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"Insgesamt fließt den Aktionären mehr zu"

Interview mit Yunyoung Lee

"Insgesamt fließt den Aktionären mehr zu"

Herr Lee, bei japanischen Unternehmen gab es in den vergangenen Jahren große Veränderungen. Welche sind das?Die Corporate Governance hat sich in Japan deutlich verbessert. Man muss hier von einer strukturellen Wende sprechen. In den vergangenen Jahren hat ein Mentalitätswandel stattgefunden, der zu mehr Transparenz und letztlich deutlich gestiegenen Renditen geführt hat. Dies wird auch in den kommenden Jahren anhalten.Wie entwickeln sich die Ausschüttungen?Insgesamt fließt den Aktionären mehr zu: Sowohl Dividenden als auch Aktienrückkäufe haben deutlich zugenommen. Dies können sich japanische Unternehmen auch erlauben, weil ihre Cash-Bestände in den vergangenen Jahren erheblich gewachsen sind.Haben die japanischen Firmen ihre Hausaufgaben gemacht?Ja, zu einem gewissen Grad. Aus Sicht von Aktionären gibt es jedenfalls klare Fortschritte. Insgesamt kann man sagen, dass japanische Unternehmen insbesondere dank Abenomics wertvolle Lektionen gelernt haben.Wie entwickeln sich die Gewinne?Das Gewinnwachstum hat sich beschleunigt und liegt über dem amerikanischer und europäischer Firmen. Wir erwarten für das laufende Jahr ein Gewinnwachstum von 12 bis 13 % gegenüber dem Vorjahr. Etwa die Hälfte dieses Wachstums resultiert aus dem schwachen Yen, die andere Hälfte ist laufendes Ertragswachstum, das vor allem aus erhöhter Produktivität und Effizienzverbesserungen resultiert.Wie ist der japanische Aktienmarkt bewertet?Obwohl sich der Nikkei mit Beginn der Abenomics Ende 2012 beinahe verdoppelt hat, liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis immer noch bei 14 bis 15. Denn auch die Gewinne haben sich knapp verdoppelt. Das Kurs-Buchwert-Verhältnis liegt bei 1,2 bis 1,3. Insgesamt ist der japanische Aktienmarkt aus unserer Sicht derzeit attraktiv bewertet.US-Titel sind derzeit höher bewertet, oder?Richtig. Jahrelang wurde der japanische Aktienmarkt mit einem deutlichen Discount gegenüber US-Titeln bewertet. Die zuvor erwähnten strukturellen Veränderungen am japanischen Kapitalmarkt haben zu einem Wandel geführt. Der historische Discount gegenüber Japan ist daher nicht mehr gerechtfertigt, und die Bewertungen dürften auch in den kommenden Jahren weiter steigen. Wie beurteilen Sie die Auswirkungen der Politik Donald Trumps?Deregulierung und Infrastruktur-Investitionen dürften sich auch für japanische Firmen als positiv erweisen. Protektionistische Maßnahmen wären dagegen negativ, wobei japanische Unternehmen relativ gut gerüstet sind, diese zu bewältigen.Wie wird sich der Yen entwickeln?In den USA dürften die Zinsen weiter steigen. Wir erwarten zwei bis drei entsprechende Schritte der Fed in diesem Jahr. Dagegen wird die Bank of Japan aller Voraussicht nach die Zinsen nicht anheben. Somit besteht für den Yen weiterhin Druck für eine graduelle Abwertung gegenüber dem Dollar.Wie wichtig ist ein schwacher Yen für den japanischen Aktienmarkt?Seit Beginn der Abenomics hat der Yen bereits abgewertet. Japanische Unternehmen befinden sich jedoch in einer guten Position und erwirtschaften solide Gewinne. Eine weitere Abwertung des Yen wäre für die Unternehmen zusätzlicher Rückenwind. Wird China für Japan nicht immer wichtiger als Exportmarkt?In den kommenden zehn Jahren dürften nicht nur die japanischen Exporte nach China wachsen, sondern die Ausfuhren nach ganz Asien. Dazu gehören Länder wie Indonesien, Singapur, Vietnam, Thailand und Myanmar mit ihren wachsenden Mittelschichten. Japans Firmen und ihre starken Marken profitieren von diesem demografischen Wandel.Kann der Nikkei 2017 das fünfte Jahr in Folge zulegen?Die Chancen dafür stehen gut. Wir erwarten für den Nikkei und den marktbreiten Topix in diesem Jahr im Einklang mit der Gewinnentwicklung ein Aufwärtspotenzial von rund 12 bis 13 %.Internationale Investoren sind in Japan eher unterinvestiert. Birgt das Potenzial?Der japanische Aktienmarkt wird derzeit von drei strukturellen Käufern gestützt: Öffentliche Pensionsfonds, Aktienrückkäufe der Unternehmen und durch die Bank of Japan. Das verleiht ihm starken Rückenwind. Wir gehen davon aus, dass vor diesem Hintergrund auch ausländische Investoren 2017 japanische Aktien kaufen werden, was natürlich positiv für die Kursentwicklung wäre.Wie beurteilen Sie die Chancen von japanischen Nebenwerten?Aus Sicht eines Fondsmanagers sind japanische Small Caps interessant, weil es kaum Research für diesen Sektor gibt. Folglich kann man als “Stock Picker” viele attraktive Gelegenheiten entdecken.Yunyoung LeeFondsmanager bei Henderson Global Investors