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Italien widersetzt sich verschärften Regeln für faule Kredite

Von Thesy Kness-Bastaroli, Mailand Börsen-Zeitung, 10.10.2017 Scharfe Kritik wird in Italien an den von der EZB in der vergangenen Woche angekündigten verschärften Richtlinien für den Umgang mit Non-Performing Loans (NPL) laut. Selten gibt es in...

Italien widersetzt sich verschärften Regeln für faule Kredite

Von Thesy Kness-Bastaroli, MailandScharfe Kritik wird in Italien an den von der EZB in der vergangenen Woche angekündigten verschärften Richtlinien für den Umgang mit Non-Performing Loans (NPL) laut. Selten gibt es in dem südeuropäischen Land ein Thema, bei welchem sich alle einig sind. Ob bei Fragen der Politik, der Wirtschaft oder des Fußballs – Italien ist das Land der unendlichen Diskussionen und der tausend verschiedenen Meinungen. Nun aber hat ein Thema alle Institutionen geeint: die zur Konsultation gestellten EZB-Richtlinien über den beschleunigten Abbau fauler Bankkredite. Politiker und Unternehmer, der Bankenverband, die Notenbank und die Gewerkschaften halten sich mit ihrer Kritik nicht zurück. Italiens Bankenwerte haben in der vergangenen Woche schwächer tendiert als der allgemeine FTSE-MIB-Index.So zeigte sich Italiens Finanzminister Pier Carlo Padoan zu Wochenbeginn am Rande einer Sitzung der Finanzminister in Luxemburg skeptisch. Zwar räumte er Probleme mit Non-Performing Loans in Italien ein. Zugleich aber äußerte er Zweifel an den von der Aufsicht geplanten Maßnahmen. “Bürokraten können und dürfen nicht Kompetenzen ersetzen, für die das Europäische Parlament zuständig ist”, hatte zuvor der Präsident des Europaparlaments, Antonio Tajani, Politiker der Forza Italia, bei einem Gastvortrag in Rom die von der europäischen Bankenaufsicht angekündigten Bestimmungen kritisiert. Diese regeln vor allem die aufsichtliche Risikovorsorge für ab Anfang 2018 als faul klassifizierte Kredite. Demnach sollen Banken “für den unbesicherten Teil neuer NPL spätestens nach zwei Jahren und für den besicherten Teil spätestens nach sieben Jahren eine vollständige Deckung aufweisen”.In politischen Kreisen schließt man nun eine Intervention des Europäischen Parlaments, ein Schreiben an Danièle Nouy, Chefin der europäischen Bankenaufsicht, nicht aus. Der ehemalige Regierungschef Matteo Renzi twitterte schon, die Aufsichtsbehörde sei ursprünglich dafür eingerichtet worden, Bankkrisen zu vermeiden und nicht neue zu schaffen. Offensichtlich befindet sich Italiens Bankenverband ABI in diesem Kampf an vorderster Front. ABI-Generaldirektor Giovanni Sabatini meint, die Regulierung im Bankenbereich sei bereits äußerst komplex. Die neuen Richtlinien könnten für weitere Konfusion sorgen. ABI-Präsident Antonio Patuelli hat gemeinsam mit Sabatini der kürzlich eingesetzten parlamentarischen Bankenkommission ein Schreiben zukommen lassen, damit diese die neu geplanten Richtlinien überprüfe. Und der Präsident der Banca d’Italia, Ignazio Visco, fordert unter anderem, dass die Maßnahmen nicht rückgreifend wirken bzw. auch den Altbestand der faulen Kredite betreffen dürfen. Last but not least bezeichnet der Industriellenverband Confindustria die EZB-Maßnahmen als unverständlich und irrational. Sie bestraften nicht nur die Banken und beeinflussten die Kreditpolitik, sondern drohten auch Schatten auf das Wachstum zu werfen. Die Gewerkschaften befürchten negative Auswirkungen auf das Beschäftigungsniveau.NPL sind ein äußerst heikles Thema im angeschlagenen Kreditsystem Italiens. Bedingt durch die mehrjährige Rezession und Stagnation, in deren Zuge die Industrieproduktion seit 2007 um rund ein Viertel nachgelassen hat, erreichten die NPL in Italien 2016 ein Rekordniveau von 365 Mrd. Euro. Ausschlaggebend dafür war auch, dass die Fremdfinanzierung der Unternehmen in Italien zu über 80 % über Banken erfolgt. Die Zahlungsmoral hinkt dabei jener in anderen europäischen Ländern nach. Bis vor kurzem ist die Gefahr akut gewesen, dass die NPL eine Systemkrise im italienischen Bankensektor auslösen.Seit Jahresbeginn kommt es zu einem zügigen Abbau der NPL. Allein im laufenden Jahr sollen bis zu 100 Mrd. Euro an faulen Krediten veräußert werden. Der Markt für NPL ist nach einem mehrjährigen Stillstand in Bewegung geraten, der Preis für faule Kredite ist von 12 % im vergangenen Jahr bis auf 38 % gestiegen. Internationale Finanzinvestoren von Fortress über Pimco bis zu Algebris engagieren sich am NPL-Markt. Veräußerungen häufen sichUnicredit hat mit der Veräußerung von 17 Mrd. Euro fauler Kredite im laufenden Jahr bereits ein Beispiel für beschleunigten NPL-Abbau gegeben und will demnächst angeblich weitere solcher Kredite für 2 Mrd. Euro veräußern. Intesa Sanpaolo plant, ihre faulen Kredite primär intern an die eigens gegründete Capital Light Bank abzugeben, lotet gleichzeitig aber auch andere Wege aus. Monte dei Paschi will ihren Bestand an faulen Krediten um 26 Mrd. Euro verringern, Banco BPM hat den Verkauf von 8 Mrd. an NPL angekündigt, und Carige ist dabei, NPL für 1,3 Mrd. Euro zu veräußern. Während der Bestand fauler Kredite abnimmt, verlangsamt sich der Zufluss neuer NPL. Nach Angaben der Banca d’Italia ist der Bestand von Brutto-Problemkrediten bei Banken im Juli auf 173,6 Mrd. Euro gesunken. Im Juni waren es noch 192 Mrd. Der Netto-NPL-Bestand sank im Juli auf 65,8 Mrd. Euro und damit auf das Niveau des Jahres 2012. Im Juni waren es noch 71,2 Mrd. Euro gewesen. Die Ratingagentur Moody’s stellt in ihrem aktuellen Länderbericht fest, der Bankensektor habe sich stabilisiert, und eine Systemkrise sei vermieden worden. In diesem Szenario könne eine Verschärfung der Maßnahmen wie ein Bumerang wirken, wie Banker erklären. Regeln würden befürwortet, aber sie müssten zum richtigen Zeitpunkt erfolgen.Auch bei Investmentbanken wird die Befürchtung geäußert, dass die neuen Maßnahmen die sich abzeichnende Erholung im Keim ersticken könnten. So bezeichnen Credit Suisse und Equita die Auswirkungen der angekündigten verschärften Regeln als negativ für den italienischen Bankensektor. Credit Suisse erwartet, dass die Deckung der NPL im Schnitt zunehmen und die Bilanzen damit belasten wird.Equita rechnet mit zusätzlichen Kosten für das italienische Bankensystem von mindestens 1,3 Mrd. Euro jährlich. Intermonte zeigt sich weniger negativ, auch wenn im Schlussquartal 2017 mehr Rückstellungen die Bankbilanzen belasten dürften, wie es heißt. Da sich die Wirtschaft jedoch im Aufschwung befinde, dürfte sich auch der Zufluss neuer NPL verringern.