IM GESPRÄCH: HENNING LUDOLPHS, HANNOVER RÜCK

"Investoren stellen weniger Kapital bereit"

Transfer von Rückversicherungsrisiken an den Kapitalmarkt lahmt in der Erneuerungsrunde 2019 - Fronting-Konkurrent steigt aus dem Markt aus

"Investoren stellen weniger Kapital bereit"

Von Antje Kullrich, DüsseldorfCat Bonds haben 2018 neue Rekorde eingefahren. Nie zuvor wurden so viele öffentliche Katastrophenanleihen, die Höchstschäden bei US-Hurrikans oder Erdbeben absichern, emittiert. Zum Jahresende erlahmte der Markt jedoch. Das vierte Quartal fiel im Vergleich zu früheren Jahren nur mittelmäßig aus. Mittlerweile mache sich im Risikotransfer in den Kapitalmarkt, den sogenannten Insurance-Linked Securities (ILS), eine gewisse Ernüchterung breit, sagt Henning Ludolphs, Managing Director und Experte bei der Hannover Rück. Im privaten, bilateralen Segment des alternativen Marktes, der sogenannten besicherten Rückversicherung oder Collateralized Reinsurance, sei das noch stärker ausgeprägt. Hier treffen jenseits der traditionellen Rückversicherung Erstversicherer und Investoren direkt aufeinander. Es geht um Deckungsverträge, bei denen Finanzmarkt-Investoren Risikokapital in Höhe von 100 % der potenziellen Schadensumme bereitstellen. Der relativ neue und in den vergangenen Jahren stetig wachsende Markt bremst gerade etwas ab. “Investoren stellen weniger Kapital bereit”, stellt Ludolphs im Gespräch mit der Börsen-Zeitung für die Erneuerungsrunde 2019, bei der zum 1. Januar ein Großteil der Verträge neu verhandelt wurde, fest.Das hat vor allem mit den Ereignissen der vergangenen zwei Jahre zu tun. Das Jahr 2017 war mit der monströsen Hurrikan-Serie in Nordamerika und dem schweren Erdbeben in Mexiko das teuerste Schadenjahr für die Versicherungswirtschaft überhaupt. Doch die von einigen Marktteilnehmern befürchtete Schockstarre bei den Investoren blieb aus. Alte und neue Investoren drängten in den Markt in der Hoffnung, dass die Preise, also die Rendite auf das bereitgestellte Kapital, nach oben schießen würden. “Die Erwartungen haben sich in diesem Maße nicht erfüllt”, sagt Ludolphs. Durch das zufließende Kapital entstand wieder Preisdruck.Der nichtöffentliche Markt der Collateralized Reinsurance war durch die Hurrikan-Serie 2017 weit stärker getroffen worden als der Cat-Bond-Markt. Denn während in Letzterem in der Regel nur die absoluten Spitzenrisiken versichert werden, werden besicherte Rückversicherungsverträge auch für niedrigere Schadenausmaße abgeschlossen. Das Segment war deshalb genauso wie die traditionelle Rückversicherung 2017 stark belastet.Auch 2018 lag als Katastrophenschadenjahr über dem Durchschnitt. Mit 80 Mrd. Dollar Belastung für die Versicherungsindustrie gehörten die vergangenen zwölf Monate zu den teuersten in der Geschichte. Allein auf die Waldbrände in Kalifornien entfielen nach jüngst veröffentlichten Zahlen der Munich Re 18 Mrd. Dollar. Negative ÜberraschungenIm zweiten Jahr in Folge seien die Investoren negativ überrascht worden, sagt Ludolphs zum psychologischen Effekt. Auch waren noch viele Monate nach den US-Hurrikans die Schadenschätzungen teilweise weiter gestiegen. So meldete das Florida Office of Insurance Regulation noch Ende August 2018 eine Schadensteigerung von weiteren 8 %, was Hurrikan “Irma” angeht. Doch auch zu diesem Zeitpunkt waren noch längst nicht alle Schadenfälle abgeschlossen.Der gesamte Markt des alternativen Marktes, in dem Collateralized Reinsurance (CR) den Großteil ausmacht, wurde 2018 auf ein Volumen von knapp 100 Mrd. Dollar geschätzt. Zur Erneuerungsrunde 2019 habe aber weniger Kapital zur Verfügung gestanden, beschreibt Ludolphs die jüngste Entwicklung. Er geht einschließlich des noch festsitzenden Kapitals (trapped capital) aus noch nicht abgewickelten Verträgen von 90 Mrd. bis 95 Mrd. Dollar aus. Der Broker JLT Re hatte den Markt kürzlich auf etwa 91 Mrd. Dollar zum Jahreswechsel geschätzt und von Stagnation gesprochen. Das ist weniger, als der Broker Aon noch nach neun Monaten 2018 geschätzt hatte (siehe Grafik).Die Hannover Rück selbst schließt etwa die Hälfte ihrer eigenen Retrozession über CR ab. Die Hauptretrozessionsprogramme des Konzerns haben ein Volumen von etwa 1,1 Mrd. Euro. Die Hannover Rück ist im CR-Geschäft auch als Dienstleister tätig und vermittelt und begleitet Verträge zwischen Versicherern, die Rückversicherungsschutz am Kapitalmarkt suchen, und Investoren. In diesem Fronting-Geschäft sind nur wenige Gesellschaften tätig. Die Allianz ist ein weiterer Player im Markt. Der dritte große Konkurrent Tokio Millennium Re hat sich gerade aus dem Fronting zurückgezogen, nachdem das Unternehmen im vergangenen Jahr von der Renaissance Re übernommen worden war. Für die Hannover Rück ist das eine gute Nachricht. Die Nachfrage sei bereits spürbar gestiegen, berichtet Ludolphs. Derzeit zieht das Geschäft der Hannoveraner im kleinen zweistelligen Prozentbereich in diesem Segment an. “Wir gehen davon aus, dass wir weiter wachsen können.”Für den Gesamtmarkt des alternativen Risikokapitals bleibt Ludolphs langfristig optimistisch: “Es bleibt der wesentliche Vorteil der Non-Korrelation: Wenn Zinsen steigen, passiert kein Erdbeben.” Die aktuelle Zurückhaltung, die er beobachtet, hält er für temporär: “Wir sehen einen Evolutionsprozess.” Terror und CyberLudolphs glaubt aber an die Weiterentwicklung: Im Cat-Bond-Markt dürften Cyber- und Terrorrisiken in Zukunft abgesichert werden. Ein erster Terrorbond ist am Markt. Der staatliche britische Terrorversicherer Pool Re platziert gerade eine Anleihe über knapp 100 Mill. Euro. Die Deckung von Terror- und Cyberschäden über den Kapitalmarkt ist jedoch noch ganz am Anfang – auch wenn viele Investoren die Abkehr von der Dominanz von US-Naturkatastrophenrisiken am Markt begrüßen würden. Ludolphs erwartet größere Volumina erst auf längere Sicht: “Es wird dauern, bis das diversifizierende Risiken mit Gewicht sein werden.”