12. FINANZPLATZTAG DER WM GRUPPE

Integrationshelfer für Nachhaltigkeit

Neue Anlagekriterien sollen kein Randthema sein, sondern Fondsmanagement durchziehen

Integrationshelfer für Nachhaltigkeit

Der Begriff der Nachhaltigkeit ist bereits überstrapaziert, und doch richtet die Branche ihr Selbstverständnis daran aus. Nicht mehr auf Ebene einzelner Fonds, sondern im gesamten Portfoliomanagement sollen neue Anlagekriterien zum Einsatz kommen, wie Vertreter der Branche auf dem 12. Finanzplatztag erklärten.Ähnlich äußerte sich Vanyo Walter, Managing Director von Pictet im Assetmanagement in Deutschland. Im laufenden Jahr solle die Integration nachhaltiger Kriterien für alle Investmentprodukte abgeschlossen sein. So berücksichtige das Haus ESG-Kriterien auch in der Bewertung von Staaten, “weil wir überzeugt sind, dass eine Volkswirtschaft langfristig von Nachhaltigkeit profitieren wird”, sagte er. Das Risiko einer Staatspleite etwa lasse sich genauer erfassen, wenn Kennziffern der Korruptionswahrnehmung des jeweiligen Landes in die Investmententscheidung einflössen. Ähnliche Ansätze etablierten sich auch anderswo, so dass bis 2035 Nachhaltigkeit weltweit fast überall in der Kapitalanlage berücksichtigt werde.Der Trend zur nachhaltigen Geldanlage führt zu einem neuen Selbstverständnis, mit dem sich die Branche nach außen präsentiert. War die nachhaltige Geldanlage bislang vor allem für einzelne Produkte und Mandate prägend, die in Summe aber nur einen kleinen Teil der Anlegermittel auf sich vereinen, so werden nachhaltige Kennziffern nun als grundsätzlich für die Erfassung von Chancen und Risiken gesehen – zumindest in der Außendarstellung einiger Gesellschaften.Union-Investment-Chef Reinke betonte, dass die Strategie keineswegs bedeute, eine nachhaltige Ausrichtung explizit in den Anlagerichtlinien sämtlicher Produkte festzuhalten. Er könne einen Anleger nicht zwingen, auf Nachhaltigkeit zu setzen, sagte er. Außerdem hält die Branche an ihrem Ermessensspielraum fest, was unter dem weiten Begriff der Nachhaltigkeit zu verstehen ist, wie Pictet-Manager Walter andeutete. “Das Thema gewinnt an Fahrt, aber ich glaube, dass dieser Begriff überstrapaziert wird.” Maschine braucht MenschDas Interesse an nachhaltigen Kriterien kommt vor allem von institutionellen Investoren – private Anleger zeigten weniger Appetit, wie Reinke einräumte. Der Aufwärtstrend der Branche bleibt im Geschäft mit Privatleuten aus seiner Sicht aus einem anderen Grund intakt: Sparer seien angesichts niedriger Zinsen bereit, neben Immobilien auch auf Fonds und Aktien zu setzen. Weil aber zugleich rund neun von zehn Privatleuten “keinen Bock” verspürten, sich mit Finanzthemen näher zu beschäftigen, bleibe die Rolle des Bankberaters zentral. Auch Instrumente im digitalen Vertrieb kämen in den meisten Fällen nicht ohne einen menschlichen Berater aus. Ähnlich äußerte sich Thorsten Heymann, Global Head of Strategy von Allianz Global Investors, der sich mit den Chancen, aber auch den Grenzen des Einsatzes künstlicher Intelligenz befasste. “Der Mensch ist innovativer, und – ganz wichtig im Vertrieb – er ist empathisch.”Chancen neuer Techniken sieht er in der Kapitalanlage. Hohe Investitionen in die Datenauswertung und in den Einsatz künstlicher Intelligenz seien notwendig, um eine große Zahl von Daten zu bewältigen und Muster zu identifizieren. Zugleich stoße die Technik ohne menschliche Anleitung schnell an Grenzen. “Selbst die schlauste Maschine im Portfoliomanagement ist – leider – dümmer als der dümmste Mensch”, sagte er.Der Einsatz einer Blockchain-Technik, die ein dezentrales und fälschungssicheres Buchungssystem ermöglicht, könne für eine Digitalisierung illiquider Anlageklassen wie Immobilien und Infrastruktur genutzt werden oder aber zur Verwahrung von Fondsanteilen, wie das französische Branchenprojekt Iznes derzeit erprobe, an dem sich die Allianz-Tochter beteiligt hat. Auch veranstalte das Haus Programmierwettbewerbe in Städten wie London oder Hongkong. Ein “Hackathon” vor Ort sei trotz Digitalisierung wichtig, um Fachkräfte aufzuspüren – und die sitzen oft nicht am Main. “Frankfurt ist leider nicht die Hauptstadt der Fintechs und Start-ups”, sagte er.