Immobilienfinanzierung in Zeiten von Corona

Fokussierung, Expertise und ein intensiver Kundendialog sind heute so wichtig wie nie zuvor

Immobilienfinanzierung in Zeiten von Corona

Die Corona-Pandemie hat gravierende wirtschaftliche Folgen rund um den Globus – darin sind sich alle Marktbeobachter und Experten einig. Und natürlich treffen die Maßnahmen zur Eindämmung des Covid-19-Erregers auch die Immobilienmärkte und damit das Marktumfeld für die Finanzierung gewerblicher Immobilien. Zu erwarten ist, dass sich die Anbieter von Immobilienfinanzierungen mit den Folgen der Corona-Pandemie noch längere Zeit intensiv werden beschäftigen müssen.Die unmittelbaren Auswirkungen zeichnen sich bereits ab. Hierzu zählen deutlich reduzierte Transaktionsvolumina und auch Preisveränderungen auf den Immobilienmärkten, die derzeit zum einen aus kurzfristigen Effekten und zum anderen aus langfristigen Erwartungen resultieren – diese kompensieren sich in einigen Fällen, in vielen aber nicht. Zu den unmittelbaren Folgen für die Nutzer von Immobilien, sofern es sich um gewerbliche Mieter handelt, zählen Ertragseinbußen. Diese lösen zweifellos bei vielen Unternehmen existenzielle Sorgen sowie Probleme aus und ziehen Nachfragen nach Mietstundungen und Veränderungen von Mietverträgen nach sich. Auch die Unmöglichkeit der Weiterzahlung von Mieten ist eine Option.Neben diesen unmittelbaren Folgen könnte es aber auch zu weitreichenden mittel- und langfristigen Strukturveränderungen kommen, ausgelöst durch veränderte Konsum- und Arbeitsgewohnheiten. Nicht selten sind dies jedoch Entwicklungen, die ohnehin stattgefunden hätten, jedoch durch die Krise an Dynamik zunehmen.Ein Blick auf die wichtigsten Objektarten in der Finanzierung von gewerblichen Immobilien zeigt dies deutlich: Logistikimmobilien beispielsweise wiesen bereits vor der Pandemie attraktive Wachstumspotenziale auf. Die durch Covid-19 induzierten Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des Virus haben dort Trends grundsätzlich verstärkt. Je länger angesetzte und gelebte Social-Distancing-Regeln andauern, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Verbraucher ihre Einkaufsgewohnheiten verändern und teilweise permanent anpassen, weil sie zum Beispiel die in Pandemiezeiten gelernten Vorteile eines Online-Einkaufs nicht mehr missen wollen.Die hohe Auslastung der Logistikzentren in der Krise führte kurzfristig zu einem steigenden Bedarf an zusätzlichen Kapazitäten. Teile dieser zusätzlich benötigten Flächen werden künftig permanent nachgefragt werden. Dies sollte sich zusammen mit dem Trend einer nach wie vor anhaltenden Globalisierung und einem neuen Bedarf an “Nearshoring”, also der Verlagerung von Aktivitäten in nahegelegene Regionen oder Standorte, positiv auf das Marktumfeld für die Finanzierung von Logistikimmobilien in den kommenden Jahren auswirken. Eine andere Situation liegt in der Hotellerie vor: Aufgrund der Pandemie mussten zahlreiche Hotels rund um den Globus vorübergehend schließen. Marktanalysen belegen somit wenig überraschend, dass die Tourismus- und die Gastgewerbebranche insgesamt zu den kurzfristig am stärksten von der Corona-Pandemie beeinträchtigten Sektoren zählen. Allerdings: Eine nähere Analyse der Situation in den Hotels zeigt auch, dass diese in den vorangegangenen Jahren im Durchschnitt hohe Erträge erzielten und viele Investoren in diesem Segment über belastbare Liquiditätspolster verfügen. Hoteliers steuern flexibelAußerdem sind gerade Hoteliers darin erfahren, die Auslastung ihrer Häuser flexibel zu steuern, da aufgrund der saisonalen Unterschiede und schwankenden Auslastungen nicht wenige Hotels ohnehin üblicherweise ihren Betrieb für einige Monate herunterfahren. Und dass die Auslastungsquote mit einem Abklingen der Pandemie schnell wieder ansteigen kann, zeigt die Entwicklung in China: Dort ist bereits ein Großteil der Hotels wieder geöffnet, und die Auslastungsraten steigen von Woche zu Woche. Insbesondere das gehobene Segment erholt sich schnell, da Gäste dort die höchsten Qualitäts-, Sicherheits- und Hygienestandards vermuten.Daher ist trotz der gegenwärtigen Durststrecke in der Hotellerie eine relativ schnelle Erholung wahrscheinlich – wenn auch mit regionalen Unterschieden und Zeitverzögerung zwischen touristischen und eher auf Geschäftsreisen fokussierten Häusern. Klar ist auch, dass Stadt- und Businesshotels anders und länger betroffen sein könnten und dass der Wegfall der Möglichkeit des internationalen Reisens zu einer erheblichen Veränderung der Nachfragestruktur – zumindest kurzfristig – führt.Zu tiefgreifenden Veränderungen wird es nach unserer Einschätzung auch bei Retail- und Büroimmobilien kommen. Hier trägt die Corona-Pandemie dazu bei, dass sich das Kunden- beziehungsweise Nutzerverhalten ändert und es mittelfristig zu strukturellen Anpassungen in den Immobilienkonzepten kommen wird. Bei Immobilien im Retailbereich ist schon seit längerem der Trend zu beobachten, dass sich der stationäre Einzelhandel zugunsten von Multi-Channel-Retailkonzepten und eines wachsenden Online-Handels verschiebt. Dieser Trend dürfte sich durch die Pandemie beschleunigen. Zu erwarten ist, dass einige der großen Non-Food-Retailer ihre Filialnetze weiter konsolidieren. Davon dürften Shopping-Center in A-Lagen profitieren. Eine Vielzahl von Einzelhandelsgeschäften, denen womöglich die finanzielle Durchhaltekraft fehlt, könnte dagegen vom Markt verschwinden.Doch auch wenn der Online-Handel weiter an Bedeutung gewinnt, gibt es keinen Grund zu der Annahme, dass Menschen künftig nicht mehr analog einkaufen werden. Vielmehr ist zu erwarten, dass gerade die Attraktivität von auf das veränderte Kunden- und Nutzerverhalten ausgerichteten Shopping-Centern steigen wird. Diese haben sich bereits in den vergangenen Jahren immer mehr von reinen Einkaufsorten zu Restaurant- und Erlebnisstätten entwickelt – mit fortschreitendem Tempo. Die Finanzierung von Retailimmobilien wird daher auch künftig einen attraktiven Markt darstellen, sofern diese mit auf die neuen Anforderungen der Kunden ausgerichteten Konzepten überzeugen und somit Mieter langfristig und nachhaltig für sich gewinnen können.Wie sich Büroimmobilien künftig entwickeln, wird stark von der Flexibilität ihrer Designs und ihrer Lage abhängen. Die für viele Arbeitnehmer und -geber zweifelsohne steigende Bedeutung des Homeoffice wird die Nutzungsanforderungen an Büroflächen verändern. Einige große Unternehmen haben bereits öffentlich entsprechende Absichten erkennen lassen. Gleichzeitig müssen sich Großraumbüros und Co-Working Spaces mit Blick auf die Umsetzung von Social-Distancing-Regeln und die Einhaltung von Gesundheitsstandards anpassen.Der Trend geht hin zu flexiblen und kollaborativen Flächen. Die Entwicklung zu gefragten Lagen aufgrund der veränderten Anforderungen der jüngeren Generationen und der “Digitalisierung” des Arbeitsumfeldes wird tendenziell B- und C-Standorte vor größere Herausforderungen stellen. A-Lagen dürften hingegen gefragt bleiben. Ein Markteinbruch auf breiter Front ist aktuell jedenfalls nicht zu erwarten.Um Krisen, in denen Immobilien und Geschäftsmodelle beeinträchtigt sind, gut zu meistern, sind Know-how in den verschiedenen Immobilienarten, ein stringentes Geschäftsmodell mit einer nachhaltigen Geschäftsstrategie und adäquatem Risiko-/Ertragsbewusstsein sowie ein langfristig partnerschaftlicher Ansatz zwischen Kunde und Bank wesentliche Voraussetzungen. Gerade bei Letzterem ist es wichtig, dass beide ihr Geschäft verstehen und zu ihren gemeinsamen Engagements auch in schwierigen Zeiten stehen.Der seit vielen Jahren verfolgte Ansatz der Aareal Bank, Immobilien unabhängig von Lage, Art und Größe sorgfältig und mit hoher Intensität zu analysieren, wobei sie sowohl auf lokale wie auch dedizierte Sektorenteams zurückgreifen kann, zahlt sich in Zeiten wie diesen ganz besonders aus. Innerhalb kürzester Zeit sämtliche, über mehrere Kontinente verteilte Kunden persönlich kontaktieren zu können und gemeinsame Vorgehensweisen partnerschaftlich zu erarbeiten, ist dabei ein klarer Vorteil. Intakt und zukunftsfähigSo verstanden und praktiziert, ist das Geschäftsmodell der gewerblichen Immobilienfinanzierung als solches intakt und zukunftsfähig, auch wenn es durch die Corona-Pandemie zu kurzfristigen Marktverwerfungen und wirtschaftlichen Einbußen kommen kann. Es gibt auch keinen Anlass, einzelne Objektarten bei der Finanzierung generell in Frage zu stellen. Viele Marktteilnehmer erwarten kurzfristig zwar eine Dämpfung des Preisauftriebs der vergangenen Jahre, und auch ein mehr oder weniger ausgeprägter Preisverfall in einigen Märkten und Objektarten gilt als nicht ausgeschlossen. Langfristig spricht allerdings vieles für weiter steigende Immobilienpreise. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Zinsen weiterhin niedrig bleiben, die Quantitative-Easing-Maßnahmen beibehalten sowie staatliche Stützungs- und Ausgabenprogramme beschlossen und zeitnah umgesetzt werden.Das heißt: Die Corona-Pandemie ist ein gewaltiger Einschnitt für die globale Wirtschaft – und damit auch für die Immobilienmärkte, doch für sich allein kein Auslöser für einen Paradigmenwechsel. Christof Winkelmann, Vorstandsmitglied der Aareal Bank AG