JAHRESTREFFEN DER RÜCKVERSICHERER

"Irma" sorgt für Wirbel am Markt

Hurrikan in Florida prägt "Les Rendez-Vous de Septembre" - Schäden nicht ganz so groß wie befürchtet - Skepsis über Preiswende

"Irma" sorgt für Wirbel am Markt

Nach dem Hurrikan “Irma” in Florida scheint ein weiterer Preisverfall am Rückversicherungsmarkt zunächst gestoppt. An eine echte Trendwende glauben die großen Marktteilnehmer jedoch noch nicht. Dennoch legten die Aktien der großen Spieler am Montag ordentlich zu.Von Antje Kullrich,zzt. Monte CarloDie weltweit führenden Rückversicherer halten trotz der Zerstörungskraft der beiden jüngsten US-Hurrikane “Harvey” und “Irma” die Belastungen für ihr Geschäft für verkraftbar. Eine nachhaltige Trendwende im Markt, der seit Jahren von sinkenden Preisen geprägt ist, erwarten die Konzernchefs der Big Four Munich Re, Swiss Re, Hannover Rück und Scor nicht. “Wir rechnen mit verlustgetriebenen Preiserhöhungen in einigen ausgewählten Bereichen. Ich sehe nicht, dass sich der Markt in Gänze bewegt”, sagte Ulrich Wallin, Chef der Hannover Rück, am Montag bei den traditionellen “Les Rendez-Vous de Septembre” in Monte Carlo.Immerhin gehen Hannover Rück und Swiss Re mittlerweile von einer Stabilisierung des Preisniveaus für die anstehende Erneuerungsrunde aus, wie die Vorstände am Montag vor Journalisten ausführten. Die Munich Re rechnet damit, dass die jüngsten Hurrikane mindestens Einfluss auf die Preise für US-Naturkatastrophenschutz haben. Ob die Auswirkungen aber im weltweiten Geschäft zu spüren sein werden, bleibe abzuwarten, gab sich Vorstandsmitglied Torsten Jeworrek vorsichtig.Der Risikomodellierer AIR hat mittlerweile seine Schadenprognosen etwas zurückgenommen und geht von versicherten Schäden zwischen 20 und 40 Mrd. Dollar aus. Zuvor hatte das Maximum noch bei 65 Mrd. Dollar gelegen.Für “Harvey”, der vor drei Wochen die Gegend um Houston verwüstet hatte, nannte Jeworrek eine potenziell versicherte Spanne zwischen 20 und 30 Mrd. Dollar. Es werde allerdings noch Wochen und Monate dauern, bis genaue Angaben möglich seien. Das liege an der Komplexität der Schäden, weil “Harvey” nicht nur für hohe Wind-, sondern auch starke Überschwemmungsschäden gesorgt habe.Als unmittelbare Marktreaktion verzeichnen die großen Rückversicherer eine steigende Nachfrage nach sogenannten Back-up-Deckungen. Damit füllen Erstversicherer, die bereits durch die jüngsten Katastrophen ihre Rückversicherungstöpfe ausgeschöpft haben, ihre Deckungen bis zum Abschluss der neuen (jährlichen) Verträge wieder auf.Die Aktien der großen europäischen Rückversicherer befanden sich am Montag erst einmal auf Erholungskurs nach deutlichen Verlusten Ende vergangener Woche. Die Munich Re führte den Dax mit einem Plus von 4 % am Montag an. Hannover Rück holten den MDax-Tagessieg mit gut 5 % Kursgewinn.Doch die Sturmgefahren in den USA sind noch nicht vorbei. Diverse Rückversicherer verwiesen in Monte Carlo darauf, dass bis dato erst die Hälfte der Hurrikan-Saison in den Vereinigten Staaten herum sei.In der Branche könnte “Irma” jedoch für ein Auseinanderdriften des Marktes sorgen. “Die Starken werden stärker, die Schwachen werden schwächer”, kommentierte Scor-Vorstand Victor Peignet.Die Munich Re verwies darauf, dass ihr Katastrophenportfolio in Florida unterdurchschnittlich im Vergleich zum restlichen US-Geschäft sei. Die Hannover Rück merkte an, dass ihr Marktanteil in Florida unter 2 % liege, verglichen mit einem weltweiten Marktanteil von 4 bis 4,5 %. Die Swiss Re wollte sich zu ihrem Engagement im südlichen US-Sonnenstaat überhaupt nicht äußern.Die Ratingagentur Fitch hat die Rückversicherungsdeckungen der 15 größten Wohngebäudeversicherer in Florida analysiert und nennt neben dem staatlichen Florida Hurricane Catastrophe Fund auch Lloyd’s of London exponiert. Danach folgen Everest Re, die Allianz und Tokio Marine Holdings. Margen unter DruckDie Margen der Rückversicherer geraten spätestens durch “Irma” weiter unter Druck. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Branche im laufenden Jahr eine kombinierte Schaden-Kosten-Quote von über 100 % einfährt und damit versicherungstechnische Verluste schreibt. Auch die Kapitalkosten sind zuletzt nur noch gerade so verdient worden. A.M. Best beziffert die Eigenkapitalrendite im ersten Halbjahr 2017 auf gerade mal 8,1 %. Im Jahr 2013 waren es noch 13 %. Seitdem ist der Wert kontinuierlich gesunken.Noch heftiger jedoch hat der gewaltige Sturm in Florida den Markt für alternativen Risikotransfer (ART) durchgerüttelt. “Der ART-Markt wird einen relativ größeren Verlust einfahren als die traditionelle Rückversicherung”, prognostizierte Munich-Re-Vorstandsmitglied Thomas Blunck (siehe auch unten stehenden Bericht). Weltweite DeckungslückenDie jüngsten Katastrophen bieten den Rückversicherern nach eigener Einschätzung jedoch auch Marktchancen. Das Bewusstsein, wie wichtig Schutz vor solchen Ereignissen ist, dürfte steigen, hoffen die Manager der Branche. Denn die Deckungslücke ist selbst in hoch entwickelten Industrieländern groß. So seien von wirtschaftlichen Schäden durch Naturkatastrophen in den USA seit 1980 laut Munich Re nur 44 % versichert gewesen. In Europa liegt die Marktdurchdringung gar nur bei 29 %. Swiss-Re-Chef Christian Mumenthaler bezifferte die weltweite Deckungslücke bei der Versicherung gegen Naturkatastrophen auf 180 Mrd. Dollar.Genügend Kapital für Wachstum wäre vorhanden. Denn die Überkapazitäten im Markt sind der Hauptgrund, warum die Preise in der Rückversicherung nicht anziehen. Bei ihrer aktuellen Marktschätzung bleibt die Munich Re allerdings sehr konservativ und rechnet für die Rückversicherung bis 2019 sogar mit sinkenden Wachstumsraten bei den Beitragseinnahmen. Sie prognostiziert ein Plus von 1 %, während es in den vergangenen Jahren branchenweit bei 3 % lag.