Investmentfonds beweisen Krisenresistenz

Anleger haben trotz Corona kräftig in Fonds investiert - Umsetzung neuer Werkzeuge für die Liquiditätssteuerung weit fortgeschritten

Investmentfonds beweisen Krisenresistenz

Mehr als 70 Mrd. Euro Nettozuflüsse in Publikums- und Spezialfonds zum Ende September 2020 – wer hätte im Coronajahr gedacht, dass das Neugeschäft das Niveau der Vorjahre 2019 und 2018 erreicht? Die deutsche Fondswirtschaft hat sich in einem schwierigen Börsenjahr 2020 bislang sehr gut geschlagen. Während in anderen Ländern mehrere Fonds wegen Abflüssen von Liquidität geschlossen werden mussten, haben sich die Fonds hierzulande als widerstandsfähig erwiesen. Dafür gibt es mehrere Gründe.Der erste Grund ist schlicht, dass sich die Börsen nach dem Einbruch im März so schnell erholt haben, dass private Anleger kaum Zeit hatten, falsch zu reagieren und in großem Umfang ihre Fonds zu verkaufen. Im ersten Quartal 2020 investierten private Haushalte in Deutschland sogar 5,8 Mrd. Euro in Investmentfonds. In anderen europäischen Ländern zogen sie dagegen unter dem Strich 5,9 Mrd. Euro aus Fonds ab; allein in England 6 Mrd. Euro und in den Niederlanden 2 Mrd. Euro. Es fällt auf, dass in diesen beiden Ländern Provisionen verboten sind. Bei den Spezialfonds ging das Neugeschäft vorübergehend zurück; nach dem besten Start in ein erstes Quartal seit 2015 verkauften institutionelle Anleger wegen des erhöhten Liquiditätsbedarfs im April und Mai in geringem Umfang Fondsanteile. Aber auch hier drehten sich die Vorzeichen ab Juni wieder ins Positive. So blieb es erfreulicherweise bei einer Delle im Neugeschäft, die in eine schnelle Erholung überging. Die Fondsabsätze zeigen, dass sich die Branche gut auf die neuen Umstände unter Corona eingestellt hat. Schon zur Jahresmitte war das Neugeschäft offener Fonds mit netto 37,9 Mrd. Euro wieder fast so hoch wie in den ersten sechs Monaten der beiden Vorjahre (jeweils rund 40 Mrd. Euro). Das Fondsvermögen erreichte bis Ende August mit 3 420 Mrd. Euro sogar einen neuen Rekordwert.Die Krisenresistenz der Investmentfonds hat ihre Ursachen auch in der Geldpolitik. Die niedrigen Zinsen schaffen ein günstiges Klima für Fonds. Mit Zinsprodukten und Bankeinlagen können die Sparer ihr Vermögen nicht mehr erhalten, geschweige denn vermehren. Inzwischen entdecken deshalb immer mehr Anleger Aktien-, Misch- und Immobilienfonds als Alternative zum Sparbuch und Festgeldkonto. Profitiert haben davon insbesondere Fondssparpläne. Effektives RisikomanagementDennoch bleiben Marktrisiken, die das Verhalten der Anleger in den kommenden Monaten zunehmend beeinflussen können. Umso wichtiger ist ein effektives und striktes Risiko- und Liquiditätsmanagement in den Fonds. Deutschland gilt hier als Vorreiter. Beispielsweise gelten die strengeren Regeln der AIFM-Richtlinie zum Liquiditätsmanagement hierzulande seit 2013 auch für OGAW-Fonds. Fondswirtschaft und BaFin haben darüber hinaus frühzeitig gemeinsame Leitlinien erarbeitet, die seit langem wirksame Prozesse (z. B. Liquiditätsstresstests) für den Umgang mit Liquiditätsengpässen sicherstellen. Dass dies auch für den gesamten Wertpapierfondsmarkt gilt, hat kürzlich der Internationale Währungsfonds bestätigt. In seinem Finanzstabilitätsbericht führt er die Widerstandsfähigkeit von Renten- und Geldmarktfonds während der Marktverwerfungen im März 2020 vor allem auf eine wirksame Liquiditätssteuerung zurück. Bei offenen Immobilienfonds bewährt sich die Rückgabefrist als Mittel, unbeherrschbare Abflüsse aus Investmentfonds zu verhindern. Dennoch ist der Werkzeugkasten zur Liquiditätssteuerung bei den offenen Wertpapierfonds noch nicht voll bestückt. Wir haben uns deshalb seit 2017 nachdrücklich dafür eingesetzt, weitere Werkzeuge ins Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) aufzunehmen. Mit Erfolg: Seit Ende März enthält das KAGB drei zusätzliche Möglichkeiten der Liquiditätssteuerung, die als milderes Mittel gegenüber Fondsschließungen zum Einsatz kommen können: das sogenannte Swing Pricing, bei dem der Preis der Fondsanteile vom Nettoinventarwert des Portfolios abweichen darf, wenn außergewöhnlich viele Anteile ausgegeben oder zurückgegeben werden; außerdem Rücknahmegrenzen (“gating”), die es Fondsgesellschaften erlauben, die Rücknahme von Anteilen an Wertpapierfonds bis zu 15 Arbeitstage zu beschränken; und schließlich Rücknahmefristen, die Anleger verpflichten, Anteilsrückgaben bis zu einem Monat im Voraus anzukündigen, um Abflüsse aus dem Fonds besser steuern zu können.Derzeit setzt die Fondswirtschaft die neuen Werkzeuge in die Praxis um. Das ist komplex, vor allem auch technisch, doch wir sind gemeinsam mit der BaFin, Verwahrstellen und depotführenden Stellen schon sehr weit. Wir klären derzeit noch letzte offene Fragen, um alle neuen Liquiditätswerkzeuge praxisfähig zu machen. Das ist praktizierter Verbraucherschutz, der über die übliche Fixation auf Gebühren hinausgeht. Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer BVI