Innovationstrend Industrie 4.0 ist nicht aufzuhalten

Aktienanleger sollten diese Entwicklung aufmerksam verfolgen - Small Caps als interessantes Investmentthema

Innovationstrend Industrie 4.0 ist nicht aufzuhalten

Aktienmärkte sind, das ist ihr Wesen, stets auf der Suche nach den unentdeckten Wachstumsperlen. Unter dem Stichwort Industrie 4.0 machen die Märkte gegenwärtig ein neues, spannendes Segment der Industriellen Revolution aus.Neben dem Wachstum, welches sich durch die Verdrängung einzelner Marktfelder herausbildet, kommt vor allem dem aus technologischen Neuerungen entstehenden Wachstum eine entscheidende Rolle zu. Hierbei entsteht ein neues Produkt, welches am Anfang nur eine geringe Penetration aufweist, im Laufe der Zeit jedoch in einer sogenannten S-Kurve den Markt nahezu komplett durchdringt.Während Kühlschränke hierfür 35 Jahre benötigt haben, waren es bei Handys nur noch zehn Jahre und im Smartphone-Bereich gerade noch fünf Jahre. Und wie schnell Facebook, Twitter und WhatsApp unsere Welt erobert haben, haben wir alle in jüngster Erinnerung. Ähnlich rasante Entwicklungen haben wir auch in der industriellen Produktion erfahren. Entscheidender SchubAlles begann mit der Dampfmaschine. Sie gab der Industrialisierung den entscheidenden Schub. In den Fabriken war man infolge dessen weniger abhängig von menschlicher Muskelkraft. Mechanische Produktionsanlagen fertigten Waren schneller und in größerer Stückzahl als bisher. Auf diese erste industrielle Revolution folgten weitere Entwicklungssprünge – ausgelöst durch technologische Fortschritte.So ermöglichte die elektrische Energie Anfang des 20. Jahrhunderts die arbeitsteilige Massenproduktion. Zu Beginn der siebziger Jahre zogen Elektronik und Informationstechnologien in die Fabriken ein und sorgten für eine Automatisierung der Produktionsprozesse. Maschinen übernahmen Arbeitsschritte, die zuvor per Hand erledigt wurden.In dieser dritten Phase des Industrialisierungsprozesses befinden wir uns heute noch, wenn auch auf ganz anderer Ebene. Wer einmal in den Karosseriebau der großen Automobilhersteller hineinschaut, und dies ist absolut lohnenswert, wird in Hallen mit der Dimension mehrerer Fußballfelder nur noch Roboter sowie wenige Servicemitarbeiter und Qualitätssicherer finden. Das Internet, mobile Computer und Cloud Computing bieten das Potenzial, den industriellen Prozess einmal mehr entscheidend zu verändern. Dank leistungsfähiger Kleincomputer, die als eingebettete Systeme in Objekte integriert werden, können Produkte und Maschinen selbständig Informationen in Echtzeit austauschen. Der industrielle Prozess wird nicht mehr zentral aus der Fabrik heraus organisiert, sondern dezentral und dynamisch gesteuert. Ziel ist es, die Produktion noch weiter zu flexibilisieren und die Produktionszeiten zu verkürzen, um individuellen Kundenwünschen stärker und schneller Rechnung tragen zu können.Auf Halde produzierte Autos werden dann der Vergangenheit angehören. Nicht wenige Marktbeobachter sehen in der profitablen, ressourcen- und energieeffizienten Abwicklung von Kleinstaufträgen bis hinunter zur Losgröße eins die einzige Chance für die deutsche Industrie, um im Wettbewerb mit kostengünstiger asiatischer Massenproduktion langfristig bestehen zu können. Logische FortentwicklungMithin ist die Industrie 4.0 zwar ein visionäres Konzept, stellt gewissermaßen aber lediglich die logische Fortentwicklung der langjährig gewachsenen deutschen Wirtschaftsstrukturen dar. Damit hebt sie sich wohltuend von den Märkten der Solar- und Windkraftanlagenbauer ab, die durch Steuervergünstigungen und staatliche Förderungen künstlich geschaffen wurden. Während im Sektor der regenerativen Energien der Staat direkt durch das Setzen von Preispunkten wie der Einspeisevergütung in den Markt eingriff und damit letztlich die Aktienkursbewegungen determinierte, ist das Thema Industrie 4.0 weitgehend frei von staatlichen Eingriffen.Die Bundesregierung beschränkt sich bislang auf den flächendeckenden Ausbau leistungsfähiger Breitbandnetze und schafft somit eine wichtige Infrastrukturkomponente für die Industrie 4.0. Zur entsprechenden Implementierung neuer, Industrie-4.0-fähiger Produktionsanlagen sind Finanzmittel notwendig, die von den Unternehmen selbst bereitgestellt werden müssen. Da diese dem Gedanken der Kapitaleffizienz Rechnung tragen müssen, besteht aus Sicht der Aktienanleger eine gute Chance, dass das Thema Industrie 4.0 nachhaltiger ist als die Boom-und-Bust-Märkte der regenerativen Energien. Alte Berufe verändern sichDie mit der Industrie 4.0 assoziierten Merkmale Echtzeitfähigkeit und Vernetzung betreffen nicht nur das verarbeitende Gewerbe, sondern beeinflussen auch die Geschäftsmodelle in anderen Branchen und Sektoren. Als Beispiele seien hier intelligente Stromzähler (Smart Metering) und -netze (Smart Grid) oder auch intelligentes Wohnen (Smart Home) genannt. Selbst Jahrtausende alte Berufe wie der des Landwirtes erfahren im Rahmen des Smart Farming eine Veränderung. Beispielsweise erlaubt die sofortige Bestimmung der Bodengüte oder des Schädlingsbefalls mittels Sensoren den gezielteren Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden. Einmal mehr sind Effizienzgewinne in Form höherer Ernteerträge bei geringerer Belastung der Umwelt das Ziel.Industrie 4.0 liefert zahlreichen Branchen neue Impulse. Zu nennen sind hier neben dem klassischen Maschinenbau die Softwareindustrie, IT-Dienstleistungen, die Sensortechnik und – last but not least – die Machine Vision, die sich neben der klassischen Optik mit der digitalen Bildverarbeitung oder der 3-D-Messtechnik befasst.Für den interessierten Aktienanleger stellt sich die Frage, wie er dieses Thema in seinem Depot umsetzen kann. Unter den großkapitalisierten Unternehmen des Dax 30 sticht natürlich SAP ins Auge, die mit der Entwicklung ihrer neuartigen Datenbanktechnologie HANA ein wichtiges Instrument in den Händen hält, um die im Rahmen der Industrie 4.0 anfallenden ungeheuren Datenmengen effizienter als bisher verarbeiten zu können.Im Bereich der mittelkapitalisierten Unternehmen des MDax ist an erster Stelle der Roboterhersteller Kuka zu nennen. Mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung im Bereich der Industrieroboter ist dieses Unternehmen geradezu prädestiniert, beim Thema Industrie 4.0 eine wichtige Rolle zu spielen. Vor diesem Hintergrund ist es wahrscheinlich auch kein Zufall, dass sich die Familienunternehmen Friedhelm Loh Group und Grenzebach Maschinenbau GmbH jüngst rund 30 % an Kuka gesichert haben und damit das Unternehmen kontrollieren können.Naturgemäß dichter gespickt ist der Kurszettel des TecDax und der Nebenwerte. Allein im Bereich der Machine Vision tummeln sich Unternehmen wie Isra Vision, Advanced Vision Technology, Basler, Augusta Technologie oder Viscom. Aber auch Softwareschmieden wie PSI oder Cenit verfolgen interessante Geschäftsmodelle mit Industrie-4.0-Appeal.Analytiker vermuten, dass es gerade die kleinen Unternehmen und Start-ups sind, denen es gelingt, aus verschiedenen Technologien und Software neuartige Produkte ins Leben zu rufen. Ein schönes Beispiel ist die deutsche Firma Goal Control aus Würselen, mit deren Bildverarbeitungssystem während der letzten Fußballweltmeisterschaft erstmals zweifelsfrei geklärt werden konnte, ob der Ball die Torlinie überschritten hat. Faszinierend ist es, dass diese Unternehmen aufgrund der extrem starken Spezialisierung bei Erfolg oftmals unmittelbar zum Weltmarktführer werden und so die lange Liste der deutschen Hidden Champions bereichern. Ob dies an der Börse der Fall sein wird, bleibt abzuwarten.Wie immer wird es auch hier Gewinner und Verlierer geben. Der Innovationstrend Industrie 4.0 wird aber nicht aufzuhalten sein. Insofern sollte der Aktienanleger diese Entwicklung aufmerksam verfolgen.—Von Reinhard Pfingsten, Chief Investment Officer bei Hauck & Aufhäuser Privatbankiers KGaA und Nils Bartram Fondsmanager bei Hauck & Aufhäuser Privatbankiers KGaA