frage auf, ob die Preise im Immobilienmarkt zuweilen längst überzogen sind. Zurückhaltende ProfisGeboten hat in diesem Fall eine deutsche Privatperson. Ist der Hype also schon bei Privatpersonen angekommen, möglicherweise ein Zeichen, dass die Hausse kurz vor dem Ende steht? Die professionellen Marktteilnehmer verhalten sich jedenfalls bereits deutlich zurückhaltender und sind teilweise schon pessimistisch gestimmt. Nimmt man den jüngsten, vierteljährlich erhobenen Immobilien-Index des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) als Grundlage, dann festigen sich die negativen Erwartungen der Branche (siehe Grafik). Die Boomphase könne ihr Ende erreicht haben, und die Immobilienwirtschaft müsse sich auf geringe Zuwächse oder eine Stagnation einrichten, lautet das Fazit.Nicht so negativ haben sich die von Ernst & Young (EY) befragten Teilnehmer des Immobilieninvestmentmarktes geäußert. Sieben von zehn Banken, Fonds, Kapitalanlagegesellschaften, Projektentwickler sowie Privatpersonen und Family Offices erwarten für das laufende Jahr beim Investmentvolumen in Deutschland eine Seitwärtsbewegung auf hohem Niveau. Das wären also etwa 90 Mrd. Euro, vielleicht auch etwas weniger. Die großen Maklerhäuser scheinen diese Erwartung zu bestätigen.Auch Ulrich Höller, seit bald 30 Jahren in der Branche unterwegs und seit neuestem Geschäftsführer und Mitinhaber des großen Projektentwicklers ABG Real Estate, erwartet maximal eine Seitwärtsbewegung bei Mieten und Transaktionsvolumen – “oder einen leichten Rückgang”, wie er vor wenigen Tagen vor Medienvertretern sagte. Auch er sprach von einer Stabilisierung auf hohem Niveau. Der Markt werde durch eine hohe Nachfrage (“Wall of Money”) einerseits und ein knappes Angebot andererseits bestimmt. Die Leerstandsquoten seien gering.Bisher sind Mieten und Preise stetig gestiegen, so dass die Anfangsrendite bei Büros an den deutschen Top-Standorten unter 3 % gerutscht ist. Für viele Marktteilnehmer liegen die Renditen damit bereits unter der Mindestschwelle. Folgen einer möglichen Konjunkturflaute fürchten viele Marktteilnehmer derweil nicht, zeigt das EY-Trendbarometer.Bei den Nutzungsarten stehen für Investoren traditionell Büros im Fokus. Das dürfte auch in Zukunft so bleiben. Weniger klar ist allerdings, wie es im Wachstumssegment der vergangenen Jahre, dem gewerblichen Wohnen, weitergehen wird. Der Berliner Mietendeckel drückt den Investoren bereits mächtig auf die Stimmung. Hans Jürgen Kulartz, Immobilienvorstand der Berliner Sparkasse, beobachtet eine deutliche Zurückhaltung – ausdrücklich auch beim Neubau, obwohl er eigentlich ab Baujahr 2014 vom Mietendeckel ausgenommen ist. Ganz offensichtlich fürchten die Investoren eine Ausweitung der umstrittenen Regel. Angst vor dem MietendeckelSchon gehen Befürchtungen um, dass der Mietendeckel als Modell für andere Regionen Deutschlands herhalten könnte. Politiker in verschiedenen Städten, die ebenfalls von hohen Mieten und extrem geringen Leerständen betroffen sind, schauen auf das Beispiel Berlin und fragen sich, inwieweit sie es auf ihre Kommune übertragen können, gegebenenfalls mit Unterstützung der Landespolitik.Doch es bleibt auch Raum für eine Politik, die Investoren nicht verschreckt. Am besten unter den deutschen Großstädten dürfte in der Investorengunst Hamburg abschneiden. Denn dort wird seit Jahren eine erfolgreiche Neubaustrategie verfolgt, bei der alle Beteiligten von Investoren über Bauträger bis zur Politik an einem Strang ziehen. Es überrascht daher nicht, dass im EY-Trendbarometer die Bundeshauptstadt ihre Führungsposition als beliebtester Investmentstandort an die Hansestadt abgeben musste. Auf der KreditbremseManch Finanzierer nimmt die Unsicherheit zum Anlass, in der Kreditvergabe deutlich auf die Bremse zu treten. Peter Axmann von der Hamburg Commercial Bank, als erfahrener, aber auch besonders vorsichtiger Kreditexperte bekannt, will im laufenden Jahr vom Euro-Volumen her fast ein Drittel weniger neue Kredite vergeben als noch 2019. Er konzentriert sich noch stärker als in der Vergangenheit auf Büroimmobilien – ein Trend, dem auch manche Investoren, die bisher auf Wohnen gesetzt haben, folgen dürften. Gerade Berlin eröffnet da Chancen, besteht hier doch in der Neuerschließung Nachholbedarf.