Zinswende

Immobilien­käufer flüchten in lange Zinsbindung

Der rasante Zinsanstieg verunsichert private Immobilienkäufer: Die Kreditvermittler Interhyp und Dr. Klein berichten, dass sich die Kundschaft das aktuelle Zinsniveau möglichst lange sichern wolle.

Immobilien­käufer flüchten in lange Zinsbindung

jsc Frankfurt

Der abrupte Zinsanstieg in den vergangenen Wochen bremst den Markt für Immobiliendarlehen bisher nicht aus – im Gegenteil: Die Kreditvermittler Interhyp und Dr. Klein verzeichnen derzeit mehr Anfragen als noch vor einem Jahr, wie beide Unternehmen der Börsen-Zeitung erklären. Besonders stark ist der Wunsch der Privatleute, das aktuelle Zinsniveau noch möglichst lange zu sichern: Die Vermittler sehen eine hohe Nachfrage nach längeren Zinsbindungen sowie nach Forwarddarlehen für die Anschluss­finanzierung. Das Interesse am Kauf einer Bestandsimmobilie oder eines Neubaus sei hingegen eher stabil geblieben, schreibt Dr. Klein, die zur Hypoport-Gruppe gehört.

Allein seit Jahresbeginn sind die Zinsen für Darlehen mit einer Zinsbindung von zehn Jahren nach Daten der Interhyp von 1,0% auf mehr als 2,5% gestiegen. Bei der ebenfalls verbreiteten Zinsbindung von 15 Jahren sieht das Portal einen Sprung von 1,3% auf 2,8%. Der Zuwachs fällt damit deutlich stärker aus als in früheren Marktphasen (siehe Grafik). Auch Hypoport sieht einen kräftigen Anstieg. Die Kundschaft sei „mindestens irritiert und verunsichert“, schreibt Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender von Dr. Klein. „Diese Dynamik hat schließlich niemand kommen sehen.“ Interhyp-Managerin Mirjam Mohr, im Vorstand verantwortlich für das Privatkundengeschäft, sieht die Kundschaft unter Druck, „sich noch schnell günstige Zinsen zu sichern“.

Die zehnjährige Zinsbindung ist auch jetzt in der Immobilienfinanzierung verbreitet, doch wächst der Anteil einer längeren Bindung: Bereits bei der Hälfte der Immobilienfinanzierungen im ersten Quartal wählten Kunden eine Zinsbindung von 15 Jahren oder mehr aus, wie die Plattform Europace berichtet, die ebenfalls zur Hypoport gehört und auf die auch Dr. Klein zugreift. Der Anteil ist damit seit dem Schlussquartal 2021 um annähernd 3 Prozentpunkte gestiegen. Auch die besonders langen Zinsbindungen von 20, 25 oder gar 30 Jahren sind mittlerweile gefragt. Der Spread, also der Zinsaufschlag gegenüber Krediten mit kurzer Bindung, ist laut Dr. Klein aktuell eher gering, so dass sich eine lange Festsetzung lohne.

Belastung steigt und steigt

Für die Kunden kommt der rasante Anstieg allerdings bereits ohne Aufschlag für längere Bindungsfristen teuer. Die Interhyp rechnet vor: Der Anstieg der Zinsen seit Jahresbeginn für Darlehen mit zehnjähriger Zinsbindung – also ein Sprung von 1% auf 2,5% – bedeutet bei einem Kredit von 300000 Euro und einer anfänglichen Tilgung von 3%, dass die monatliche Rate von 1000 auf 1375 Euro steigt. Der höhere Zins ist also eine spürbare Belastung, auch wenn die Laufzeit bis zur Volltilgung in diesem Beispiel sinkt. Längere Zinsbindungen bringen zwar mehr Sicherheit, verteuern das Darlehen aber weiter. Bei einer Frist von 20 Jahren etwa wären bereits Zinsen von annähernd 2,9% fällig, wie die Interhyp ausweist. Die monatliche Rate läge damit schon bei 1475 Euro.

Die Nachfrage nach Immobilien bleibt aber hoch. Zwar seien die Objekte durch steigende Zinsen – neben höheren Baukosten – nun weniger erschwinglich als zuvor, wie der Immobilienverband IVD festhält. „Dennoch wird die Nachfrage weiterhin höher als das Angebot sein.“ Bei den Maklern mache sich noch kein Rückgang der Nachfrage bemerkbar. Einen Preisanstieg für Wohnimmobilien hält der Verband weiterhin für realistisch, wenn auch weniger stark als zuvor. Im vergangenen Jahr haben sich Wohnobjekte um 10,7% verteuert, wie wiederum der Pfandbriefbankenverband VDP berichtet.

Uneinig zeigen sich die Experten bislang, wohin das Zinsniveau steuert. Interhyp-Managerin Mohr hält ein Niveau von 3% für Kredite mit zehnjähriger Zinsbindung bis Jahresende für realistisch. Dr.-Klein-Chef Neumann hebt hervor, dass der künftige Kurs der EZB unklar sei. „Aus meiner Sicht preist der Markt aktuell mehr Zinsschritte ein, als wir dieses Jahr sehen werden – und deshalb sehe ich im aktuellen Zinsniveau eine gewisse Übertreibung.“

Wertberichtigt Seite 8

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