Immobilienfinanzierung ist mehr als Geldvergabe

Know-how rückt stärker in den Mittelpunkt der Geschäftsbeziehung - Vom Kreditgeber zum Finanzierungsarrangeur

Immobilienfinanzierung ist mehr als Geldvergabe

Die klassische gewerbliche Immobilienfinanzierung erfolgt nach einem simplen Prinzip: Die Bank stellt Kredit für die langfristige Finanzierung von Gewerbeimmobilien zur Verfügung, der Kreditnehmer zahlt als Entgelt einen Zins. Dieses Geschäftsmodell der Immobilienfinanzierer hat jahrzehnte-, ja vielleicht sogar jahrhundertelang bestens funktioniert. Heute müssen sich Banken jedoch kontinuierlich weiterentwickeln, wollen sie bei zunehmender Regulatorik, erhöhtem Wettbewerb und veränderten Kundenbedürfnissen nicht den Anschluss verlieren. Kredit bleibt AnkerproduktNatürlich gilt dieses Grundprinzip “Geld gegen Zins” heutzutage immer noch, aber die dominierende Rolle nimmt sukzessive ab. Zum einen verändert sich die Struktur des Immobilienmarktes. Die Investoren managen ihren Immobilienbestand sehr viel aktiver als in der Vergangenheit. Die Haltedauer von Immobilien hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verkürzt, was sich natürlich auch auf die Finanzierungsseite auswirkt. Betrug die durchschnittliche Laufzeit des Kreditbestands eines gewerblichen Immobilienfinanzierers in den achtziger und neunziger Jahren meist mehr als acht Jahre, sind es heute oft nicht mal mehr fünf Jahre. Zum anderen fragen Investoren maßgeschneiderte, auf ihre Ansprüche zugeschnittene Finanzierungen nach, die ein entsprechendes Know-how bei Banken erfordern.Dieser Entwicklung haben die gewerblichen Immobilienfinanzierer Rechnung zu tragen und müssen ihre Geschäftsmodelle auf diese erweiterten Anforderungen anpassen und permanent weiterentwickeln. Zwar wird der klassische Kredit auch in Zukunft das Ankerprodukt sein, doch zugleich wird die Zurverfügungstellung von Know-how stärker als bisher in den Mittelpunkt der Geschäftsbeziehung rücken. Erfahrene Immobilienfinanzierer verfügen nicht nur über die fachliche Finanzierungsexpertise, um Engagements individuell zu strukturieren, sondern können ihren Kunden auch als Counterpart beratend zur Seite stehen. Bei Transaktionen, die nicht selten dreistellige Millionenbeträge erreichen, entscheiden in der Planungsphase schließlich oft kleinere Details über den Erfolg oder Nichterfolg von Investitionen. Immobilienfinanzierer können da mit ihrem Know-how von Beginn an ein nicht zu unterschätzendes Zahnrad im Schaltgetriebe der Investoren sein. Deals gemeinsam stemmenVorteile ergeben sich ebenfalls für die Kunden, wenn verschiedene Finanzierer zusammenarbeiten und so Finanzierungen realisieren, die die Akteure einzeln womöglich nicht übernehmen würden. Club Deals und Konsortialfinanzierungen stellen dabei die klassische Form der Kooperation von Banken dar. Da allerdings in den vergangenen Jahren auch Versicherungen, Pensionsfonds und Versorgungskammern aufgrund der im Verhältnis zu anderen Anlageformen attraktiveren Zinsen in den Markt für gewerbliche Immobilienfinanzierungen eingetreten sind, treten diese Akteure verstärkt als Finanzierungspartner auf: Jüngstes Beispiel ist die strategische Partnerschaft zwischen der Deutschen Hypo und der Bayerischen Versorgungskammer (BVK). Demnach beteiligt sich die BVK vorerst mit 500 Mill. Euro an gewerblichen Immobilienfinanzierungen der Deutschen Hypo.Die Vorteile liegen für alle Beteiligten auf der Hand: Die BVK nutzt das Spezialwissen, die gefüllte Deal-Pipeline und den Kundenzugang des erfahrenen Immobilienfinanzierers, muss aber die eigenen Kapazitäten für den neuen Markteintritt nur in überschaubarem Maß erhöhen. Die Deutsche Hypo wiederum erzielt zusätzliche Servicing-Gebühren und steht ihren Kunden nun auch für deutlich höhere Finanzierungsvolumina zur Verfügung. Vor diesem Hintergrund werden Versicherungen, Pensionsfonds und Versorgungskammern, die ohnehin recht selektiv finanzieren, weniger als neue Wettbewerber gesehen, sondern eher als potenzielle Partner, mit denen gemeinsam großvolumige Finanzierungen realisiert werden können.Zumal diese neuen Akteure verstärkt auch auf das Angebot eingehen, in andere Produkte der Immobilienfinanzierer zu investieren. Beispielsweise legt die Deutsche Hypo derzeit gemeinsam mit der Nord/LB Asset Management ihren ersten Immobilienkreditfonds für einen institutionellen Investor auf. Der Fonds hat ein Startvolumen von 200 Mill. Euro und investiert in ein diversifiziertes Portfolio von Immobilienfinanzierungen der Bank. Durch die Finanzierungsbeteiligung erzielt der institutionelle Investor eine attraktive Rendite. Genauso wie die strategische Rahmenvereinbarung bietet sich auch solch ein Kreditfonds an, um als Bank zusätzliche Finanzierungsmittel einzuwerben und damit noch stärker als Finanzierungsarrangeur aufzutreten.Darüber hinaus wird der langfristige Erfolg von gewerblichen Immobilienfinanzierern auch weiterhin davon abhängen, ob sie in den richtigen Märkten und richtigen Asset-Klassen finanzieren und mit welchem Risikoappetit sie unterwegs sind. Das entscheidende Kriterium wird dabei immer die Objektqualität sein. Parameter wie Zustand und Lage der finanzierten Immobilie bleiben neben der Partnerqualität das A und O bei der Beurteilung einer Finanzierung. Deutschland an der SpitzeHinsichtlich der europäischen Immobilienmärkte hat sich in den vergangenen Jahren Deutschland die Pole Position gesichert. Auch die Zukunftsaussichten könnten für den deutschen Markt kaum besser sein, so dass die Nachfrage ungebrochen hoch ist und die Anzahl der ausländischen Investoren stetig zunimmt. Weitere Kernmärkte neben Deutschland sind nach wie vor Großbritannien, Frankreich und Benelux. Jenseits dieser Länder entwickeln sich zudem weitere Märkte positiv – allen voran unser Nachbarland Polen, wo sowohl die Konjunkturdaten als auch die Finanzierungsmöglichkeiten optimistisch stimmen. Gewerbliche Immobilienfinanzierer, die über langjährige Erfahrung und über lokales Know-how verfügen, werden die sich bietenden Marktchancen in aufstrebenden Märkten wie Polen nutzen können. Marktnischen nutzenBei den gewerblichen Objekttypen werden Büro- und Einzelhandelsimmobilien weiterhin dominieren. Core-Immobilien sind dabei von Investoren und Finanzierern so gesucht wie noch nie. Jedoch kann das Angebot mit der hohen Nachfrage nicht mithalten, mit entsprechenden Auswirkungen auf Preise und damit Renditen. Investoren sind deshalb nicht nur in der aktuellen Marktphase gut beraten, auch auf Geschäftsmöglichkeiten jenseits des Core-Segments zu setzen. Denn auch in Nischen bieten sich Chancen – erfahrene Immobilienfinanzierer können ihnen dabei als professioneller Partner zur Seite stehen. Ein gutes Beispiel sind hier Hotelfinanzierungen, für die ein hohes Maß an Branchen-Know-how erforderlich ist. Die Anzahl der Banken, die Hotels finanzieren, ist demnach auch überschaubar.Gleiches gilt für die Begleitung von Projektentwicklungen. Die Konzeptions-, Investitions-, Vermietungs- und Exitphase erfordern die profunde Kenntnis der einzelnen Arbeitsschritte und das gründliche Abwägen der damit einhergehenden Risiken. Dies trifft genauso auf die Finanzierung von Refurbishments zu, die im Zuge der anhaltenden Angebotsknappheit von Core-Immobilien verstärkt in den Fokus von Investoren rücken. Refurbishments von Objekten in guten Lagen dienen dazu, die Wettbewerbsfähigkeit von in die Jahre gekommenen Immobilien wiederherzustellen, dauerhaft zu sichern und auf diese Weise Werte zu sichern bzw. zu schaffen. Modernisierungsmaßnahmen sind daher eine interessante Alternative, die große Nachfrage nach Core-Immobilien zu stillen. Um solche anspruchsvollen und komplexen Transaktionen wie Projektentwicklungen und Refurbishments erfolgreich begleiten zu können, ist auf Seiten der gewerblichen Immobilienfinanzierer auch hier das vorliegende Spezial-Know-how entscheidend.Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich gewerbliche Immobilienfinanzierer immer mehr vom reinen Kreditgeber zum Finanzierungsarrangeur entwickeln. Der Kredit wird zwar auch weiterhin das Ankerprodukt bleiben, doch gewinnt zugleich auch der Verkauf von Finanzierungs- und Markt-Know-how an Bedeutung. Investoren wissen es zu schätzen, wenn sie sich mit ihrer Bank fachlich austauschen können. Von dem Know-how-Transfer profitieren auch neue Marktakteure wie Versicherungen, Pensionsfonds und Versorgungskammern, die ihre Liquidität in ein neues Geschäftssegment investieren können, ohne dabei die eigenen Kapazitäten entscheidend zu erhöhen. Ferner bieten Marktnischen wie Hotelfinanzierungen, Projektentwicklungen und Refurbishments Immobilienfinanzierern interessante Geschäftsmöglichkeiten, sofern sie die erforderliche Expertise vorweisen können.—Von Andreas Pohl, Sprecher des Vorstands der Deutschen Hypo