Investoren fliegen auf deutsche Logistikimmobilien
Von Thomas List, FrankfurtDie Coronakrise hat erhebliche Auswirkungen auf die Logistikbranche. Kurzfristig wurden für Lebensmittel, Medikamente und Drogeriewaren plötzlich deutlich mehr Lagerflächen gebraucht, während Bekleidung kaum nachgefragt wurde. Die in der Krise deutlich gewordene Abhängigkeit von internationalen Zulieferern dürfte auch in Deutschland zu einer Neuordnung der Lieferketten führen. Das wird erhebliche Auswirkungen auf den Logistikmarkt haben. Weniger Just-in-TimeUnternehmen werden Just-in-Time-Lieferungen reduzieren und benötigen daher mehr nahe den Produktionsorten liegende Lager. Angesicht steigender Sicherheitsabstände müssen diese Lagerhallen zudem größer ausfallen, wie es im Catella Market Tracker Q2 2020 heißt. Das dürfte dieser vergleichsweise jungen Assetklasse weitere Aufmerksamkeit bei den Investoren sichern und zu Umschichtungen aus dem Bürosektor und aus dem besonders Corona-betroffenen Hotelsektor in Richtung Logistik führen.Der Logistik-Investmentmarkt eilt hierzulande von Rekord zu Rekord. Lag das Volumen 2019 schon bei 4,6 Mrd. Euro, waren es allein im ersten Quartal dieses Jahres schon 2,3 Mrd. Euro und damit doppelt so viel wie ein Jahr zuvor (siehe Grafik). Damit liegen Logistikimmobilien in Deutschland auf Platz 3 der transaktionsstärksten Immobilien-Assetklassen.Zwar ist auch auf diesem Markt seit dem Lockdown Mitte März eine gewisse Zurückhaltung spürbar. Doch bleiben die Nachfrage grundsätzlich stark und das Flächenangebot begrenzt. Das bestätigt eine Umfrage des auf Logistik spezialisierten Assetmanagers Logivest Anfang April bei über 50 Investoren. Drei von vier wollen so weitermachen wie bisher, kaum einer will Objekte verkaufen.Transaktionen werden allerdings durch die Bewerter erschwert, die sich nicht trauen, die zukünftige Preisentwicklung abzuschätzen. Bei den Investoren rechnet knapp die Hälfte mit gleichbleibenden Preisen, 37,5 % erwarten ein Absinken und 14,5 % einen Anstieg der Preise. Insgesamt lassen sich bisher keine coronabedingten Abschläge bei den Kaufpreisen feststellen.Investoren konzentrierten sich jetzt eher auf Core-Regionen, sagt Alexander Nehm, Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft Logivest Concept, also auf die höchst attraktiven, seit Jahren gut funktionierenden Standorte der Ballungszentren. Er stellt ein wachsendes großes Interesse der Investoren am Thema Urban oder City Logistics fest.Hintergrund: In der Stadt wächst der Druck auf den Verkehr mit den vielen Zustelldiensten, die täglich mit ihren Sprintern die Straßen verstopfen. Die Nachfrage nach innerstädtischen Logistikflächen steigt zwar. Aber es gibt kein entsprechendes Angebot, schon gar nicht in standardisierter Form. “Es gab in den letzten 20 Jahren kaum Flächen für Logistikimmobilien in der Stadt. Die wird es auch in den nächsten 20 Jahren nicht geben, weil sich andere Assetklassen immer an attraktiven Lagen durchsetzen werden.”Vielmehr wächst die Zahl von Immobilien mit gemischter Nutzung und mehreren Mietern in einem Objekt, also eben nicht standardisierter Objekte, wie sie in den vergangenen zwei Jahrzehnten entstanden sind. “Ich glaube an viele Einzellösungen, also keinen großen Investmentmarkt beziehungsweise gar eine neue Assetklasse.” Der Speckgürtel für Logistikansiedlungen wird größer. Bisher waren das etwa 40 Kilometer um das Stadtzentrum, bei größeren Städten auch mehr. “Hier werden Investoren künftig aktiver werden.”Mehr Nachfrage bei knappem Angebot führt zu steigenden Preisen und Mieten und damit zu geringeren Renditen. Diese Entwicklung zeigt sich am deutschen Logistikmarkt in den vergangenen Jahren deutlich (siehe Grafik). Lag die Spitzenrendite vor zehn Jahren noch über 7 %, ist sie mittlerweile auf 4 % gesunken. Damit liegt diese Assetklasse aber immer noch deutlich über anderen wie Büros und Einzelhandel. Catella beziffert die Überrendite bei Logistikimmobilien auf etwa 100 Basispunkte.Auf der Jagd nach höheren Renditen versuchen Projektentwickler, sich frühzeitig in attraktiven Lagen Flächen zu sichern, und warten dann auf die Anfrage eines Nutzers. Im positiven Fall wird spezifisch für den vertragsschließenden Nutzer gebaut, aber drittverwendungsfähig. Wenn diese Anfrage aber nicht oder nicht schnell genug kommt, werden Entwickler und Investoren nervös. Der eine oder andere Entwickler beginnt dann zu bauen in der Hoffnung, dass es mit der Vermietung während der Bauphase dann schon noch klappen wird. Das kann zu Preiseinbrüchen führen, wie sich in einem Berliner Teilmarkt gezeigt hat. Verbreiteter MangelImmer häufiger steigt ein Investor sehr früh mit einem Entwickler in ein häufig auch spekulatives Projekt ein, weil die Anleger sonst kaum noch an Produkte kommen. In der Finanzierung ist nach Beobachtung von Nehm alles möglich, vom reinen Eigenkapitaleinsatz über Bankkredite bis zum Debt Fund. “Das hängt vom Standort ab.” In Lagen mit geringem Risiko finanzieren Banken bevorzugt, während sie von rein spekulativen Projekten meistens die Finger lassen. Dies gilt verstärkt seit Ausbruch der Coronakrise.