IM BLICKFELD

Italiens Finanzsektor ist in Bewegung

Von Thesy Kness-Bastaroli, Mailand Börsen-Zeitung, 8.2.2017 Mit atemberaubender Geschwindigkeit finden derzeit Änderungen an Italiens Finanzfront statt. Die Mailänder Unicredit hat zu Wochenbeginn die größte Kapitalerhöhung in Italiens...

Italiens Finanzsektor ist in Bewegung

Von Thesy Kness-Bastaroli, MailandMit atemberaubender Geschwindigkeit finden derzeit Änderungen an Italiens Finanzfront statt. Die Mailänder Unicredit hat zu Wochenbeginn die größte Kapitalerhöhung in Italiens Wirtschaftsgeschichte gestartet. Sollten dabei nicht wie angestrebt 13 Mrd. Euro eingesammelt werden, droht der HVB-Mutter nach eigenen Angaben der Bail-in. Eine Entscheidung darüber fällt spätestens am 10. März, wenn die Transaktion beendet sein wird. Italiens zweitgrößte Bank Intesa Sanpaolo erwägt derweil, den größten italienischen und drittgrößten europäischen Versicherer Generali zu schlucken. Zwar will sich Bankchef Carlo Messina Zeit lassen, um die Megatransaktion durchzurechnen. Aber viel Zeit bleibt ihm nicht. Denn auch die Generali-Rivalen haben offenbar Appetit auf den derzeit mit 25 Mrd. Euro bewerteten Finanzkonzern. Schleier gelüftetZwar herrscht derzeit relative Ruhe um Italiens Problembank Monte dei Paschi di Siena (MPS). Doch spätesten bei der für 26. Februar angekündigten Board-Sitzung soll sich der Schleier über dem neuen Geschäftsplan lüften. Sicher ist allein, dass der Staat die Mehrheit von MPS übernehmen wird, zumindest vorerst. Er wird die von der EZB geforderte Kapitalerhöhung von 8,8 Mrd. Euro großenteils zeichnen. Inzwischen will FTSE Russell, Betreiberin des FTSE-Aktienindex, klären, ob ein Comeback von MPS an der Mailänder Börse möglich ist – die Bank ist seit Dezember nicht mehr börsennotiert.In Bewegung ist auch der Volksbankensektor geraten. Zu Jahresbeginn fand die erste große Fusion statt. Die Mailänder Banca Popolare di Milano ging mit dem Banco Popolare aus Verona zusammen. Gemeinsam verschmolzen sie zu Banco BPM, der inzwischen drittgrößten Bank des Landes. Und die viertgrößte Bank entsteht gerade durch die angekündigte Fusion von Veneto Banca mit Banca Popolare di Vicenza. Weitere Zusammenschlüsse im Volksbankensektor sollen bevorstehen, etwa die Verschmelzung der mittelitalienischen Banca Popolare di Emilia Romagna (BPER) mit Credito Valtellinese (Creval), ganz zu schweigen von der Übernahme der drei mittelitalienischen Volksbanken Banca Etruria, Banca delle Marche und Sparkasse von Chieti, die von Ubi Banca zum Symbolpreis von 1 Euro übernommen wurden.Ausschlaggebend für diese Dynamik ist: Italiens Bankensektor befindet sich in einer Krise. Einige Banken wie Intesa Sanpaolo laufen zwar gut. Doch dies sind Ausnahmen. Der Großteil der Banken wird durch ausfallgefährdete Kredite in Höhe von insgesamt 350 Mrd. Euro erdrückt. Dies ist auch im Hinblick auf die von der EZB geforderte Kapitalausstattung ein Damoklesschwert. Der Bankenverband ABI nennt die seit Jahren anhaltende Rezession und Stagnation als ausschlaggebenden Grund für das Volumen der Non Performing Loans. Doch die Wirtschaftsflaute ist nicht der einziger Grund. Abgesehen davon, dass die notleidenden Kredite in Italien seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten über dem europäischen Schnitt liegen, haben die Banken, insbesondere die Volksbanken, es versäumt, rechtzeitig ihre Bilanz zu säubern. Das kommt sie nun teuer zu stehen. Andere Länder, etwa Spanien, Deutschland oder Irland, haben diese Säuberungen früher durchgezogen, auch mit Staatshilfen. Italiens hat dies verpasst. Der damalige Regierungschef Mario Monti rechtfertigt sich heute damit, dass 2011/12 schwerwiegendere Probleme zu lösen waren. Der Staat stand vor dem Ruin. Auch die Governance hat weitgehend versagt. Das Bankenmanagement war, wie die Beispiele von Monte dei Paschi di Siena oder jenes der beiden Volksbanken von Venetien zeigen, unfähig. Auch beim Versicherer Generali glänzten die Konzernchefs nicht durch Brillanz und Weitsicht, mit Ausnahme von Mario Greco (2013 – 2015), der aber von den Aktionären möglicherweise wegen seiner für Generali ungewohnten Effizienz und Unabhängigkeit entlassen wurde. Last but not least hat sich der politische Einfluss verheerend auf das Kreditsystem ausgewirkt. Das Vertrauen der Italiener in ihr Banksystem ist laut einer Umfrage des Sozialforschungsinstitutes Censis zu Jahresbeginn auf ein Allzeittief gefallen. Frischer WindNun weht ein frischer Wind. Bei einem Großteil der Banken kam es zu einer neuen Governance. Der erst seit einem halben Jahr amtierende Unicredit-Chef Jean Pierre Mustier hat eine Rosskur angekündigt. Nicht nur die Mega-Kapitalerhöhung von 13 Mrd. Euro, mit einer schmerzhaften Bilanzsäuberung mit 12 Mrd. Euro an Rückstellungen für notleidende Kredite und einem drastischen Personalabbau will Mustier die HVB-Mutter auf Trab bringen. Dividenden werden vorerst nicht gezahlt, die Managergehälter gekürzt und teure Sponsoring-Ausgaben vorerst ad acta gelegt. Ob die Maßnahmen ausreichen, um eine Trendwende einzuleiten, und ob nach der möglichen Sanierung ein Zusammengehen mit Société Générale bevorsteht, wie gemunkelt wird, bleibt dahingestellt.Weniger zuversichtlich zeigen sich Analysten im Falle MPS. Zwar wird der Staat einen Großteil der Kapitalerhöhung zeichnen, Assets werden verkauft und 500 Filialen geschlossen. Doch ob damit die jahrzehntelange Misswirtschaft überwunden werden kann, ist fraglich. Anders sieht die Situation bei den beiden ehemaligen Pleitebanken aus Venetien aus. Deren Niedergang war eindeutig auf das Missmanagement, auf die Vetternwirtschaft der einstigen Präsidenten und Bankchefs zurückzuführen. Diese wurden inzwischen gefeuert und durch fähige Manager ersetzt. Zwar steht noch eine Kapitalerhöhung von 3 Mrd. bis 5 Mrd. Euro an. Auch müssen bis zu 9 Mrd. Euro an faulen Krediten ausgegliedert werden. Doch die Trendwende wurde eingeleitet. Angeblich sollen bereits ausländische Investoren nach Venetien schielen.